Protestierende in Tunis
APA/AFP/Fethi Belaid
Causa Khashoggi

Gegenwind für Kronprinz Salman

Im Mordfall Jamal Khashoggi ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman am Dienstag erneut mehrfach in den Fokus gerückt. Laut türkischen Medien wurde eine Villa nahe Istanbul durchsucht, die einem saudischen Geschäftsmann und „sehr engen Freund“ des Kronprinzen gehören. Zudem sorgen Proteste, Details zu den Ermittlungen und eine Anzeige gegen den Kronprinzen kurz vor dem G-20-Gipfel für neuen Druck auf Mohammed.

Die Informationen kamen erneut aus der Türkei, wo der saudi-arabische Journalist und Aktivist im Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet worden war. Die dortigen Medien berichteten von stundenlangen Ermittlungen mit Spürhunden und Drohnen in zwei Villen in Yalova nahe Istanbul. Eine davon soll dem saudischen Geschäftsmann Mohammed Ahmed al-Fawsan gehören – angeblich ein enger Freund des Kronprinzen.

In einem „Hürriyet“-Video sind große Porträts des saudi–arabischen Königs Salman und des Thronfolgers an einer Wand der Villa zu sehen. Eine zweite durchsuchte Villa befindet sich der halb staatlichen Nachrichtenagentur DHA zufolge im Besitz eines Unternehmens namens Omary Tourism Gida. Die beiden Gebäude wurden den Berichten zufolge illegal errichtet. Laut „Hürriyet“ inspizierte die Polizei drei Brunnen auf dem Grundstück. Die türkische Polizei äußerte sich nicht zu möglichen Verbindungen des Mannes zu dem Mord.

Heikles Treffen bei G-20-Gipfel

Saudi-Arabien weist eine Verwicklung des Thronfolgers zurück. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht „höchste Kreise“ in Saudi-Arabien involviert. Auf dem G-20-Gipfel in Buenos Aires, der am Freitag beginnt, könnte es zum ersten Mal nach dem Tod Khashoggis zu einem Treffen zwischen dem Kronprinzen und Erdogan kommen. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe), es gebe „keinen Grund“, den Kronprinzen nicht zu treffen.

Ermittler vor einer Villa in Samanli
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Zahlreiche Ermittler durchsuchten die Villa des Geschäftsmannes

Unterdessen erstattete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in Argentinien Anzeige gegen den Kronprinzen. Der 33-Jährige solle wegen der Folterung und Tötung Khashoggis in Buenos Aires verhaftet werden, beantragte die Organisation bei einem Bundesgericht der argentinischen Hauptstadt. Laut einem Bericht wies der Richter Ariel Lijo die Staatsanwaltschaft an, zu bestimmen, ob die Tötung Khashoggis im saudischen Konsulat in Istanbul in Buenos Aires geahndet werden könne.

Argentinien habe das Universalitätsprinzip bei Folterungen und Kriegsverbrechen anerkannt, hieß es in einer Mitteilung von HRW. Nach diesem Prinzip könne die Justiz Verbrechen dieser Art unabhängig vom Tatort und der Staatsbürgerschaft von Opfern und Tätern verfolgen. HRW zeigte den saudischen Kronprinzen auch wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Jemen-Konflikt an.

Protest mit Sägen in Tunesien

Kronprinz Mohammed selbst befand sich am Dienstag auf seiner ersten Auslandsreise seit der Ermordung des Journalisten. Nach Bahrain und Ägypten besuchte er Tunesien. Dort blies ihm Gegenwind entgegen: Mehrere hundert Menschen demonstrierten bereits am Montag vor seiner Ankunft mit Rufen wie „Du bist hier nicht willkommen“ gegen den Staatsbesuch. Plakate zeigten eine den Kronprinzen darstellende Gestalt mit einer Kettensäge bzw. einer Peitsche. Auch mehrere Demonstrierende brachten in Anspielung auf die Beseitigung von Khashoggis Leiche Sägen mit.

Trotz der Kritik wollen die tunesischen Behörden die guten Beziehungen zu Saudi-Arabien erhalten, um „die Stabilität des Königreichs“ nicht zu gefährden, wie die Regierung erklärte. Noch für Dienstag war ein Treffen des Kronprinzen mit Tunesiens Präsident Beji Caid Essebsi geplant. In Ägypten hatte Staatschef Abdel Fattah al-Sisi Medienberichten zufolge die Bedeutung der „Stabilität und Sicherheit“ Saudi-Arabiens betont. Anders als in Tunesien gab es im autoritär regierten Ägypten keine Demonstrationen gegen den Besuch.

„Innerhalb von sieben Minuten getötet“

Unterdessen bestätigte der türkische Außenminister Cavusoglu teilweise den Inhalt von Tonaufnahmen aus dem Konsulat, die den Ablauf des Mordes an Khashoggi dokumentiert haben sollen. „Er wurde innerhalb von sieben Minuten getötet. Es war vorsätzlicher Mord“, sagte er in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe). Der Inhalt der Aufzeichnungen war in den vergangenen Wochen über türkische Medien verbreitet worden. Staatspräsident Erdogan hatte erst Mitte November bestätigt, dass seine Regierung im Besitz von Aufnahmen sei.

Protestierende in Tunis
APA/AFP/Fethi Belaid
In Tunis formierten sich Proteste gegen Prinz Mohammed

„Es ist zu hören, wie der Gerichtsmediziner die anderen instruiert: Sie sollten Musik hören, während er den Körper zerteilt. Man merkt, dass er es genießt.“ Weiter sagte Cavusoglu: „Er zerteilt gerne Menschen. Es ist ekelhaft.“ Details, wie die türkischen Behörden an die Aufzeichnungen aus dem saudischen Konsulat gekommen seien, nannte Cavusoglu nicht. „Die Geheimdienste geben ihre Quellen nicht preis.“ Er selbst habe sich die Aufnahmen jedoch angehört.

Der im US-Exil lebende Journalist Khashoggi war Anfang Oktober ins saudische Konsulat in Istanbul gegangen, um Papiere für seine Hochzeit abzuholen, und kam nicht mehr heraus. Erst unter immensem internationalem Druck gab Saudi-Arabien die Tötung des Journalisten zu. Die Leiche Khashoggis wurde noch nicht gefunden.