Brug Wawel in Krakau in Smog gehüllt
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Vor UNO-Klimakonferenz

Polens Problem mit der Luftverpestung

Kaum wo in Europa ist die Luft derart verschmutzt wie in Polen, der Smog gemahnt mancherorts an chinesische Verhältnisse. Langsam scheint sich die kohleaffine Regierung des Problems bewusst zu werden – wohl auch, weil in Katowice im Dezember der UNO-Umweltgipfel stattfindet, der das Abkommen von Paris in konkrete Worte gießen soll.

Langsam scheint in Polen ein Umdenken einzusetzen: Der Anteil von Kohle am Energiemix solle bis 2050 auf 50 Prozent reduziert werden, gab Energieminister Krzysztof Tchorzewski unlängst bekannt. Derzeit gewinnt Polen rund 80 Prozent seiner Elektrizität aus Kohle. Die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte sich in der Vergangenheit wiederholt für Kohle starkgemacht. Heuer verpflichtete sie sich aber dem EU-Ziel, bis 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix von derzeit zwölf auf 15 Prozent zu erhöhen.

Gleichzeitig wird auf Atomkraft gesetzt – der Bau des ersten Meilers wird seit Jahren geplant, geriet aber immer wieder ins Stocken. 2030 soll erstmals Atomstrom produziert werden, wie Michal Kurtyka diese Woche bekanntgab. Kurtyka ist Staatssekretär im polnischen Energieministerium und Vorsitzender der UNO-Klimakonferenz („COP 24“), die von 3. bis 14. Dezember im südpolnischen Katowice (Kattowitz), dem Herzen der Kohleindustrie, stattfinden wird.

Krakauer Bewohner mit Atemschutzmasken
Reuters/Agencja Gazeta
Atemschutzmasken gehören im polnischen Winter zum Alltagsbild

Europas meistverschmutzte Städte

„COP 24“ ist nach Poznan (Posen) 2008 und Warschau 2013 schon der dritte Klimagipfel binnen eines Jahrzehnts in Polen – ausgerechnet in einem Land, das in puncto Umweltschutz reichlich Nachholbedarf hat. Im Februar forderte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Warschau wegen anhaltender Überschreitung von Feinstaubgrenzwerten gegen die EU-Bestimmungen zur Sicherung der Luftqualität auf. Polen habe zwischen 2007 und Ende 2015 in 35 Gebieten die Tagesgrenzwerte und in neun Gebieten die Jahresgrenzwerte für Feinstaub regelmäßig überschritten und die EU-Richtlinie zur Luftqualität nicht ordnungsgemäß umgesetzt, lautete das Urteil.

Klimakonferenz in Kattowitz

Regierungsunterhändler aus rund 190 Ländern kommen von Anfang bis Mitte Dezember in Katowice zusammen, um über die weltweite Klimapolitik zu verhandeln. Ebenfalls anwesend sind Vertreter von NGOs, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Dabei sollen die Vorgaben des Pariser Abkommens von 2015 konkretisiert und in einem Regelwerk festgehalten werden.

Von den 50 meistverschmutzten Städten in Europa liegen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge 33 in Polen, berichtete unlängst die deutsche „Zeit“. Der EU-Rechnungshof veröffentlichte im Herbst unter dem Titel „Luftverschmutzung: Unsere Gesundheit ist nach wie vor nicht hinreichend geschützt“ einen Bericht, wonach die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide in Krakau teilweise fünffach überschritten werden. Wer in Krakau lebt, atmet jedes Jahr so viele Schadstoffe ein, als ob er 3.000 Zigaretten rauchen würde, zitierte die Deutsche Welle unlängst Aktivisten.

Viele Polen überprüfen täglich die Smogwerte und sind mit Atemschutzmasken ausgestattet. An einigen Tagen wird Kindern und älteren Menschen empfohlen, zu Hause zu bleiben – draußen tief durchzuatmen ist dann zu gefährlich. Mit Beginn der Heizsaison nimmt die Belastung noch deutlich zu. Maßgeblich dazu trägt bei, dass in Polen noch mehr als drei Millionen Privathaushalte mit Kohleöfen heizen.

Rauch aus Industrieschornsteinen einer Firma
APA/AFP/Joe Klamar
Immer noch gewinnt Polen rund 80 Prozent seiner Elektrizität aus Kohle

Jährlich sterben nach Angaben der Regierung etwa 19.000 Menschen an der schlechten Luft. „Die polnische Regierung nimmt dieses Problem sehr ernst und tut entsprechend viel, um die Luft in den Städten sauber zu bekommen. Wir ersetzen alte Heizsysteme mit nachhaltigeren Lösungen, fördern Elektromobilität und Thermomodernisierung. (…) Bis 2025 wollen wir außerdem eine Million Elektroautos auf die polnischen Straßen bringen", sagte Staatssekretär Kurtyka gegenüber dem „Standard“.

Brennende Mülldeponien

Brennende Mülldeponien befeuern die Problematik zusätzlich. Allein bis Mitte dieses Jahres gab es 85 solcher Brände in Polen – das sei besorgniserregend hoch, warnte das Umweltministerium. Die Regierenden sehen Kriminelle der Abfallbranche am Werk: Banden würden sich an zum Teil rechtswidrigen Müllimporten bereichern. Für schnelles Geld werde der Abfall nicht vorschriftsmäßig gelagert und verwertet, sondern einfach verbrannt. „Zumindest bei illegalen Deponien kann man davon ausgehen, dass absichtlich Feuer gelegt wurde, um den Müll loszuwerden“, so das Umweltministerium. „Wir werden die Müllmafia verjagen“, kündigte Regierungschef Mateusz Morawiecki an.

Nach Angaben des Umweltschutzamts importierte Polen zuletzt rund eine Million Tonnen Müll aus Europa – die Exportländer sparen so Geld, die Abfallindustrie in Polen scheffelt Geld. Seit zu Jahresbeginn in China ein Müllimportstopp in Kraft trat, hat sich die Situation noch verschärft. Auch Betreiber legaler Deponien stehen nun unter dem Verdacht der Brandstiftung, eine legale Mülllagerung würde sich in dem Geschäft nicht lohnen, sagen Umweltexperten.

Mülldeponie nahe Warschau
APA/AFP/Janek Skarzynski
Aus ganz Europa wird Müll nach Polen gebracht

Die Branche wehrt sich gegen die Vorwürfe. „Es ist ein Fehler zu glauben, dass derzeit nur ausländischer und illegaler Abfall brennt und das Problem darstellt“, sagte Agnieszka Fiuk, Direktorin des auf Abfallverwertung spezialisierten Unternehmens ATF Polska: „Es ist zum großen Teil unser eigener Abfall, der da brennt.“ Die Branche sei mit der seit Jahren wachsenden Menge des polnischen Mülls überfordert, so Fiuk. „Eine Importblockade wird Polens Müllproblem nicht lösen.“

Schuld an den Bränden sind laut Fiuk nicht Brandstifter allein, sondern Polens lückenhafte Gesetze. Sie sieht die Regierung in der Pflicht. „Die erlaubten Lagerzeiten für Müll sind mit bis zu drei Jahren oft so lang, dass sich entzündliche Gase bilden und der Abfall von allein in Flammen aufgeht“, sagte die Unternehmenschefin. Zudem werde nicht ausreichend kontrolliert, ob Müllimporteure überhaupt genug Geld haben, um den Abfall zu verwerten. Die Deponien würden mangelhaft überwacht, daher wisse man gar nicht, was brennt.

„Chance, noch einzugreifen, ist fast vertan“

Wie sehr die Zeit drängt, einen Wandel in der Klimapolitik herbeizuführen, belegt auch eine am Donnerstag veröffentlichte Studie der Weltwetterorganisation (WMO). Laut dieser ist die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre so hoch wie nie. „Ohne eine Verringerung von CO2 und anderen Treibhausgasen wird der Klimawandel zerstörerische und unumkehrbare Folgen für die Erde haben“, warnte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. „Die Chance, noch einzugreifen, ist fast vertan.“