Die Bilanz der schweren Unwetter ist erschütternd: Seit dem 5. Oktober kamen in Italien 34 Personen bei Erdrutschen, durch Überschwemmungen oder durch Windböen ums Leben, wie die römische Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“ am Montag berichtete. Nach zwölf Todesopfern allein auf Sizilien am Wochenende wurde noch nach einem Vermissten in Corleone nahe Palermo gesucht.
Sizilien bereitete sich zudem auf die Trauerfeier für neun Mitglieder einer Familie vor, die am Samstag in einem überschwemmten Landhaus in Casteldaccia nahe Palermo ums Leben gekommen sind. Die Familie aus Palermo hatte das Wochenende in dem gemieteten Gebäude verbracht. Der daneben liegende Bach namens Milicia trat nach schweren Regenfällen am Samstagabend über die Ufer und flutete das Haus rasch mit Wasser und Schlamm. Am Dienstag ist die Trauerzeremonie in der Kathedrale von Palermo angesetzt.
Abriss 2008 angeordnet
Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft: Das Haus hätte längst abgerissen werden sollen, da es entgegen den Bauvorschriften zu nah an einem Fluss errichtet worden war. Das sagte der Bürgermeister des Ortes, Fabio Spatafora, am Montag. Die behördliche Abrissanordnung von 2008 sei einfach ignoriert worden. Nichtsdestoweniger war das Haus vermietet worden – und die Bewohner wussten von dem Risiko offenbar nichts.
„Warum wurden wir nicht gewarnt?“, fragte der Familienvater, der sich als Einziger aus dem Haus retten konnte, vor Journalisten. Er verlor Medienangaben zufolge seine Frau, zwei Kinder, seine Eltern und Geschwister. Seine Tochter überlebte, weil sie zum Zeitpunkt des Unglücks mit zwei weiteren Angehörigen Süßigkeiten kaufen gegangen war.
Gemeinden mit Geldsorgen
Bürgermeister Spatafora beklagte sich über das weit verbreitete Problem des Bauens ohne Genehmigung. Seine Verwaltung habe wenig Handlungsspielraum, wenn die Besitzer die Aufforderungen zum Abriss ignorierten: „In diesem Fall muss die Stadt das Anwesen kaufen oder es selbst abreißen lassen“, sagte er. „Oft hat sie dafür aber nicht das Geld – so wie Casteldaccia“, zitiert ihn die Nachrichtenagentur AFP.
Unwetter in Italien: Debatte über Bausünden
Auf Sizilien wurde rund die Hälfte der Häuser – oder Teile davon – ohne Genehmigung gebaut, der italienische Durchschnitt liegt bei rund 20 Prozent.
Nach Angaben der italienischen Statistikbehörde ISTAT wird in Italien rund jedes fünfte neue Gebäude ohne Baugenehmigung errichtet, die allermeisten im Süden des Landes. Spitzenreiter ist die Region Kampanien, wo 64 Prozent aller neuen Gebäude illegal errichtet werden. Nach Angaben des Zivilschutzes sind sogar 70 Prozent der italienischen Gemeinden wegen nicht genehmigter Bauten und abgeholzter Wälder von Überschwemmungen bedroht.
Rom will Hilfen freigeben
Tragödien wie die in den vergangenen Tagen müssten ein Ende haben, forderte die Umweltschutzorganisation WWF in Italien. Sie rief die Regierung in Rom auf, die Regionen und Kommunen mit Mitteln auszustatten, um effizient auf extreme Wetterereignisse zu reagieren.
Die Regierung in Rom kündigte Unterstützung für die betroffenen Gebiete an. Das Kabinett will diese Woche 250 Millionen Euro für erste Hilfen freigeben. Eine Milliarde Euro soll im Rahmen des Haushaltsplans zur Vorbeugung von Naturkatastrophen aufgebracht werden, hieß es in Rom.
Neuer Regen prognostiziert
Zur Beurteilung der Unwetterschäden können die italienischen Behörden ab sofort auch Satellitendienste der EU nutzen. Der Copernicus-Dienst für Katastrophen- und Krisenmanagement (EMS) wurde auf Wunsch Italiens aktiviert. Darüber können unter anderem Lagekarten erstellt werden, die ein detailliertes Ausmaß der Schäden zeigen.
Aufatmen kann Italien aber noch nicht: Neue heftige Regenfälle wurden für Sizilien gemeldet. Überschwemmungsgefahr bestand zudem noch in Küstenregionen des Latiums, in Venetien, im Piemont und in der Emilia-Romagna.