Forensiker graben bei einem irakischen Massengrab
AP/Karim Kadim
Irak

Mehr als 200 IS-Massengräber entdeckt

In den früheren Gebieten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak sind nach UNO-Angaben mehr als 200 Massengräber mit den Leichen von bis zu 12.000 Opfern der Extremistengruppe entdeckt worden. Die UNO forderte nun von den Zuständigen im Irak, die Massengräber auszuheben, um für die Verwandten und Freunde der Opfer eine Möglichkeit zum Trauern zu schaffen.

Die UNO-Mission im Irak (UNAMI) rief die irakischen Behörden in dem am Dienstag vorgelegten Bericht auf, die Stätten vollständig auszuheben, um den Familien Gewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen zu ermöglichen.

„Die in unserem Bericht dokumentierten Massengräber zeugen von grauenhaften menschlichen Verlusten, schwerem Leiden und schockierender Grausamkeit“, sagte der UNO-Gesandte für den Irak, Jan Kubis. Für die Angehörigen sei es wichtig für die Trauerarbeit, Gewissheit über die Todesumstände zu haben. Auch könnten die Massengräber zur Aufarbeitung der IS-Verbrechen beitragen.

Zwei Männer tragen einen Bodybag
APA/AFP/Ahmad Al-Rubaye
Die Exhumierung und anschließende Identifizierung der Leichname könnte lange dauern

Bachelet: Pervertierte Ideologie

Die Gräber seien zwischen 2014 und 2017 angelegt worden, als der IS weite Teile des Landes unter seiner Kontrolle hatte. „Die Gräber beinhalten die Überreste all der gnadenlos Getöteten, unter ihnen ethnische und religiöse Minderheiten, die nicht mit der pervertierten Ideologie und der IS-Herrschaft übereinstimmten“, sagte UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet.

Die genaue Untersuchung der Gräber und Opfer müsse Grundlage für die Verfolgung der Täter sein. Wahrheit und Gerechtigkeit erforderten eine Bergung der sterblichen Überreste, deren Identifizierung und die Rückgabe an die Familien, so auch Bachelet.

1.250 Leichen exhumiert

Von den 202 entdeckten Massengräbern wurden laut dem UNO-Bericht erst 28 ausgegraben und mehr als 1.250 Leichen darin exhumiert. Die IS-Miliz hatte 2014 große Gebiete des Irak erobert und Tausende Polizisten, Soldaten und Zivilisten und Zivilistinnen getötet. Nach erbitterten Kämpfen gelang es der irakischen Armee und verbündeten kurdischen und schiitischen Milizen vergangenes Jahr mit internationaler Unterstützung, alle Gebiete zurückzuerobern.

Massaker an Rekruten

Als besonders grauenvolles Verbrechen durch den IS gilt die Massenerschießung von Rekruten. Der IS hatte sich im Juni 2014 nach seinem Vormarsch im Irak damit gebrüstet, nahe der Stadt Tikrit 1.700 Rekruten der Armee erschossen zu haben. Diese waren von der Militärbasis Camp Speicher geflohen und hatten sich den Extremisten ergeben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schätzte die Zahl der Getöteten auf bis zu 770.

IS-Anhänger veröffentlichten im Internet Bilder, die zeigen, wie die aufgereihten Soldaten erschossen werden. Nach der Befreiung Tikrits entdeckten irakische Behörden im April 2015 mindestens 14 Massengräber, in denen Opfer der Erschießungen begraben worden waren.

Das Massaker löste im Irak scharfe Kritik an der Regierung und der Armee aus. Angehörige der Opfer hatten 2014 das Parlament in Bagdad gestürmt und gefordert, die verantwortlichen Offiziere zur Rechenschaft zu ziehen. Einige ranghohe Soldaten sollen vor dem IS geflohen sein und die unbewaffneten Rekruten zurückgelassen haben.