Cosa-Nostra-Mitglied Settimino Mineo, eskortiert von zwei Polizisten
APA/AFP/Alessandro Fucarini
Palermo

Schlag gegen Cosa-Nostra-Führungskreis

Die italienische Polizei hat der Mafia in Sizilien einen empfindlichen Schlag versetzt: Dutzende mutmaßliche Mitglieder der Cosa Nostra wurden festgenommen, unter ihnen der neue „Pate“ Settimino Mineo.

Wie der mit den Ermittlungen betraute Staatsanwalt Francesco Lo Voi bei einer Pressekonferenz in Palermo sagte, nahmen die Fahnder bei den Razzien neben dem 80-jährigen Mineo insgesamt mindestens 45 weitere Verdächtige fest. Die Ermittler werfen ihnen Erpressung, illegalen Waffenbesitz, Brandstiftung, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und weitere Verbrechen vor.

Mit der Festnahme von Mineo, alias „Zio Settimo“ (Onkel Settimo), treffen die Ermittler die Cosa Nostra in ihrer Führungsstruktur. Der Juwelier sollte Medienberichten zufolge den Platz des im vergangenen Jahr verstorbenen Toto Riina an der Spitze der kriminellen Organisation einnehmen. Mineo war der Boss im Bezirk Paglarelli bei Palermo.

Hochrangiges Cosa-Nostra-Treffen im Mai

Eine Mafia-Kommission, auch „Cupola“ (Kuppel) genannt, hatte im Mai getagt und Mineo auserkoren. Erstmals seit 1993 hatte die Cosa Nostra wieder eine solche Cupola der Bosse auf die Beine gestellt, wie italienische Medien berichteten. Bei den Razzien wurden außer Mineo drei weitere Teilnehmer des Geheimtreffens festgenommen. Alle vier Mafia-Bosse haben bereits mehrjährige Gefängnisstrafen verbüßt.

Cosa-Nostra-Mitglied Settimino Mineo, eskortiert von zwei Polizisten
APA/AFP/Alessandro Fucarini
Mineo zählt laut den Ermittlern zum Cosa-Nostra-Führungskreis

Mineo, der bereits als Jugendlicher im Dienste der Cosa Nostra gestanden sein soll, wurde 1984 vom damaligen Anti-Mafia-Ermittler Giovanni Falcone zu fünf Jahren Haft verurteilt. Falcone wurde 1992 von der Mafia bei einem Bombenanschlag ermordet.

Mineo überlebte seinerseits 1992 einen Hinterhalt, in dem einer seiner Brüder starb. Ein anderer Bruder war ein halbes Jahr zuvor vor dem Schmuckgeschäft der Familie getötet worden. Mineo wurde später zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt, aber vor rund elf Jahren wieder freigelassen. Wie italienische Zeitungen dazu berichten, habe er aus Angst, abgehört zu werden, seitdem nie ein Telefon benutzt.

Telefongespräche abgehört

Auf die Spur kam die Polizei den Verdächtigen dennoch durch abgehörte Telefonate – konkret soll mit Francesco Colletti ein ebenfalls hochrangiges Cosa-Nostra-Mitglied unter anderem seinem Fahrer gegenüber Einzelheiten der Versammlung am 29. Mai ausgeplaudert haben. Es sei „ein schönes Treffen gewesen, sehr ernsthaft, mit Leuten vom Land, alten Leuten“. Colletti habe mehrfach von der Cupola geschwärmt, die sich von Riinas „Tyrannei“ positiv unterschieden habe, hieß es. „Wir haben uns alle erhoben und geküsst.“ Der Ort des Treffens blieb unklar.

Neuer „Boss der Bosse“?

Mineo soll den Medienberichten zufolge zum „Boss der Bosse“ aufgestiegen sein, weil er nicht auf der Flucht war oder im Versteck lebte – anders als Matteo Messina Denaro. Dieser war 1993 untergetaucht, seither wird der Mafioso von der Polizei gesucht. Er wurde in Abwesenheit wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Im März verhaftete die Polizei mehrere Verdächtige aus Denaros Umfeld im Zuge des Versuchs, ihn durch stetigen Fahndungsdruck und wiederholte Festnahmen unter seinen Gefolgsleuten zu isolieren. Das letzte Foto des heute 56-Jährigen stammt aus den 90er Jahren.

Wie viel Macht Mineo innerhalb der Mafia selbst hatte, ist unklar. Eher könne er als Vorsitzender eines Gremiums gelten, als Machtvermittler zwischen den Cosa-Nostra-Familien denn als „oberster Boss“, sagte der Kriminologe Federico Varese von der Universität Oxford. Für die Ermittler sind die Festnahmen dennoch ein großer Erfolg, da die Kommission zerschlagen wurde, deren alleinige Existenz eine „schwerwiegende Gefahr“ der öffentlichen Sicherheit in der gesamten Provinz Palermo darstelle.

„Historischer Wendepunkt“

Dass die Cosa Nostra offenbar versucht, sich neu zu strukturieren, bringen die Ermittler direkt mit dem Tod von Riina am 17. November 2017 in Verbindung. Der Todestag sei ein „historischer Wendepunkt“ für die Organisation gewesen, heißt es in der Mitteilung. Beobachter hatten bereits nach dem Tod des „Bosses der Bosse“ vermutet, dass die Mafia-Organisation versuchen werde, sich neu aufzustellen.

„Die Cosa Nostra steckt in Schwierigkeiten, weil sie unter sehr intensivem Druck steht“, sagte Staatsanwalt Salvatore De Luca. Dennoch dürfe der Staat auch nicht für kurze Zeit nachgeben, sonst „könnte sie zu früherer Stärke zurückkehren“, sagte De Luca. Als mächtigste italienische Mafia-Organisation wurde die Cosa Nostra bereits von der kalabrischen ’Ndrangheta abgelöst. Diese dominiert den Drogenschmuggel nach Europa und ist auch in Deutschland aktiv.