„Brexit“-Austrittsvertrag
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„Brexit“

Die zentralen Punkte des „Brexit“-Vertrags

Mit dem „Brexit“ am 29. März 2019 ändert sich im Alltag im besten Fall zunächst einmal gar nichts. Der beim Sondergipfel Ende November gebilligte Austrittsvertrag der Europäischen Union mit Großbritannien sieht eine Übergangszeit vor und verschiebt die praktischen Folgen der Trennung somit mindestens auf Ende 2020.

Das gilt aber nur, wenn der Pakt auch ratifiziert wird. Und das ist angesichts der Widerstände im britischen Parlament alles andere als gesichert. Platzt der Deal, droht Chaos für Bürger und Unternehmen. Was also bedeutet das Vertragspaket?

Zentral ist die Übergangsphase bis mindestens Ende 2020. Sie kann einmal um bis zu zwei Jahre verlängert werden, also längstens bis Ende 2022. In dieser Zeit bleibt Großbritannien im EU-Binnenmarkt und in der Europäischen Zollunion, alle EU-Regeln gelten weiter. Es gibt keine Zollkontrollen, Einfuhr- oder Reisebeschränkungen. Da Großbritannien nach dem Austritt offiziell Drittstaat ist, darf es in Brüssel aber nicht mehr mitbestimmen. Neue EU-Regeln muss es trotzdem akzeptieren. Gedacht ist das als Schonfrist für die Wirtschaft, aber auch als Verhandlungszeit, um die dauerhaften Beziehungen der beiden Seiten zu klären.

Rechte der EU-Bürger

Der Vertrag sichert zu, dass die mehr als drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien und eine Million Briten auf dem Festland auch nach der Übergangsphase so weiterleben können wie bisher. Das betrifft unter anderem ihr Recht auf Aufenthalt, Erwerbstätigkeit, Familiennachzug, auf Ansprüche an die Sozialkassen und auf Anerkennung beruflicher Qualifikationen. Träte der Vertrag nicht in Kraft, würde diese Rechtssicherheit fehlen. Doch würden wohl Notfallvereinbarungen auf Gegenseitigkeit geschlossen.

Grenzfrage Irland – Nordirland

Nach langem Streit ist nun im Vertrag garantiert, dass die Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland offen bleibt, also keine Schlagbäume oder Kontrollen eingeführt werden. Auch dafür wollen beide Seiten in der Übergangsphase eine dauerhafte Lösung finden. Für den Fall, dass das nicht gelingt, gibt es eine Garantieklausel, den „Backstop“. Dann bliebe ganz Großbritannien in einer Zollunion mit gemeinsamen Standards mit der EU, um Grenzkontrollen zu vermeiden.

Für Nordirland würden zudem weiter Bedingungen des EU-Binnenmarkts sowie einige Kontrollpflichten für Waren aus dem übrigen Vereinigten Königreich gelten. Käme das nicht, müsste die Republik Irland eigentlich die neue EU-Außengrenze kontrollieren. Eine solche Teilung der irischen Insel widerspräche aber dem Karfreitagsabkommen von 1998, das Jahrzehnte der Gewalt in Nordirland beendete.

Finanzielle Verpflichtungen

Großbritannien sagt im Vertrag zu, für finanzielle Pflichten aus der Zeit seiner EU-Mitgliedschaft einzustehen. Bis zum Ende der Übergangszeit zahlt London weiter Beiträge in das EU-Budget. Darüber hinaus übernimmt Großbritannien einen Anteil an langfristigen Lasten, etwa an Pensionszahlungen für EU-Beamte. Die Summe steht nicht im Vertrag, sondern nur „eine faire Berechnungsmethode“.

Geschätzt geht es um mindestens 45 Milliarden Euro, die noch von London an Brüssel fließen. Ohne den Vertrag müssten EU-Steuerzahler einspringen. Schon 2019 würde nach Angaben aus dem Europaparlament ein Loch von etwa zwölf Milliarden Euro aufgerissen.

Warenverkehr

Waren mit einer Produktzulassung dürfen auch nach Ende der Übergangsphase verkauft werden, ohne dass sie ein besonderes Label brauchen. Das gilt zum Beispiel für Spielsachen, Kleidung und Kosmetik, aber auch für Medikamente und Medizinprodukte. Ausgenommen sind lebende Tiere und Tierprodukte. Markenrechte sollen auf beiden Seiten unangetastet bleiben.

Geschützte Ursprungsbezeichnungen

Parmaschinken, Champagner oder Fetakäse sollen nach der Übergangsphase in Großbritannien den nach EU-Recht besonderen Status als geschützte Ursprungsbezeichnung behalten. Insgesamt gilt das für mehr als 3.000 Produkte, die als regionale Besonderheit vermarktet werden und dafür bestimmte Bedingungen erfüllen müssen. Walisisches Lamm und andere geschützte britische Produkte behalten ihren Schutz in der EU.

Zusammenarbeit bei Verbrechensbekämpfung

Wer zum Ende der Übergangsphase per britischem Haftbefehl gesucht und in der EU geschnappt wird, sollte sich nicht zu sicher fühlen. Der Austrittsvertrag sorgt vor, dass solche Verdächtige gegenseitig ausgeliefert werden.

Alles anders ohne Vertrag

Würde der „Brexit“-Vertrag nicht rechtzeitig vor Ende März ratifiziert, sähe alles ganz anders aus. Dann gäbe es keine Übergangsfrist und es drohte ein abrupter Bruch, unter anderem mit langen Wartezeiten am Zoll und großer Unsicherheit. Neben der Zustimmung des Parlaments in London ist auch die des Europaparlaments nötig, die Parlamentspräsident Antonio Tajani aber schon angekündigt hat.