Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman
AP/Ariel Schalit
„Kapitulation vor Terror“

Israels Verteidigungsminister tritt zurück

Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat überraschend seinen Rücktritt erklärt. Der 60-jährige Vorsitzende der ultranationalistischen Partei Israel Beitenu reagierte damit auf Israels Zustimmung zu einer Waffenruhe mit der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas. Das sei eine „Kapitulation vor dem Terror“, sagte er am Mittwoch vor Medien.

Die Hamas feierte Liebermans Rücktritt. In einer Stellungnahme sprach die Organisation am Mittwoch von einem „Sieg“. Lieberman rief die anderen Fraktionen in der Regierung dazu auf, möglichst rasch Neuwahlen abzuhalten. Regulär steht die nächsten Wahl erst in einem Jahr an. Ein Vertreter von Ministerpräsident Benjamin Netanjahus Likud-Partei lehnte das jedoch ab.

Es gebe „keine Verpflichtung zu Wahlen in dieser für die Sicherheit sensiblen Zeit“, sagte der Regierungsvertreter. Seinen Angaben zufolge übernimmt Netanjahu vorübergehend die Amtsgeschäfte des Verteidigungsministers. Seit 2015 hat er bereits das Amt des Außenministers inne.

„Unsere Feinde haben um Waffenruhe gebettelt“

Die von Lieberman kritisierte Waffenruhe hatten die militanten Palästinenserorganisationen im Gazastreifen zuerst nach schwerem gegenseitigen Beschuss am Dienstagabend einseitig verkündet. Nach israelischen Medienberichten wies die Regierung nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts die Armee an, sich ebenfalls an die Waffenruhe zu halten. „Unsere Feinde haben um eine Waffenruhe gebettelt“, kommentierte Netanjahu die Feuerpause am Mittwoch.

Zerstörtes Gebäude im Gazastreifen
APA/AFP/Mahmud Hams
Das Gebäude des Hamas-Senders al-Aksa TV wurde letzte Woche bei einem israelischen Luftangriff zerstört

Indes gab es Berichte von Seiten der Palästinenser, Israel hätte sich nicht die Abmachung gehalten. Ein Palästinenser sei durch israelische Schüsse getötet worden. Das teilten das Gesundheitsministerium im Gazastreifen und Sicherheitskreise mit. Die Umstände waren zunächst unklar. Bei dem Toten handele es sich um einen 20-jährigen Mann, der nahe des Grenzzauns geangelt habe. Ein israelischer Armeesprecher erklärte, der Vorfall werde geprüft.

Zuvor hatten die Hamas und weitere bewaffnete Gruppen mehr als 400 Raketen und Mörsergranaten über die Grenze des Gazastreifens auf Israel abgeschossen. Es waren die heftigsten Angriffe militanter Palästinenser auf Israel seit 2014. Bei israelischen Luftangriffen kamen seit Montag sieben Palästinenser ums Leben, darunter mindestens fünf Kämpfer.

Lieberman kritisiert Regierung als zu „lasch“

Lieberman kritisierte die Linie der Regierung in der Palästinenserfrage als zu „lasch“. Zu der Waffenruhe im Gazastreifen sagte er: „Wir kaufen uns Ruhe für eine kurze Zeit und schaden dabei der nationalen Sicherheit.“ Der israelische Wähler müsse nun entscheiden, „was die richtige Linie ist“. Die stellvertretende israelische Außenministerin Zipi Hotoveli sagte zu Liebermans Rücktritt: „Niemand ist traurig, dass er zurückgetreten ist. Die am weitesten rechts stehende Regierung kann auch ohne ihn funktionieren.“

Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman
AP/Ariel Schalit
Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz gab Lieberman seinen Rücktritt bekannt

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Dienstag ein Ende des Raketenbeschusses gegen Israel gefordert und sich der Sicherheit Israels verpflichtet erklärt: „Raketenangriffe gegen Israel & seine Zivilbevölkerung sind sicher nicht der Weg, um auch nur eines der Probleme Gazas zu lösen & sie müssen umgehend aufhören“, twitterte er. „Es ist von höchster Bedeutung, dass Zivilisten geschützt werden und die Gewalt umgehend gestoppt wird.“ Österreich „ist der Sicherheit Israels voll verpflichtet“.

Lieberman-Fraktion verlässt israelische Koalition

Liebermans Rückzug tritt 48 Stunden nach der Ankündigung in Kraft. Seine Partei werde aus der Regierung Netanjahus austreten, sagte er. Israel Beitenu verfügt über fünf Mandate im Parlament. Ohne sie hätte Netanjahus rechts-religiöse Regierung immer noch eine knappe Mehrheit von 61 der 120 Sitze. Lieberman hatte das Amt des Verteidigungsministers seit Mai 2016 inne. Der Ex-Außenminister hatte in der Vergangenheit immer wieder mit umstrittenen Äußerungen antiarabische Ressentiments geschürt.