Blick in den Steuerstabantriebsraum im Atomkraftwerks Zwentendorf
APA/Helmut Fohringer
Zweites Leben

AKW zieht Experten und Besucher an

Es hat 1.050 Räume, kein einziges Fenster, hinter eineinhalb Meter Stahlbeton fehlt fast durchgehend auch der Handyempfang. Dennoch ist das Atomkraftwerk Zwentendorf Anziehungspunkt für bis zu 15.000 Besucher jährlich. Anstelle von Kernspaltungen finden 40 Jahre nach der Volksabstimmung im Gebäude, das seit 2005 im EVN-Eigentum steht, neben Führungen vor allem Rückbautrainings für Experten statt.

Vor nunmehr 13 Jahren erwarb die EVN das damals noch zu 50 Prozent im Besitz des Verbunds stehende Gebäude komplett. „Über Jahre war das ein Ort, an dem alles gescheitert ist, was überlegt wurde“, sagte Unternehmenssprecher Stefan Zach im Hinblick auf die Zeit nach dem Nein zum AKW bei der Volksabstimmung am 5. November 1978.

In den Überlegungen der EVN spielte vor allem die Umgebung des niemals ans Netz gegangenen Reaktors eine große Rolle. Rund 24 Hektar seien dort inmitten des Augebiets als Kraftwerksgelände gewidmet und gelten in den Planungen des Energieversorgers laut Zach als Reservestandort. Gedacht werde dabei hauptsächlich in Richtung erneuerbarer Energien.

Trockentraining für den AKW-Rückbau

Die Anlage selbst dient seit 2015 als internationales Rückbautrainingszentrum für Kerntechniker. Diese könnten im Bezirk Tulln den stufenweisen Abbau eines AKW in einem gefahrlosen, strahlungsfeien Umfeld, sozusagen im Trockenen, trainieren, so Zach. Zwentendorf sei ein „1:1-Übungsmodell“, das in dieser Form auch eine Zukunft habe – potenzielle Trainingskandidaten seien genug vorhanden: „Es gibt 36 ähnliche Siedewasserreaktoren in Europa“, hielt Zach fest.

Auch auf erneuerbare Energien setzt die EVN in Zwentendorf bereits seit 2009. Auf dem Dach sowie auf der Außenfassade wurden Fotovoltaikanlagen angebracht, diese wurden vor sechs Jahren erweitert. Sehr positive Rückmeldungen erhalte das Unternehmen nach Publikumsführungen durch den Reaktor, die seit 2010 angeboten werden. Mehrmals pro Woche wird den Besuchern „ein Stück österreichischer Zeitgeschichte“ nähergebracht, erläuterte Zach.

„Schwarze Null“ dank Film, Mode und Musik

Das AKW Zwentendorf habe sich mittlerweile auch als Filmlocation einen Namen gemacht, sagte der EVN-Sprecher und verwies auf mehrere Spielfilmstreifen und Dokumentationen. Zudem würden Modeshootings und Firmenveranstaltungen im historischen Gebäude abgehalten. Zach: „Wir hatten auch schon Autopräsentationen in der Turbinenhalle.“

Immer größerer Beliebtheit erfreut sich das von der Independent Event GmbH veranstaltete Shutdown-Musikfestival auf dem AKW-Gelände, das bei seiner zweiten Auflage im Jahr 2018 laut dem Unternehmenssprecher 10.000 Besucher verzeichnete. „Diese Veranstaltung, die uns eine große Freude macht, wird es auch in den nächsten Jahren geben.“

Die jährlichen Betriebskosten für den zweckentfremdeten Meiler liegen nach Angaben von Zach bei 350.000 bis 500.000 Euro. Dank Erträgen aus den diversen Aktivitäten stehe bereits seit etlichen Jahren am Ende „eine schwarze Null“.