G20 Gipfel
APA/AFP/Ludovic Marin
Buenos Aires

G-20-Gipfel begann mit Erdbeben

Ausgerechnet zum Auftakt des G-20-Gipfels in Buenos Aires ist Argentiniens Hauptstadt am Freitag von einem Erdbeben erschüttert worden. Der Erdstoß ereignete sich just in dem Moment, in dem der argentinische Präsident Mauricio Macri sich anschickte, die Staats- und Regierungschef zum Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer zu begrüßen.

Das Epizentrum des Bebens lag 32 Kilometer südlich von Buenos Aires in einer Tiefe von 25 Kilometern und passierte um 10.27 Uhr (Ortszeit, 14.27 Uhr MEZ). Es hatte eine Stärke 3,8 auf der Richterskala. Opfer oder Schäden habe es nicht gegeben, sagte der Chef der argentinischen Erdbebenwarte, Alejandro Giuliano. Allerdings habe es teils Panik in der Bevölkerung gegeben. Erdbeben sind in der argentinischen Hauptstadt selten, Buenos Aires liegt weit entfernt von Erdbebengebieten.

Zum Auftakt beschwor Gastgeber Mauricio Macri die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit. „Globale Herausforderungen erfordern globale Antworten“, sagte der argentinische Präsident. Die Lösung für gemeinsame Probleme etwa beim Klima laute „Dialog, Dialog und nochmal Dialog“. Ebenso wie der Gastgeber rief auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu Zusammenarbeit auf. Aus Sicht der EU gebe es keine Alternative zur multilateralen Kooperation, sagte Juncker in Buenos Aires.

Themen Handel, Klima und Migration

Der zweitägige Gipfel dürfte von den Spannungen wegen der Ukraine-Krise und einer Reihe weiterer internationaler Konfliktthemen wie der Tötung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi sowie von Kampfansagen des US-Präsidenten Donald Trump bei den Themen Handel, Klima und Migration dominiert werden. Ob am Ende des Treffens eine gemeinsame Erklärung steht, ist unsicher.

So verlangten die USA, in dem geplanten Kommunique nicht wie ursprünglich vorgesehen auf das Thema Migration einzugehen. Zudem sehen sie wie die Türkei Textvorschläge kritisch, die das von ihnen abgelehnte Pariser Klimaschutzabkommen erwähnen. China soll wiederum Probleme mit Passagen haben, die einen stärkeren Kampf gegen die Überkapazitäten in der Stahlindustrie vorsehen.

Gruppenfoto der Staats- und Regierungschefs am G20-Gipfel
AP/Ricardo Mazalan
Das traditionelle Familienfoto der G-20 in Buenos Aires

Als erster Erfolg der Verhandlungen wurde hingegen verbucht, dass sich die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer dazu verpflichten würden, bis zum nächsten G-20-Gipfel die Reform der Welthandelsorganisation (WTO) voranzutreiben, um eine bessere Einhaltung von gemeinsamen Spielregeln zu ermöglichen. Zudem soll in der Erklärung darauf verwiesen werden, dass man weiter multilateral, das heißt im großen Kreis, an der Lösung von Problemen arbeiten will.

Von Konflikten überschattetet

Angesichts des politischen Kurses von Trump wird das von Diplomaten schon als Erfolg gewertet. Trump hatte sich zuletzt selbst als Nationalist bezeichnet. Zudem kündigte er den Ausstieg der USA aus multilateralen Abkommen wie dem Pariser Klimavertrag und dem Atomdeal mit dem Iran an. Ob es zu einer Einigung auf eine Abschlusserklärung kommt, wird sich nach Angaben aus Verhandlungskreisen womöglich erst kurz vor Gipfelende zeigen. „Nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist“, hieß es.

Lange Liste an Streitpunkten

Auf dem G-20-Gipfel in Argentinien sind neben den größten Wirtschaftsmächten auch aufstrebende Staaten wie Indien und Brasilien vertreten. Die Liste der Streitpunkte ist lang.

Das Treffen wurde schon vor Beginn von Konflikten überschattet, die auch den Verlauf des Gipfels beeinflussen dürften. Trump sagte ein Treffen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin wegen der jüngsten Eskalation der Ukraine-Krise ab. EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich zudem überzeugt, dass die Europäer ihre Sanktionen gegen Russland vor Jahresende erneuern. Putin reagierte mit scharfen Worten, indem er die „bösartige“ Verhängung von Sanktionen und – offenbar in Anspielung auf Trumps Wirtschaftspolitik – den Protektionismus geißelte.

Auftritt des saudi-arabischen Thronfolgers

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wiederum rief den saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman auf, internationale Experten in die Ermittlungen zum gewaltsamen Tod von Khashoggi einzubeziehen, wie aus der französischen Delegation verlautete. Auch die britische Premierministerin Theresa May kündigte an, sie wolle Druck auf den saudi-arabischen Thronfolger ausüben.

Dem saudi-arabischen Thronfolger wurde indes ein freundlicher Empfang bereitet. Putin begrüßte ihn mit einem Lachen und einem kumpelhaften Handschlag. Zudem unterhielt sich Prinz Mohammed mit US-Präsident Trump und seiner Tochter Ivanka. Es besteht der Verdacht, dass der regierungskritische Journalist auf Betreiben des Kronprinzen in dem Konsulat seines Landes in Istanbul umgebracht wurde.

Merkel fehlt auf „Familienfoto“

Der Gipfel begann ohne die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die wegen einer Flugzeugpanne verspätet anreiste. Auf dem offiziellen „Familienfoto“ der Gipfelteilnehmer fehlte die Kanzlerin somit. Das ausgefallene bilaterale Treffen mit Trump soll am Samstag stattfinden. Merkel will zuvor auch Putin treffen.

Blick aus dem Airbus A340 der deutschen Bundesregierung auf ein Feuerwehrauto des Flughafens in Köln
reuters/Andreas Rinke
Ein technischer Defekt zwang die Maschine der deutschen Kanzlerin Angela Merkel kurz nach dem Start zur Umkehr

Ursache für die Panne von Merkels Flugzeugs war nach Angaben der Flugbereitschaft der Ausfall eines einzelnen Bauteils. Dabei handle es sich um eine elektronische Verteilerbox, sagte Oberst Guido Henrich, Kommandeur der Flugbereitschaft der Luftwaffe, in Köln. „Das war ein klassischer Ausfall eines Bauteils, wie es heute jederzeit passieren kann.“ Inzwischen sei das Problem behoben. Auf die Frage, welches Gefahrenpotenzial der Vorfall gehabt habe, antwortete Henrich: „Keins.“ Die Bundesregierung warnte vor einer Überbewertung des Zwischenfalls.

Brandsätze nahe Demostrecke entdeckt

Die argentinischen Sicherheitskräfte beschlagnahmten unterdessen rund ein Dutzend Brandsätze in einem verlassenen Auto. Beamte der Grenzschutzpolizei entdeckten die Molotowcocktails in einem ausgebrannten Taxi in der Innenstadt, wie der Radiosender Mitre berichtete. Der Fundort liegt in der Nähe der Strecke der für den Nachmittag (Ortszeit) geplanten Demonstration gegen den Gipfel.

Die Sicherheitskräfte bereiteten sich auf heftige Proteste vor. An den Gipfeltagen sind in der argentinischen Hauptstadt 25.000 Polizisten und Soldaten im Einsatz. Weite Teile der Hauptstadt waren abgesperrt. In Argentinien gibt es eine gut organisierte und kampferprobte linke Szene. Die Proteste richten sich gegen den G-20-Gipfel, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die argentinische Regierung.