Ein Smartphone über einer Bowl
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„Nanoinfluencer“

Der Aufstieg der Mini-Instagrammer

Die Werbebranche setzt nach den ganz großen Internetpromis verstärkt auf „Nanoinfluencer“. Die zählen zwar nur wenige tausend Fans auf Instagram und Co., sollen aber wesentlich näher am Kunden sein und sind dabei auch noch deutlich billiger. Viele darunter lassen sich für Werbung mit Gratisprodukten oder Eventeinladungen abspeisen.

„Influencer“, das sind nicht mehr bloß die jungen, hübschen Menschen, die mit ihren Fotos und Videos Millionen Leute auf Sozialen Netzwerken erreichen und bei Teenagern wie Millennials Vorbildwirkung haben. Mittlerweile hat sich der Begriff – gerade auch in der Werbebranche – in mehrere Unterkategorien geteilt.

So werden die ganz großen Internetstars, die mehr als eine Million Follower zählen, „Makroinfluencer“ genannt. Jene mit mehreren zehntausend bis hin zu mehreren hunderttausend Fans fallen unter die Kategorie „Mikroinfluencer“. Als „Nanoinfluencer“ gilt eine Person, die zwischen 1.000 und 8.000 Anhänger zählt und bereit ist, Produkte für Firmen zu bewerben – beliebt sind diese auch bei Agenturen hierzulande.

Vom Hobby zum Beruf

Eine, die unter die Kategorie der Nanoinfluencer fällt, ist Mara Hohla. Hohla betreibt mittlerweile seit vier Jahren das Blog „Stadtmärchen“, wo sie sich dem Thema Kochen widmet. Auf Instagram folgen ihr über 4.000 Menschen – 18.000 Menschen greifen monatlich zudem auf ihr Blog zu, auf dem Rezepte für Bananenbrotmuffins oder Gemüselaibchen zu finden sind.

Mittlerweile ist Hohla selbstständig und arbeitet neben dem Blog auch freiberuflich für große Unternehmen. „Nanoinfluencer sind näher an der Community dran, das mögen große Marken“, erklärt sie den Trend im Gespräch mit ORF.at. „Leute sehen uns jeden Tag vor dem Aufstehen, untertags und beim zu Bett gehen. Dadurch entsteht der Eindruck von einem persönlichen Bezug – ähnlich wie bei einer Freundschaft“, sagt der Modeblogger Marcel Wegscheider, der die 8.000er-Marke auf Instagram bereits überschritten hat.

Werbebranche hofft auf persönliche Bindung

Eben diese persönliche Bindung zu den Abonnenten ist der Grund, warum die Werbebranche verstärkt auf Social-Media-Persönlichkeiten mit kleinem Following setzen – so auch die Wiener Influencer-Marketing-Agentur So So Social. „Die nehmen sich noch die Zeit, jede Anfrage und jeden Kommentar zu beantworten und auf jede Anregung einzugehen“, sagt Alina Heiner von So So Social. Eine Zusammenarbeit mit „Nanos“ ist besonders für lokale Unternehmen sinnvoll, so Heiner zu ORF.at.

Als Beispiel nennt sie einen Friseur aus dem ersten Wiener Bezirk, der seinen Salon mittels Sozialer Netzwerke bewerben möchte. „Wenn jemand 150.000 Follower hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die aus ganz Österreich, Deutschland oder Amerika kommen“, so Heiner. Bei kleineren seien die Streuverluste hingegen viel geringer.

Weniger Follower, mehr Interaktion

Wesentlich sei Heiner zufolge auch, dass Personen mit einem kleineren Following mehr Interaktionen in der Form von Likes, Shares und Kommentaren generieren als solche mit einem großen. Wenn Marken ihr Budget also in eine Vielzahl an „Nanos“ investieren, dann erreichen sie so scheinbar mehr Menschen, als mit einem einzigen teuren Internetpromi.

Eine Studie von Markerly, die Daten von zwei Millionen Influencern untersuchte, belegt das: Demnach liegt die Menge der Likes bei jemandem mit 1.000 bis 10.000 Followern bei vier Prozent – während sie bei jemanden ab hunderttausend Fans auf 1,7 Prozent sinkt. In Anspielung auf diese Studie rät das Fachportal OnlineMarketing.de in einem Artikel zum Einsatz von „Nanos“: „Das Ziel sollte nun also sein, nicht-bezahlte Unternehmenswerbung effektiv auf einer Vielzahl von Instagram-Accounts oder Facebook-Profilen zu platzieren.“

Das Geschäft mit unbezahlter Werbung

Die Vergütung für ein Posting erklärt So So Social damit, dass ein Blogger in der Regel 100 Euro pro 10.000 Follower verlangt. Viele „Nanos“ würden sich aber auch einfach mit Produkten oder Eventeinladungen zufriedengeben, sagt Heiner.

Auch Isabella H., die auf ihrem Instagram-Profil „Viennacitygirl.com“ Fotos von Reisen, Restaurants und Kosmetikprodukten postet, arbeitete bereits mit großen Kosmetikfirmen zusammen – und das, obwohl der Angestellten eines Transport- und Logistikunternehmens dort derzeit erst rund 2.500 Menschen folgen.

Im Zuge der Zusammenarbeit mit einem Unternehmen bekommt H. Werbegeschenke zugeschickt, die sie auf ihrem Instagram-Account zeigen soll. Oft gebe es Vorgaben der Firmen, wie das Produkt am besten in Szene gesetzt werden soll. „Was ich jedoch schreibe, das bleibt mir überlassen.“ Bezahlt wurde H. laut eigenen Angaben für Kooperationen bisher nicht.

Hohla: „Die machen einem den Markt kaputt“

Gerade die Tatsache, dass viele ihrer Influencer-Kollegen sich mit ein paar Werbegeschenken zufriedengeben, sieht Hohla problematisch. „Die machen einem den Markt kaputt“, so Hohla. „Wie argumentiere ich, dass Influencerin A diese Kampagne für Produkte im Wert von 50 Euro gemacht hat und ich aber 500 Euro für meinen Content verlange? Da sagt dir jede Firma, ‚Sei mir nicht böse, aber da habe ich es gratis bekommen, warum soll ich dir Geld zahlen?‘“ Hohla hat hingegen eine eigene Preisliste, die sie Unternehmen vorlegt. Der Grad der Professionalisierung nimmt nach ORF.at-Recherchen selbst bei den zahlenmäßig kleinsten Influencern zu.

Paragraf 26 MedienG

Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge und Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, müssen in periodischen Medien als „Anzeige“, „entgeltliche Einschaltung“ oder „Werbung“ gekennzeichnet sein, es sei denn, dass Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können.

Doch auch für Follower – also die Empfänger der Werbung – birgt das Influencer-Marketing eine Reihe an Stolpersteinen und Grauzonen. Denn oftmals ist es für Abonnenten schwer zwischen redaktionellen Inhalten, Werbung oder auch Produktplatzierungen zu unterscheiden. Im Sinne des § 26 MedienG sind Influencerinnen und Influencer dazu verpflichtet, bezahlte Werbeinhalte auf ihren Kanälen als solche zu kennzeichnen. Influencer wie H., Wegscheider und Hohla versuchen das mitunter mittels Hashtags wie „#Werbung“, „#Anzeige“ oder „#Advertisement“.

AK: „Haben wenig Überblick“

Trotz der gesetzlichen Bestimmungen zur Kennzeichnungspflicht von Werbung wird diese über weite Strecken vernachlässigt. „Über das Segment der Influencer haben wir leider wenig Überblick“, sagt Daniela Zimmer von der AK Wien auf Anfrage von ORF.at. Darüber hinaus gebe es Abgrenzungsschwierigkeiten, was zu kennzeichnen ist und was wiederum nicht, so Zimmer – Kinder seien für mangelhaft gekennzeichnete Werbung besonders empfänglich.

Zimmer verweist auf eine Studie der für den Influencer-Bereich zuständigen Aufsichtsbehörde KommAustria. Untersucht wurden im Vorjahr ob der Menge an Angeboten nur die 100 reichweitenstärksten YouTube-Kanäle. Ergeben hatte diese, dass 54 der 100 meistgesehenen Videos eindeutig Produktplatzierungen enthielten, wobei nur bei neun Videos eine Kennzeichnung stattgefunden habe. In Deutschland wurden von Oktober 2017 bis Mai 2018 Influencerinnen und Influencer insgesamt 16-mal von der deutschen Wettbewerbszentrale abgemahnt.

„Die Follower sind nicht dumm und erkennen ganz genau, wenn ihnen ein Blödsinn aufgeschwatzt wird. Genauso wie sie wissen, dass viel auf Instagram und anderen Social-Media-Plattformen inszeniert ist“, meint Wegscheider, der sich kurz nach der Matura dazu entschloss, hauptberuflich Blogger sein zu wollen.