Der französische Präsident Emmanuel Macron und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin
APA/AFP/Ludovic Marin
Handel und Klima

Tiefe Gräben bei G-20

Die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrienationen ringen in Argentinien um ihre Handlungsfähigkeit. Zwar haben sich die Unterhändler nach Differenzen geeinigt – die endgültige Zustimmung der Staatschefs steht aber noch aus. Auch Abseits davon zeigten sich Gräben, etwa bei der Ukraine oder dem Fall Khashogghi.

Handel, Klimwandel, Migration – das dürften bei dem G-20-Gipfel die umstrittenen Themen gewesen sein, die zu hartem Ringen um eine Abschlusserklärung geführt haben. In allen Fragen seien nun aber Kompromisse gefunden worden, hieß es am Samstag von Unterhändlern. Man habe sich auf einen Entwurf für die Abschlusserklärung geeinigt. Ob dieser von den Regierungsspitzen tatsächlich unterzeichnet wird, blieb offen – bereits beim G-7-Gipfel in Kanada hatte Trump das Papier nachträglich platzen lassen.

Nun wurde von EU-Seite als größter Erfolg der Verhandlungen verbucht, dass sich die G-20 dazu verpflichten würde, die Reform der Welthandelsorganisation WTO voranzutreiben, um eine bessere Einhaltung von gemeinsamen Spielregeln zu ermöglichen. Zudem soll in der Erklärung darauf verwiesen werden, dass man weiter multilateral, das heißt im großen Kreis, an der Lösung von Problemen arbeiten will.

Druck aus USA

Vor allem aus den USA soll es im Vorfeld Druck gegeben haben, etwa den Klimaschutz und vor allem die Verbindung zwischen Klimaerwärmung und Treibhausgasausstoß aus der Erklärung herauszuhalten. Auch das bei G-20-Gipfeln seit zehn Jahren übliche Bekenntnis zum geregelten Welthandel hätten die USA weitgehend vermeiden wollen. Laut der Nachrichtenagentur dpa sollen neben den USA auch China und die Türkei Bedenken gegen einen vorliegenden Entwurf der Abschlusserklärung gehabt haben. Einen G-20-Gipfel ohne Abschlusserklärung hat es noch nie gegeben.

Merkel nach Verspätung bei Trump und Putin

Am Samstag greift die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in das Gipfelgeschehen ein. Sie traf am Freitagabend nach der Panne an ihrem Regierungsflieger mit zwölf Stunden Verspätung in Buenos Aires ein – gerade pünktlich zu einer Kulturveranstaltung im berühmten Teatro Colon mit anschließendem Gala-Dinner. Am zweiten Gipfeltag wollte sie US-Präsident Donald Trump und den russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen.

Am Abend wird der Handelsstreit zwischen China und den USA Thema werden. Bei einem Abendessen zwischen US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping geht es darum, wie die von den USA gegen China verhängten Sonderzölle wieder aufgehoben oder zumindest nicht noch ausgeweitet werden können.

USA verlangen Zugeständnisse

Die USA verlangen, dass China etwa auf Produktpiraterie und erzwungenen Technologietransfer verzichtet. Insgeheim sieht Washington auch die Infrastrukturinitiative der Chinesen mit Misstrauen. Mit der sogenannten Seidenstraßen-Initiative versucht China nach Auffassung von Experten auch, über die Zusammenarbeit vor allem mit Entwicklungsländern seinen Einfluss weltweit auszubauen.

Für möglich gehalten wird, dass der zuständige chinesische Vizeministerpräsident Liu He Mitte Dezember nach Washington reist, um die Verhandlungen zur Beendigung des Handelskonflikts fortzusetzen. Auch von amerikanischer Seite mehrten sich Signale, dass vielleicht eine vorläufige Einigung gefunden werden kann. „Wir arbeiten sehr hart. Wenn wir einen Deal erreichen könnten, wäre das gut“, sagte Trump. Eine weitere Eskalation des Konflikts der beiden größten Volkswirtschaften würde nach Auffassung des Internationalen Währungsfonds die gesamte Weltwirtschaft belasten.

Ukraine auf der Agenda

Beim Treffen Merkels mit Trump soll es um die Frage von Autozöllen auf deutsche US-Exporte gehen. Vor allem aber dürfte das Thema Ukraine das auf etwa eine halbe Stunde angesetzte Gespräch dominieren. Trump setzt nach der von Russland eskalierten Situation in der Straße von Kertsch auf das Verhandlungsgeschick Merkels, die bereits kurz nach ihrer Ankunft im Teatro Colon kurz mit Putin sprach.

US-Präsident Donald Trump
APA/AFP/Alexander Nemenov
Trump bremst bei den Themen Klima und Handel

Russland hatte ukrainische Schiffe daran gehindert, die von beiden Ländern beanspruchte Meerenge zu durchfahren und setzte 24 Matrosen fest. Trump sagte deswegen ein bereits bis ins Detail geplantes Treffen mit Putin in Buenos Aires ab. Seine Sprecherin Sarah Huckabee Sanders erneuerte am Freitag noch einmal die Aussage des US-Präsidenten, dass keinesfalls innenpolitische Überlegungen zu der Absage geführt hatten. Trump steht in der Heimat wegen Ermittlungen zur angeblichen Einmischung Russlands in die US-Präsidentenwahl 2016 unter Druck.

Handschlag für Kronprinz Mohammed

Trotz der weltweiten Empörung über die Tötung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi konnte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman den Gipfel für einen großen Auftritt auf der Weltbühne nutzen. Demonstrativ herzlich und mit einem kumpelhaften Handschlag empfing Russlands Präsident Wladimir Putin den Kronprinzen zu Beginn der formellen Gespräche lachend vor laufenden Kameras. Salman wird verdächtigt, den Mord am Khashoggi in Auftrag gegeben oder zumindest davon gewusst zu haben.

G-20: Handschlag zwischen Putin und Mohammed bin Salman

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und Russlands Präsident Wladimir Putin gaben sich mit einem High Five amikal.

Trump, der weiter zu seinem Verbündeten steht, tauschte nach Angaben aus dem Weißen Haus Freundlichkeiten mit dem saudischen Kronprinzen aus – „wie mit fast jedem anderen der Teilnehmer auch“. Trump selbst sagte: „Es kann sein, dass wir eine Diskussion führen werden, aber wir haben es noch nicht getan.“

Mehrere Medien veröffentlichten unterdessen ein Video von einem Gespräch zwischen dem Kronprinzen und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, das offenbar verdeckt aufgenommen wurde. In dem nur teilweise hörbaren Gespräch sagt Macron, dass er „besorgt sei“ und der Prinz „nie auf ihn höre“. Der Prinz soll geantwortet haben: „Es ist okay, ich komme damit zurecht.“ Nach einem nicht verständlichen Teil des Gesprächs sagt Macron zudem, er sei „ein Mann, der zu seinem Wort stehe“. Laut dem Elysee-Palast hatten Macron und Mohammed ein fünfminütiges Gespräch, in dem Macron eine „klare Botschaft“ zur Causa Khashoggi und dem Krieg im Jemen an den Prinzen gerichtet habe.

Tausende bei Protesten

In Buenos Aires protestierten Tausende Menschen gegen den Gipfel. Die Demonstranten zogen über die Prachtstraße 9 de Julio und skandierten: „Raus mit Trump und den imperialistischen Führern!“ Auf Transparenten war zu lesen: „Sie wollen Krieg und wir lassen sie nicht in Frieden.“ An der Spitze des Zugs marschierten barbusige Frauen, die sich die Flaggen der G-20-Länder auf den Oberkörper gemalt hatten. Rund 25.000 Polizisten und Soldaten sind im Einsatz.