US-Modell Kendall Jenner auf der Tribüne von Paris Saint-Germain
APA/AFP/Thomas Samson
Hotspot Paris

Was US-Stars mit Fußball zu tun haben

„Heute ist der Tag, an dem sich Fußball und Stil für immer verändern werden.“ Große Worte, mit der der französische Club Paris Saint-Germain (PSG) zuletzt einen bereits bestehenden Deal mit der Modemarke Nike neu inszenierte. Zwar ist Vollmundigkeit für das Fußballgeschäft nicht untypisch, doch sind die Dimensionen beim PSG auffällig. Im Schnellverfahren wollen sich die Pariser zur Weltmarke trimmen – die Elemente: Mode, Laufsteg, Celebritys, It-Girls.

Sportlich war der erst 1970 gegründete Club PSG lange Jahre nie die ganz große Nummer – ein paar internationale Erfolge Mitte der 1990er Jahre ausgenommen. Seine über die Zeit aufgehäuften Schulden wurde der Club erst mit dem Einstieg der katarischen Investorengruppe Qatar Sports Investments (QSI) los. Mit Übernahmen dieser Art ist PSG längst nicht mehr allein – Investoren aus aller Welt haben sich längst strategische Hotspots wie Manchester und Mailand herausgepickt.

Doch Paris hat Aufholbedarf – schließlich verfügt die französische Liga im Gegensatz zu jenen in England, Spanien und Italien über weit weniger Strahlkraft in die großen Märkte. Doch PSG, so glauben die Vereinsstrategen, hat vieles, was andere nicht haben können. Ein Gedanke, der erstmals mit der Änderung des Clubemblems im Jahr 2013 augenscheinlich wurde. „Paris“ war fortan neben dem stilisierten roten Eiffelturm das prägnante Element.

Von Rihanna bis DiCaprio

Doch das war nur ein erster Vorbote für die Strategie, die derzeit alles der rasanten Steigerung des Markenwerts unterordnen soll. Der Club als schicker Hotspot an einem Ort, an dem man sich gerne zeigt. Entsprechend waren die VIP-Boxen des Prinzenpark-Stadions zuletzt Anziehungspunkt für viele Celebritys: Naomi Campbell, Leonardo DiCaprio, Rihanna, die Kardashians, Kendall Jenner, Gigi Hadid, Rihanna, Beyonce und Jay-Z, Michael Jordan und viele mehr.

Ehemalige Fußballerin Laure Boulleau posiert vor einer PSG-Kollektion
Reuters/Stephane Mahe
Ex-PSG-Fußballerin Laure Boulleau neben einer Jacke des indischen Designers Manish Arora – sie trägt das Konterfei von PSG-Stürmer Cavani. Es ist nur ein Stück einer großen PSG-Kollektion.

Jordans Besuch hatte mit dem Start des Nike-Modelabels Jordan Brand zu tun. Die Trikots ziert der „Jumpman“, die zur Marke gewordene Silhouette der typischen Sprunghaltung des Ex-Basketballstars. Doch damit nicht genug: PSG ging bewusst einen Schritt weiter als andere große Fußballclubs. In Spielen der Champions League – dem derzeit noch größten internationalen Turnierformat im Clubfußball – wird gar der Eiffelturm im Clubemblem durch den springenden Jordan ersetzt.

„Passt zu Style, Mode, Glamour“

Neben dem Trikot gibt es eine breite Kollektion der Jordan-Linie. „Wir gehen dorthin, wo andere Clubs nicht hingehen“, so der Leiter des Merchandisings, Fabien Allegre, gegenüber der „New York Times“ („NYT“). Tatsächlich bewegt sich der Verein dorthin, wo es manchen traditionsbedachten Fan schmerzt, holt Interessierte aus Asien und den USA aber wieder genau dort ab, wo sie ihren auf Marken fokussierten Lifestyle sehen. Doch nur die Jordan-Linie allein ist den PSG-Kreativen zu wenig.

2017 wurde der Club auf der Pariser Fashion Week promotet – das französische Modehaus Koche nahm die Trikots als Grundlage für Kreationen mit Kristallen, Musselin und Seide. „Paris passt zu Style, Mode, Glamour – und PSG trägt den Eiffelturm im Logo. Mit diesen Konzepten zu spielen macht für die Marke (Paris Saint-Germain, Anm.) absolut Sinn“, erklärte die Designerin Christelle Kocher anlässlich der Fashion Week.

Schrilles für den asiatischen Markt

Auch der indische Designer Manish Arora arbeitete an einer Linie, die auf die Konterfeis der PSG-Stars Kylian Mbappe, Thiago Silva und Edinson Cavani als Stilmittel zurückgriff. Für den europäischen Markt sind die schrillen T-Shirts, Jacken und Kleider nicht gedacht, insbesondere der Absatz in China und Indien steht im Fokus. Clubintern arbeitet ein vierköpfiges Team daran, die Marke PSG in Bereiche zu bringen, die dem üblichen Markengeschäft im Fußball nicht nahestehen.

PSG-Kollektion in einem Store in Tokio
Valentin Simettinger
Die Koche-Kollektion in einem PSG-Fanshop in Tokio

Insgesamt arbeitet PSG derzeit mit mehr als einem Dutzend Designern zusammen. „Das richtet sich an Fans aus den USA, die den Fußballclub PSG vielleicht nicht kennen, aber unserem Lifestyle anhängen“, so PSG-Merchandising-Direktor Allegre.

Stars tragen PSG in die Welt

Profitabel wird es dann, wenn speziell US-Stars die Stücke tragen – und das geschieht auch: Justin Timberlake bestritt das Paris-Konzert letzten Sommer in einer Jacke mit dem damals noch unreleasten „Jumpman“-Logo, NBA-Star LeBron James tauchte im PSG-Shirt bei einem Spiel der L. A. Lakers auf. Dazu kommt der eine oder andere inszenierte Leiberltausch von PSG-Stars wie Neymar mit LeBron James. Letzterer gilt als das Testimonial für Nike schlechthin – mit ihm soll Nike erstmals in der Firmengeschichte einen lebenslangen Werbevertrag abgeschlossen haben.

Naheverhältnis zu Modeschöpfern

Bei aller berechtigten Kritik allen voran aus Fankreisen ist einzuräumen, dass der PSG seit jeher ein Naheverhältnis zu Modeschöpfern pflegte: In den 1970er Jahren – also unmittelbar nach der Schaffung von PSG – stieg Daniel Hechter als Mäzen bei dem neuen Verein ein. Vier Jahre lang war er sogar Präsident. Und er entwarf das lange Jahre für PSG charakteristische blaue Trikot mit dem rot-weißen Vertikalstreifen. Entsprechend laut war heuer der Aufschrei, als die neuen Macher das traditionelle Gewand adaptierten.

Neue Sphären

Doch die Mächtigen bei PSG, der Investmentarm des Staates Katar, wollen auch sportlich in neue Sphären vordringen: Denn die zuletzt über Whistleblower bekanntgewordenen Pläne einer von der Europäischen Fußball-Union (UEFA) losgelösten Eliteliga („Super League“) schließen den finanzkräftigen PSG mit ein. Offiziell werden die brisanten Pläne dementiert, schließlich wäre wohl ein Ausstieg aus dem nationalen sowie auch dem derzeitigen internationalen Turniersystem eine damit verbundene, schwerwiegende Folge.

Shirt in einem PSG-Store in Tokio
Valentin Simettinger
Die Abwandlung des Clubslogans „Ici c’est Paris“ soll den Nerv von Japanerinnen und Japanern treffen

Geheime Absprachen

Doch scheint PSG bestens mit der UEFA zu kooperieren. Erst im Herbst hatten Medien, die zusammen an der Recherche zu Unregelmäßigkeiten im internationalen Fußballgeschäft (als Football Leaks bekannt) arbeiten, brisante Details veröffentlicht: Berichtet wurde über geheime Absprachen mit PSG im Zuge der Ermittlungen wegen Verstößen gegen das „Financial Fairplay“ (FFP). Das Reglement dient vereinfacht gesagt dazu, Vereine vor existenzbedrohenden Investments abzuhalten, wie es von der UEFA offiziell heißt.

Im Zuge der Veröffentlichungen wurde bekannt, dass PSG in der Saison 2013/2014 nicht sanktioniert wurde, obwohl die Bilanzen laut UEFA-internen Einschätzungen klar gegen die Regularien verstießen. Unter anderem wurde das Sponsoring von Paris Saint-Germain durch Katar als nicht marktgemäß bewertet. Aufgrund von Druck der Clubeigentümer auf die UEFA sah man jedoch von Sanktionen ab und einigte sich mit dem Verein auf Strafzahlungen in Höhe von 20 Mio. Euro – einen vergleichsweise sehr niedrigen Betrag.

Zwei Frauen vor einem PSG-Store in Tokio
Valentin Simettinger
In schicker Umgebung hat in Tokio ein PSG-Shop eröffnet. Kundinnen und Kunden winkt europäischer Lifestyle.

„Nichts, wofür man sich schämen müsste“

Der Präsident des Weltfußballverbands (FIFA), Gianni Infantino, sah keine Verfehlung: „Es gibt nichts, wofür man sich schämen müsste“, sagte er zu seinen Verhandlungen mit den PSG-Vertretern. Die Form der Gespräche sei im Interesse der UEFA gewesen. „Wir wollten die Clubs im Wettbewerb halten und sie nicht ausschließen“, so Infantino. Das habe für alle 30 FFP-Fälle gegolten und nicht nur für die von einflussreichen Kräften mit Milliarden aus der Golfregion alimentierten Teams aus Paris und Manchester (betroffen war Manchester City).

Ohnmachtsgefühle bei den Fans

Für das Emirat Katar war der Paris-Deal jedenfalls ein Goldgriff. Längst hat der Verein mit seiner radikalen Strategie aber seine eigenen Fans gegen sich aufgebracht. Die Abänderung des Logos sorgte für wütende Proteste, selbst um den Vereinsslogan „Ici c’est Paris“ („Hier ist Paris“, Anm.), unzweifelhaft eine Erfindung der Fans, wütete ein erbitterter Rechtsstreit. Auch die Abänderung der traditionellen Hechter-Trikotstruktur schürte zu Beginn der laufenden Saison neuen Zorn in der organisierten Fanszene.

Verschmähende Haltung

PSG-Präsident Nasser al-Chelaifi und Qatar Sport Investments können derlei Proteste mangels Bereitschaft zur Auseinandersetzung nichts anhaben. Seine Sicht auf den Club steht exemplarisch für die ignorante und verschmähende Haltung gegenüber der ureigenen Anhängerschaft. „Paris steht für Mode, Stil, Kreativität und Energie“, wird Chelaifi in der „NYT“ zitiert. „Wir wollen diesen Werten gerecht werden, die die Stadt so einzigartig machen. Das kann sonst niemand.“