Van der Bellen: „Niemals wieder“ darf keine Floskel werden

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat gestern Abend bei einer Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen im Psychosozialen Zentrum ESRA der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Wien gemahnt, das „oft wiederholte ‚Niemals wieder‘“ dürfe „nicht zur Pflichtübung oder zur Floskel verkommen“. Man müsse die Geschichte als Beispiel sehen, „wohin Sündenbockpolitik, Hetze, Ausgrenzung führen können“, sagte er am Platz des beim Novemberpogrom 1938 zerstörten einstigen Leopoldstädter Tempels.

Zwar wiederhole sich Geschichte niemals gleich, aber es gebe Situationen und politische Diskurse, „die Ähnlichkeiten aufweisen können“. „Seien wir wachsam, sodass es niemals wieder zu Demütigung, Entrechtung und Verfolgung in unserem Land oder in Europa kommen kann“, so der Präsident. Auch rief er dazu auf, sich des hohen Wertes von Grund- und Freiheitsrechten und von Menschenrechten bewusst zu sein. Diese gelte es – wie auch die liberale Demokratie und Pressefreiheit –, „täglich aufs Neue zu verteidigen“.

Van der Bellen würdigte Zeitzeugen

Van der Bellen erinnerte an die Ereignisse vor 80 Jahren, an die Zerstörungen von Synagogen und Bethäusern, Wohnungen und Geschäften. Noch mehr gehe es aber darum, jener Menschen zu gedenken, „die gedemütigt, gequält, vertrieben oder ermordet wurden“. Besonders würdigte der Bundespräsident die bei der Gedenkveranstaltung anwesenden Zeitzeugen, denen er dafür dankte, dass sie ihre persönlichen Erinnerungen an die Verbrechen der Nationalsozialisten teilen. Das ermögliche es, Eindrücke davon zu vermitteln, was es bedeute, einer menschenverachtenden Ideologie, einer hasserfüllten Masse ausgesetzt zu sein.

Unrecht könne nicht ungeschehen gemacht werden, sagte der Präsident. Österreich könne aber jene Menschen, die der Verfolgung ausgesetzt waren, bestmöglich unterstützen. Besonders wichtig sei auch das öffentliche Anerkennen des Leids der Betroffenen, so Van der Bellen, der auch dem Team des Psychosozialen Zentrums dafür dankte, dass sie sich der NS-Überlebenden und auch anderer traumatisierter Menschen annehmen.