Nissan-Chef Carlos Ghosn
Reuters/Steve Marcus
Korruptionsfall

Nissan entlässt seinen Chef Ghosn

Drei Tage nach der Festnahme von Automanager Carlos Ghosn in Japan hat der Verwaltungsrat des Autobauers Nissan Medienberichten zufolge am Donnerstag seine Absetzung beschlossen. Das Gremium habe „einstimmig“ beschlossen, Ghosn als Verwaltungsratspräsidenten zu „entfernen“, teilte Nissan am Donnerstag mit. Er wurde festgenommen, weil er die Kassen des Autokonzerns für private Zwecke geplündert haben soll.

Vor der Abstimmung habe sich der Verwaltungsrat mit dem „detaillierten“ Bericht einer internen Ermittlung rund um die Affäre beschäftigt, wurde bekanntgegeben. Nissan-Chef Hiroto Saikawa werde übergangsweise das Kontrollgremium von Nissan leiten, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo.

Die Führungsspitze des zweitgrößten Autobauers des Landes besprach am Donnerstag auch das weitere Vorgehen in der Affäre. Neben Ghosn hatten Fahnder am Montag Nissan-Direktor Greg Kelly festgesetzt. Auch er wurde nun seiner Aufgaben entbunden.

Vorwurf: Betrug in Millionenhöhe

Ghosn war am Montag in Tokio nach einer Befragung durch die Staatsanwaltschaft festgenommen worden. Medien hatten berichtet, der Nissan-Chef habe seit 2011 über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt fünf Milliarden Yen (rund 40 Mio. Euro) Einkommen zu wenig angegeben. Der Konzernchef soll auf Nissans Kosten eine private Wohnung an der Copacabana in Rio de Janeiro gekauft haben. Auch in Paris, Amsterdam und Beirut soll er Luxusimmobilien erworben haben, für die Nissan mindestens 15,5 Millionen Euro gezahlt haben soll. Internen Ermittlungen zufolge soll er zudem Geldbezüge in offiziellen Berichten an die japanische Börse falsch dargestellt haben.

Bis zu zehn Jahre Haft und Geldstrafe drohen

Ghosns Arbeitgeber soll auch die Renovierung und den Unterhalt der Wohnungen übernommen haben, wie beispielsweise die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) berichtet hatte, obwohl Nissan in Beirut keine namhafte Geschäftsinteressen habe. Außerdem habe Ghosn jährlich mehrere 100.000 Euro für Privatreisen und -essen mit seiner Familie über Spesen abgerechnet. Im Jahre 2010 habe er Nissans Budget für die Vorstandsgehälter von 15 auf 23 Millionen Euro anheben lassen, habe die Löhne der Vorstände jedoch kaum erhöht, schreibt die „SZ“. Sollte ein Verfahren eröffnet werden, drohen ihm eine fünfstellige Geldstrafe und theoretisch bis zu zehn Jahre Haft.

Renault-Chef Carlos Ghosn
AP/Paul Sancya
Ghosn soll auf Nissans Kosten etwa eine Luxuswohnung an der Copacabana in Rio de Janeiro gekauft haben

Derzeit muss Ghosn wegen Verdachts auf Untreue in einer 4,8 Quadratmeter großen Gefängniszelle des Tokyo Detention Center sitzen, wie Reuters berichtet. Auf eine Vorzugsbehandlung dürfe Ghosn aufgrund seiner Position nicht hoffen, so ein mit dem Gefängnis Vertrauter zu Reuters. Jeder würde gleich behandelt, sogar ein Ministerpräsident. Das Gefängnis im Osten der japanischen Hauptstadt stand in diesem Jahr schon einmal im Mittelpunkt des Interesses: als der verurteilte Gründer der Aum-Sekte für seinen Giftgasanschlag auf die Tokioter U-Bahn aus dem Jahr 1995 hingerichtet wurde.

Affäre zieht weite Kreise

Der Sturz von Ghosn in Japan kommt einem Erdbeben in der Branche gleich, denn seine Ära bei Nissan endete abrupt: 1999, also vor knapp 20 Jahren, managte der gebürtige Brasilianer den Einstieg von Renault bei dem japanischen Hersteller. In die bis dato beispiellose Autoallianz wurde dann auch Mitsubishi eingebunden. „Nissan oder Mitsubishi gäbe es ohne Renault wohl nicht mehr“, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer dem Onlineportal des Senders n-tv.

Die französische Regierung betonte aber, die Allianz, die sich in diversen Überkreuzbeteiligungen manifestiert, weiter zu unterstützen. Der Fall ist eine hochpolitische Angelegenheit: Frankreich hält 15 Prozent von Renault. Renault ist wiederum mit über 40 Prozent an Nissan beteiligt. In Paris wollte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire indes mit dem japanischen Wirtschaftsminister Hiroshige Seko zusammentreffen und die Lage besprechen.

Ghosn ist außerdem noch Chef des französischen Autobauers Renault und sitzt auch dem Verwaltungsrat bei Mitsubishi vor. Zugleich wurde aber seine rechte Hand Thierry Bollore aber zum Übergangsvorsitzenden bei Renault ernannt, da Ghosn derzeit „verhindert“ sei. Auch der japanische Hersteller Mitsubishi will Ghosn absetzen. Eine Entscheidung soll aber erst am Montag fallen.

Politiker warnt vor Destabilisierung von Renault

Indes warnt der einflussreiche französische Oppositionspolitiker Laurent Wauquiez vor einer Destabilisierung des heimischen Herstellers Renault. „Wir müssen sehr wachsam sein“, forderte der Parteichef der konservativen Republikaner (Les Republicains) im Sender Radio Classique am Donnerstag. „Meine Befürchtung lautet, dass hinter der Ghosn-Affäre die Absicht einer Destabilisierung der Japaner (…) des Renault-Nissan-Konzerns stehen könnte – um ihn zu sprengen, oder um Renault im Inneren des Verbundes zu schwächen“, sagte Wauquiez. Ein weiteres industrielles Debakel in Frankreich müsse verhindert werden.

Die französische Tageszeitung „Le Figaro“ meldete, dass Ghosn Renault und Nissan noch enger aneinander binden wollte. Er soll demnach geplant haben, einen Vorschlag dafür bei der Vorstellung der Renault-Jahreszahlen im Februar kommenden Jahres zu machen, wie das Blatt unter Berufung auf eine namentlich ungenannte Quelle berichtete. Die Zeitung zitierte auch einen Nissan-Manager, wonach die Beziehung zwischen Renault und Nissan künftig ausbalancierter sein sollte.

Mit der Allianz Nissan-Renault-Mitsubishi schuf Ghosn ein riesiges Firmengeflecht. Im vergangenen Jahr verkaufte die Allianz 10,6 Millionen Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge. Der weltgrößte Autobauer Volkswagen setzte nur dank seiner schweren Lkws und Busse noch mehr Fahrzeuge ab.