Fahndungsfoto von Joaquin „El Chapo“ Guzman
APA/AFP/Official Sources
Prozess geht los

Letztes Kapitel für „El Chapo“ aufgeschlagen

Er war einer der berüchtigtsten Drogenbosse Mexikos: Joaquin „El Chapo“ Guzman. Zweimal war er spektakulär aus dem Gefängnis entkommen, seit seiner Auslieferung 2017 an die USA sitzt er in New York in Einzelhaft, wo ihm nun der Prozess gemacht wird. Es könnte das letzte Kapitel in diesem Drama sein.

Der 61-jährige Guzman, der aufgrund seiner geringen Körpergröße „El Chapo“ („der Kurze“) genannt wird, harrt nun schon zwei Jahre im Hochsicherheitsgefängnis in New York aus. 24 Stunden pro Tag verbringt er in seiner 15 Quadratmeter großen, fensterlosen Zelle. Ausnahmen gibt es nur unter der Woche, wenn er täglich eine Stunde ein Laufband und einen Fahrradtrainer benutzen darf.

Besuch darf er nur von seinen drei Anwälten und seinen beiden Töchtern empfangen. Die siebenjährigen Zwillinge sind dabei durch eine dicke Glasscheibe von ihm getrennt. Seine Frau, die 29-jährige ehemalige Schönheitskönigin Emma Coronel, darf ihn nicht besuchen. Sie verfolgte aber alle Anhörungen vor Prozessbeginn und warf ihrem Mann von der Zuschauertribüne Küsse zu.

Ab Montag steht Guzman in Brooklyn im Bezirk Eastern New York vor Gericht unter dem Vorsitz von Richter Brian Cogan. Gleich ein Dutzend Staatsanwälte sitzen an dem Fall. Bei einer Verurteilung droht Guzman lebenslange Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis. Die nach Bundesrecht der USA immer noch legale Todesstrafe ist ausgeschlossen, darauf hatten sich Mexiko und die USA bei der Auslieferung verständigt.

Berge an belastendem Material

Jahrelang hat die Staatsanwaltschaft Unterlagen für die Anklage gegen Guzman gesammelt. Elf Anklagepunkte werden ihm zur Last gelegt. Das mexikanische Sinaloa-Kartell als „größte Drogenschmuggelorganisation der Welt“ habe unter seiner Führung von 1989 bis 2014 insgesamt 154.626 Kilogramm Kokain in die USA geschmuggelt, des Weiteren auch Heroin, Crystal Meth und Marihuana, heißt es in der Anklage.

Joaquin „El Chapo“ Guzman bei seiner Auslieferung 2017
AP/U.S. law enforcement
Joaquin „El Chapo“ Guzman bei seiner Auslieferung am 19. Jänner 2017 in New York

Damit soll Guzman 14 Milliarden Dollar (12,3 Mrd. Euro) verdient haben. Er schaffte er sogar auf die „Forbes“-Liste der reichsten Menschen der Welt. Darüberhinaus muss sich Guzman wegen Waffenhandels und Geldwäsche verantworten. Als Chef des Sinaloa-Kartells ließ er mutmaßlich Hunderte Menschen ermorden, angreifen und entführen.

Guzman plädiert auf nicht schuldig. Doch die US-Justiz hat belastendes Material gesammelt, das inzwischen mehr als 300.000 Seiten und mindestens 117.000 Audioaufnahmen umfasst. Für die Durchsicht dieses Materials forderten die Verteidiger des mächtigen Drogenbosses schon mehrfach mehr Zeit und erreichten, dass der Prozess verschoben wird.

Hohes Sicherheitsaufgebot bei Prozess

Das auf vier Monate angesetzte Mammutverfahren findet hinter verschlossenen Türen statt. Die zwölf Geschworenen und ihre sechs Ersatzkandidaten werden unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen ausgewählt – wie es nur in Prozessen gegen die gefährlichsten Angeklagten der Fall ist. Die Geschworenen bleiben komplett abgeschirmt von der Presse und Öffentlichkeit und werden an jedem Prozesstag von Sicherheitsbeamten ins Gericht eskortiert. Ihre Namen und Gesichter sollen geheim bleiben.

Ehefrau und Anwälte von Joaquin „El Chapo“ Guzman
APA/AFP/Hector Retamal
Guzmans Frau Emma Coronel gibt – flankiert von seinen Anwälten Eduardo Balarezo (l.) und William Purpura (r.) – ein Pressestatement

Auch einstige Geschäftspartner Guzmans, frühere Handlanger und Rivalen, die Informanten und Zeugen in dem Verfahren sind, stehen unter Schutz. Viele haben im Rahmen des Zeugenschutzprogramms mit einer neuen Identität bereits ein neues Leben begonnen. Inhaftierte Informanten sind in Spezialflügeln untergebracht, um sie vor Repressalien zu schützen. Das Verfahren hängt in höchstem Maße von ihren Aussagen ab. Denn niemand habe Fotos davon, wie Guzman Kokain in die USA geschleust und dafür „Koffer mit Geld“ entgegengenommen habe, sagte der Anwalt Rob Heroy, der bereits mehrere mexikanische Drogenbarone vor Gericht vertreten hat.

Der Jurist schätzt, dass das Verfahren die Steuerzahler wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen und der Schutzprogramme für die 16 Zeugen „mehr als 50 Millionen Dollar“ (44 Mio. Euro) kostet. Wahrscheinlich gehe der Prozess als der teuerste in die Geschichte der USA ein. Der Drogenhandel in die USA werde mit dem Verfahren jedoch nicht gestoppt.

Zweimal aus Gefängnissen entkommen

Guzman kam 1957 in dem Dorf La Tuna de Badiraguato im mexikanischen Bundesstaat Sinaloa zur Welt. Der Sohn einer armen Familie verkaufte als Jugendlicher Orangen, bevor er sich in den 1980er Jahren der Drogenbande um Miguel Angel Felix Gallardo anschloss. Nach der Festnahme des Chefs gründete er das Sinaloa-Kartell. Die US-Antidrogenbehörde (DEA) bezeichnet das Syndikat als multinationalen Großkonzern des organisierten Verbrechens.

1993 wurde Guzman in Guatemala festgenommen, 2001 gelang ihm jedoch die Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Mexiko. 2014 nahmen Marineinfanteristen „El Chapo“ in einem Apartment in der Küstenstadt Mazatlan im Westen des Landes erneut fest. Gerade einmal 17 Monate verbrachte er in Haft, dann entkam er im Juli 2015 durch einen 1,5 Kilometer langen Tunnel in die Freiheit. Im Jänner 2016 wurde Guzman wieder gefasst und ein Jahr darauf an die USA ausgeliefert.