Kartonagen mit einem aufgedruckten Smiley, der an das Amazon-Logo angelehnt ist
APA/AFP/Getty Images/Drew Angerer
New York

Aufruhr gegen Amazon

Amazon sorgt für Aufregung in New York. Im Stadtteil Queens soll eines der zwei geplanten neuen Hauptquartiere des Onlinehandels- und Tech-Riesens entstehen. Die Anrainerinnen und Anrainer des ausgewählten Viertels befürchten steigende Mieten und eine Veränderung des Viertels bis hin zur Unkenntlichkeit. Und auch Politikerinnen und Politiker machen nun gegen den Standort mobil. In Europa könnten indes Streiks Amazon zusetzen.

Unterdessen bekommt die Front gegen Amazon in New York immer mehr Zulauf von Politikerinnen und Politikern. „Ich bin total wütend“, sagte etwa Jimmy Van Bramer, der für die Demokraten im New Yorker Stadtrat sitzt. „Wir im Stadtrat werden uns jedes Detail anschauen und sehen, wie wir uns in diese Entscheidung einmischen können, von der wir vorsätzlich ausgeschlossen wurden.“ Auch der Senator für den Staat New York, Michael Gianaris, kritisierte einen „Geheimvertrag“ zu Gunsten von Amazon. Er rief zum Boykott des Onlineriesen auf.

Die New Yorker Senatorin Kirsten Gillibrand äußerte auf Twitter ihre Befürchtungen. „Einer der vermögendsten Konzerne in der Geschichte sollte keine finanziellen Anreize und Hilfestellungen von Steuerzahlern bekommen, während zu viele New Yorker Familien Mühe haben, über die Runden zu kommen“, so Gillibrand.

Ocasio-Cortez: Entrüstung und Empörung

Ron Kim, demokratischer Politiker mit Sitz im Unterhaus von New York, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Es sei besser, mit Steuergeldern Studentenkredite zurückzuzahlen, als Amazon zu unterstützen, so Kim. Sie habe den ganzen Tag Anrufe von besorgten Leuten aus Queens bekommen, twitterte die demokratische Nachwuchshoffnung in New York, Alexandria Ocasio-Cortez. Die Community sei empört und entrüstet, so Ocasio-Cortez.

De Blasio: Erfreut mit Hintergedanken

Der Gegenwind aus Queens bläst auch New Yorks demokratischem Bürgermeister Bill de Blasio entgegen, denn er begrüßte den Plan von Amazon. Doch auch de Blasio ist laut der Onlineplattform Businessinsider gespalten. Öffentlich erklärte er seinen Boykott von Amazon und sagte, dass er noch nie bei dem Onlineriesen bestellt habe. Als jedoch Amazon seine Entscheidung für Queens mitteilte, äußerte er sich positiv – nicht ohne weiteren Hintergedanken. Denn nun könnte er seinem Herzensprojekt, einer Straßenbahn zwischen Queens und Brooklyn, mit der Ansiedlung von Amazon ein Stück näher gekommen sein.

Demonstranten in New York
AP/Bebeto Matthews
Die Anrainer sind gegen „Steuerzuckerln“ für Amazon und wollen die öffentlichen Gelder in Infrastruktur investiert sehen

Demonstranten stößt Subvention sauer auf

Hundert Anrainerinnen und Anrainer demonstrierten bereits am Mittwoch gegen den geplanten neuen Amazon-Firmensitz. Amazon zahle keine Steuern, bekomme aber Subventionen in Milliardenhöhe, hieß es auf einem Plakat. Für die Bewohner werde dagegen kein Geld investiert, „die Züge funktionieren immer noch nicht“. Auch viele Lokalpolitiker nahmen an der Demonstration teil.

Der demokratische Stadtrat Jimmy Van Bramer gemeinsam mit Demonstranten in Queens, New York
AP/Bebeto Matthews
Auch Politiker und Politikerinnen haben sich auf die Seite der Anrainer gestellt

Vorbehalte gibt es neben den „Steuerzuckerln“ auch hinsichtlich der Stadtveränderungen, die oftmals mit der Ankunft großer Konzerne einhergehen. So kann der Zuzug hochbezahlter Tech-Arbeitskräfte die Mieten und Lebenshaltungskosten für die restliche Bevölkerung kräftig in die Höhe treiben.

Dieses Phänomen ist zum Beispiel in der kalifornischen Bay Area mit der Metropole San Francisco nahe der IT-Hochburg Silicon Valley zu beobachten, aber auch an Amazons bisher einzigem Hauptsitz in Seattle und in etlichen anderen Regionen – nicht nur in den USA. Der Zuzug kann auch zu einer Überforderung und Überdehnung der Infrastruktur, etwa beim Verkehr, führen.

Erfolgreicher Protest gegen IT-Konzern

Dass Proteste auch das Ende eines Projekts sein können, musste zuletzt Google lernen. Der geplante Google-Campus im Berliner Stadtteil Kreuzberg wurde abgesagt, stattdessen wird daraus ein Haus für soziale Projekte. Kritikerinnen und Kritiker hatten gegen den Google-Campus protestiert, weil er nach ihrer Ansicht die Gegend verändert und teurer gemacht hätte.

Demonstranten blockieren einen Google-Bus
Reuters/Robert Galbraith
Die Blockade des Google-Buses in San Francisco 2014

Google will nun nach eigenen Angaben rund 14 Millionen Euro in Umbau, Ausstattung und Miete für das Haus stecken. In San Francisco wurde 2014 die Blockade des Google-Buses zum Symbol in der Stadt für den Widerstand gegen die IT-Konzerne.

Amazon hofft auf 1,5 Mrd. Zuschüsse in New York

Bei Amazon geht man indes davon aus, die beiden neuen geplanten Standorte tatsächlich auch eröffnen zu können. Amazon hatte am Dienstag verkündet, zwei weitere Hauptsitze in New York und im Washingtoner Vorort Arlington in Virginia einzurichten, wo künftig jeweils 25.000 Menschen arbeiten sollen. Offiziellen Angaben zufolge betragen die Subventionen für Amazon für die Ansiedlung – Zuschüsse, Steuererleichterungen und Investitionen in den Standort – fast drei Mrd. Dollar (2,7 Mrd. Euro), allein die Ansiedlung in New York soll mit mehr als 1,5 Mrd. Dollar an Zuschüssen für den Konzern äußerst lukrativ werden.

Auch in Arlington fürchten viele Bewohner und Bewohnerinnen Verkehrschaos und stark steigende Mieten durch die Ansiedlung von Amazon. Fachleute sind skeptisch und halten die Investitionen und Arbeitsplätze durch Steuergelder für die Kommunen teuer erkauft, zudem erfüllen sich die Versprechen nicht immer.

Warum es zwei Standorte wurden

Amazon hatte vor mehr als einem Jahr angekündigt, neben seinem ersten Firmensitz in Seattle ein weiteres Hauptquartier eröffnen zu wollen, schließlich wurden es dann zwei Standorte. Als Grund für diese Aufteilung gilt vor allem das Problem, ausreichend qualifiziertes Tech-Personal zu finden.

Zudem gebe es Bedenken, dass die geplante Expansion, die mit starkem Zuzug von Arbeitskräften verbunden sein dürfte, einen einzelnen Standort und dessen Infrastruktur überfordern könnte, sieht auch der Konzern selbst die Probleme.

238 Bewerbungen eingegangen

Amazon hatte die Suche öffentlichkeitswirksam betrieben und damit für viel Aufsehen gesorgt. Bei dem US-Internetkonzern, der zuletzt insgesamt rund 613.300 Angestellte beschäftigte, gingen ursprünglich 238 Bewerbungen ein. Einige Kandidaten legten sich besonders ins Zeug – aus Tucson in Arizona etwa erhielt Amazon-Chef Jeff Bezos einen riesigen Kaktus, New York ließ das Empire State Building in „Amazon-Orange“ erstrahlen.

Während der New Yorker Stadtteil Amazon Zugang zu den vielen Tech-Profis in der Ostküstenmetropole verschafft, gilt Arlington wegen seiner Nähe zum Sitz der US-Regierung in Washington DC als attraktiv für den Konzern. Bezos ist privat Eigentümer der traditionsreichen „Washington Post“ – und die Berichterstattung der Zeitung handelte ihm immer wieder Attacken von US-Präsident Donald Trump ein, der auch gleich gegen Amazon wetterte.

Wertvolle Standortdaten gratis bekommen

Die vielen Bewerbungen gewährten Amazon zudem Einblicke in die Standortbedingungen zahlreicher Städte Nordamerikas. Dabei handelt es sich mitunter um wertvolle Daten, die Amazon möglicherweise gut für sich zu nutzen weiß. In den USA wurde deshalb bereits spekuliert, dass Bezos mehr versprochen hat, als er zu liefern bereit war, um an diskrete Details zu kommen, die beispielsweise beim weiteren Ausbau von Amazons Lieferinfrastruktur zu gebrauchen sein könnten.

Streikankündigungen in Spanien

Unterdessen kommen erneut Streiks auf den Konzern zu. Auch in Spanien soll es zu Protesten von Amazon-Beschäftigten gegen ihre Arbeitsbedingungen und für höhere Löhne kommen. Die Gewerkschaft CCOO kündigte am Mittwoch Streiks an insgesamt acht Tagen am größten Logistikstandort von Amazon in Spanien, in San Fernando de Henares in der Nähe von Madrid, an. 1.800 Beschäftigte dort seien aufgerufen, die Arbeit niederzulegen.

Die Amazon-Beschäftigten sollen an Tagen streiken, an denen besonders viel zu tun ist, wie CCOO-Vertreterin Ana Berceruelo AFP sagte. Sie nannte den 23. und 24. November – am 23. November ist der „Black Friday“, an dem Amazon mit Aktionen und Rabatten zum Kaufen animiert. Folgen sollen der 7., 9., 15. und 30. Dezember sowie der 3. und 4. Jänner. Auch am „Prime Day“ von Amazon im Juli hatten Beschäftigte die Arbeit niedergelegt. Berceruelo sagte, dass sich 1.200 Mitarbeiter beteiligt hätten.