APPs von Google, Amazon und Facebook auf einem Smartphone
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EU-Digitalsteuer

Stichtag für ein Prestigeprojekt

Seit Monaten ringen die EU-Staaten um die Einführung einer Digitalsteuer für Internetkonzerne. Am Dienstag entscheidet sich, ob das Prestigeprojekt Frankreichs in absehbarer Zeit Wirklichkeit wird. In einigen Ländern ist der Widerstand groß. Um die Skeptiker umzustimmen, haben Paris und Berlin Berichten zufolge in letzter Minute einen neuen, weniger weitreichenden Vorschlag ausgearbeitet.

Die Digitalsteuer – so der ursprüngliche Plan – soll eine steuerliche Schieflage ausgleichen: Traditionelle Betriebe zahlen über 20 Prozent Steuern, Digitalkonzerne nur einen Bruchteil davon. Die EU-Kommission hatte im März vorgeschlagen, für Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro sowie einem Onlineumsatz von 50 Millionen Euro in Europa drei Prozent Ertragssteuer zu erheben. Gelten soll sie für Internetwerbung, den Verkauf von Nutzerinnen- und Nutzerdaten sowie für die Aktivitäten von Vermittlungsplattformen.

Am Dienstag steht die Digitalsteuer auf der Tagesordnung des Rates der EU-Finanzministerinnen und -Finanzminister (ECOFIN). Das Gremium muss seine Entscheidung einstimmig treffen. Die Vorzeichen dafür stehen nicht gerade günstig: Neben Irland, den Niederlanden und Dänemark hat auch Großbritannien zuletzt Bedenken geäußert. Sollte es zu keiner Einigung kommen, dürfte sich das Vorhaben zumindest bis nach der Europawahl 2019 verzögern.

„FT“: Neuer Vorschlag von Paris und Berlin

Mit ihrem Vorschlag zielt die EU-Kommission auf die Branchengrößen jenseits des Atlantiks. Einige EU-Länder fürchten deshalb ein Wiederaufflammen des Handelskonflikts mit den USA. US-Behörden hatten Brüssel bereits Ende Oktober vor der Einführung einer „diskriminierenden“ Digitalsteuer gewarnt. Andere EU-Staaten wiederum sehen ihre eigenen Steuervorteile in Gefahr. Google und Facebook etwa haben ihre Europazentralen in Irland aufgebaut und so Berichten zufolge in den vergangenen Jahren Steuerzahlungen in Milliardenhöhe vermieden.

Googles Europazentrale in Dublin
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Google-Europazentrale in Dublin: Einige Länder fürchten um ihre Steuervorteile

Positive Signale kamen unterdessen aus Deutschland, das sich in der Vergangenheit ebenfalls skeptisch zu einer Digitalsteuer gezeigt hatte. Finanzminister Olaf Scholz erwartete eine „positive Überraschung“ am Dienstag. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire hoffte seinerseits auf eine Einigung mit Berlin.

Wie eine solche Einigung aussehen könnte, wurde Montagnacht bekannt: Die „Financial Times“ („FT“) berichtete über einen neuen, weniger weitreichenden Vorschlag, auf den sich Paris und Berlin geeinigt hätten. Von den drei Punkten aus dem Kommissionsvorschlag bleibt laut „FT“ nur die Besteuerung von Onlinewerbung übrig. Für den Datenverkauf und die Aktivitäten von Onlineplattformen würde die Digitalsteuer laut Bericht nicht gelten.

Digitalsteuer bis 2025 befristet?

Der Montagnacht von Frankreich und Deutschland vorgelegte Entwurf sieht laut der Nachrichtenagentur AFP ein Inkrafttreten der Steuer am 1. Jänner 2021 vor, sollten sich die OECD-Mitglieder – darunter auch die USA – bis 2020 nicht auf eine internationale Lösung verständigt haben. Die EU-Digitalsteuer würde nach den deutsch-französischen Plänen aber nur befristet bis 2025 gelten.

Im Raum gestanden sind bisher zwei andere Varianten: Die erste war eine EU-weite Digitalsteuer mit Ablaufdatum. Sie sollte so lange gelten, bis es auf OECD-Ebene eine Lösung gibt. Die zweite deckt den gegenteiligen Fall ab: Sollte es bis 2020 keine internationale Einigung geben, führt die EU Anfang 2022 auf eigene Faust die Digitalsteuer ein.

Löger: Einigung „näher denn je“

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) sieht eine Einigung bei der EU-Digitalsteuer nun „näher denn je“. Auch dass die Digitalsteuer schon ab 2021 und nicht wie vom österreichischen Ratsvorsitz geplant ab 2022 gelten könnte, sei „ein positiver Aspekt des Kompromisses“, sagte Löger am Dienstag vor Beginn des Ecofin.

Finanzminister Hartwig Löger
APA/Georg Hochmuth
Löger: „Wir in Österreich sind bereit, einen ersten Schritt auf Basis der Internetwerbeabgabe zu setzen“

Angesprochen darauf, ob er mit dieser Light-Version einer abgeschwächten Digitalsteuer auf Werbeeinnahmen zufrieden sein könne, sagte der Finanzminister: „Wir in Österreich sind bereit, einen ersten Schritt auf Basis der Internetwerbeabgabe zu setzen. Das mag auch Zufall sein, aber genau der Vorschlag ist der, den Frankreich und Deutschland auf europäischer Ebene einbringen.“ Das sei auf europäischer Ebene „der richtige erste Schritt“.

Wesentlich sei, dass als Diskussionsgrundlage die gesamthafte Besteuerung der digitalen Wirtschaft eingebracht wurde. Damit werde es Fairness zwischen der traditionellen und der digitalen Wirtschaft geben. So gesehen sei die Einschränkung des deutsch-französischen Kompromissvorschlags auf eine Besteuerung der Internetwerbung „kritisch, aber wenn es eine Möglichkeit ist, das als ersten Schritt in Richtung einer gesamthaften Besteuerung zu definieren, sehe ich das durchaus positiv“.

Elf Länder mit eigenen Lösungen

Am Sonntag hatte Löger in einem „Presse“-Interview abermals bekräftigt, dass auch Österreich „eine eigene Digitalsteuer“ einführen werde, sollte die europäische Lösung nicht durchgehen. Elf europäische Länder haben bereits eine individuelle Lösung für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft entwickelt oder teils eingeführt. Darunter ist auch das Vereinigte Königreich. Der Vorschlag Londons weicht allerdings von jenem der EU-Kommission ab. Die britische Digitalsteuer soll nur zwei Prozent betragen, Onlinewerbung soll ausgenommen sein.

Umfrage: Breite Zustimmung zu Steuer

Unterstützung hatten die Befürworter der Digitalsteuer am Montag aus dem Europaparlament erhalten. ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas rief Großbritannien auf, sich in der Abstimmung zurückzuhalten: „Großbritannien darf kein Veto einlegen gegen eine Maßnahme, die wegen des Brexits eh nie in Großbritannien gelten wird“, so Karas. Am Abend stimmte der Wirtschaftsausschuss der Besteuerung der digitalen Wirtschaft mit großer Mehrheit zu.

Französischer Finanzminister Bruno Le Maire
Reuters/Christian Hartmann
Frankreichs Finanzminister Le Maire: Die Digitalsteuer ist ein französisches Prestigeprojekt

Bereits am Nachmittag präsentierte der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Paul Tang eine Umfrage, in der sich 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in sechs EU-Staaten für die Einführung einer EU-Digitalsteuer aussprachen. Laut der von Kieskompas in Österreich, Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Schweden und Dänemark durchgeführten Untersuchung halten im Durchschnitt der sechs Staaten 28,8 Prozent der Befragten eine Digitalsteuer für Tech-Giganten für „sehr gut“ und 54,8 Prozent für „gut“. Die Zustimmungsrate beträgt damit insgesamt 83,6 Prozent.

Finanztransaktionssteuer vom Tisch

Vom Tisch ist hingegen die Finanztransaktionssteuer. Deutschland und Frankreich legten am Montag den Vorschlag einer Aktiensteuer vor, die sich am Modell der nationalen französischen Finanzsteuer orientiert. Sie gilt seit 2012 und betrifft nur Aktien von in Frankreich börsennotierten Unternehmen, deren Wert über einer Milliarde Euro liegt. Geschäfte mit anderen Finanztiteln wie Derivaten und Anleihen sind nicht betroffen.

Finanztransaktionssteuer kommt nicht

Die EU-Finanzministerinnen und -Finanzminister haben das Ende der Finanztransaktionssteuer besiegelt. Im Gespräch ist nun eine Aktiensteuer – die aber nicht alle überzeugen kann.

Der deutsch-französische Plan habe „nicht mehr den Anspruch einer Finanztransaktionssteuer“, wie sie seit Jahren in der EU diskutiert werde, sagte Löger. Andere Länder hätten aber ihre Bereitschaft erklärt, ihn im Jänner weiter zu diskutieren.​ Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, signalisierte: „Es gibt Raum für Diskussionen.“ Positiv nahm er auf, dass die Mittel aus der Steuer in den EU-Haushalt fließen könnten.