Arzt desinfiziert Hand
Reuters/Fabrizio Bensch
Gefährliche Keime

8,9 Millionen Infektionen pro Jahr im Spital

Rund 8,9 Millionen Menschen infizieren sich in europäischen Krankenhäusern und Pflegeheimen pro Jahr mit gefährlichen Keimen. Das gab das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) am Donnerstag in Brüssel bekannt. Die Rede ist von einem ernsten Problem, bei dem nicht zuletzt die Resistenz einiger Bakterien gegen herkömmliche Antibiotika eine tragende Rolle spielt.

Anlass der nun bekanntgegebenen Zahlen war ECDC-Angaben zufolge auch der anstehende jährliche Europäische Antibiotika-Aufklärungstag am 18. November. Hinter den nun veröffentlichten Zahlen stehen zwei Studien über gesundheitsbezogene Infektionen und den antimikrobiellen Einsatz in Krankenhäusern und Langzeitpflegeeinrichtungen in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

Vielfach gut behandelbar, aber auch ernste Folgen

Ungeachtet der von Land zu Land sich unterscheidenden Praktiken gehe aus den Ergebnissen deutlich hervor, dass insgesamt weiterhin Verbesserungsbedarf bestehe, wie das ECDC per Aussendung mitteilte. Außer Frage stellt die EU-Behörde dabei, dass „die übermäßige Verwendung von antimikrobiellen Mitteln – meist Antibiotika“ – hinter der Ausbreitung von multiresistenten Baktierien stehe.

Vielfach seien „therapieassoziierte Infektionen“ zwar gut behandelbar, diese würden allein in Kliniken aber auch mehr Todesfälle in Europa verursachen als jede andere Infektionskrankheit, die vom ECDC überwacht wird, teilte die EU-Agentur weiter mit. In diesem Zusammenhang hat erst Anfang des Monats eine Studie für Aufsehen gesorgt, wonach jährlich 33.000 Menschen in der EU und im EWR sterben, weil es gegen resistente Bakterien keine oder nicht genug wirksame Antibiotika gibt.

Verstärkte internationale Kooperation

Laut ECDC würden derzeit auch in Kliniken und Heimen immer noch unnötig oft Antibiotika und andere antimikrobielle Arzneien angewandt, was zur Ausbreitung von Resistenzen beitragen könne. Jeden Tag bekomme in europäischen Krankenhäusern im Schnitt einer von drei Patienten eine dieser Arzneien, in Pflegeheimen einer von 20. Ein Teil der Patienten werde nur zur Vorbeugung mit Antibiotika behandelt – in Heimen waren es drei von zehn der Bewohner, die solche Medikamente verabreicht bekamen.

Auch OECD schlägt Alarm

Einen verstärkten Kampf gegen Killerkeime, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft, forderte zuletzt auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Wenn nicht mehr unternommen werde, könnten zwischen 2015 und 2050 rund 2,4 Millionen Menschen in Europa, Nordamerika und Australien durch multiresistente Erreger sterben, heißt es dazu in einer Anfang November veröffentlichten OECD-Studie.

Drei Viertel aller Todesfälle, die auf Infektionen mit multiresistenten Erregern zurückgehen, könnten jedoch verhindert werden, schreiben die Studienautoren. Hilfreich sei neben der strikten Einhaltung der Hygienevorgaben dabei auch eine sorgfältigere Verschreibung von Antibiotika.

„Volkswirtschaftliche Herausforderung“

Antibiotikaresistente Infektionen sind auf dem Vormarsch und gefährden die öffentliche Gesundheit, sagte dazu bereits vor Jahren der frühere ECDC-Direktor Marc Sprenger. Ein umsichtigerer Umgang mit Antibiotika, um die weitere Ausbreitung und Entwicklung antiobiotikaresistenter Bakterien zu stoppen, wird von der ECDC nach wie vor gefordert. Notwendig sei, den Antibiotikaeinsatz strikt auf das Nötige zu begrenzen.

Selbst vom Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs wurde der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen zuletzt als volkswirtschaftliche Herausforderung bezeichnet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe „schon 1998 auf diese Gefahr hingewiesen und 2015 einen globalen Aktionsplan beschlossen, dem viele nationale gefolgt sind“, hieß es dazu in einer Aussendung.

Geht es nach Verbandspräsident Martin Munte sei die Erforschung neuer Antibiotika allerdings „extrem aufwendig und risikoreich“. Im Rahmen der Initiative Arznei & Vernunft (A&V) will man gleichzeitig heimische Ärzte und Apothker sensibilisieren. Laut Alexander Biach vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sei „die Gesamtmenge an verbrauchten Antibiotika pro Einwohner im europäischen Vergleich sehr niedrig“ – entsprechend niedrig seien auch die Resistenzraten. Überdurchschnittlich häufig werde in Österreich aber im Winter Antibiotika verschrieben.

Vorbeugung als „wirkungsvollste Waffe“

Geht es nach dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Thomas Szekeres, müsse es unterdessen vor allem darum gehen, dass Infektionen erst gar nicht ausbrechen. Aus diesem Grund betrachtet Szekeres auch Vorbeugung als „eine der wirkungsvollsten Waffen gegen Antiinfektiva-Resistenzen“.

Mit Prävention könne das von Krankenhauskeimen ausgehende Risiko drastisch gesenkt werden, heißt auch in einer am Mittwoch in Wien vorgestellten Studie zu postoperativen Wundinfektionen. Handlungsbedarf erscheint jedenfalls auch in Österreich gegeben: Schätzungen zufolge sterben in Österreich jährlich 4.500 Menschen an Infektionen mit Krankenhauskeimen – also zehnmal mehr als im Straßenverkehr.