Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman
Reuters/Kevin Lamarque
Haftbefehl für Vertraute

Türkei verstärkt Druck auf Kronprinzen

Seit Wochen fordert die Türkei von Saudi-Arabien die Auslieferung von 18 Verdächtigen im Fall des ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi (Dschamal Chaschukdschi), um ihnen den Prozess zu machen. Jetzt erhöht Ankara den Druck – die Staatsanwaltschaft beantragte am Mittwoch die Festnahme von zwei Vertrauten des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

Die Staatsanwaltschaft hege „den starken Verdacht“, dass die beiden ehemaligen, hochrangigen königlichen Berater Ahmed al-Asiri und Saud al-Kahtani „zu den Planern des Vorfalls gehörten“, hieß es im Antrag des zuständigen Staatsanwalts Hasan Yilmaz mit Blick auf die Tötung von Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul Anfang Oktober.

Zwar hat es die türkische Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan bisher vermieden, den saudi-arabischen Thronfolger Mohammed direkt für das Verbrechen verantwortlich zu machen – doch die Intention ist klar: Schon seit Längerem hält die Türkei den Druck aufrecht, indem sie über Medien Informationen aus den Ermittlungen streut, die den Kronprinzen belasten. Die neuen Haftbefehle gegen die ehemals hohen Funktionäre des Königreichs sind dabei ein neuer Höhepunkt.

Vorwurf der „vorsätzlichen Tötung“

Kahtani gehörte als Medienberater zu den engsten Vertrauten von Kronprinz Mohammed, bevor er am 20. Oktober im Zuge des steigenden Drucks auf Riad seines Postens enthoben wurde. Khashoggi warf ihm Anfang des Jahres in der „Washington Post“ vor, „schwarze Listen“ über kritische Journalisten zu führen und Reporter einzuschüchtern.

General Ahmed al-Asiri
Reuters/Stefan Wermuth
General Asiri hatte vor seiner Entlassung einen direkten Draht zum Kronprinzen

Auch General Asiri war vor seiner Entlassung ein wichtiger Berater des Königshauses – auch er hatte direkten Zugang zum Kronprinzen: Waren ausländische Gäste bei dem 33-jährigen Thronfolger zu Gast, war Asiri häufig bei den Gesprächen hinter verschlossenen Türen dabei. Ein Gericht gab dem Antrag zur Festnahme der beiden Saudis laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu nun unter dem Vorwurf der „vorsätzlichen Tötung“ statt.

Zweifel an Entschlossenheit zu Aufklärung

Ein mit den Ermittlungen vertrauter türkischer Regierungsvertreter sagte, die Beantragung der Haftbefehle „spiegelt die Ansicht wider, dass die saudi-arabischen Behörden nicht gegen diese Personen vorgehen werden“. Die Staatengemeinschaft bezweifle die Entschlossenheit Saudi-Arabiens, das Verbrechen aufzuklären. Durch die Auslieferung der Verdächtigen an die Türkei könnten diese Zweifel beseitigt werden, so der Regierungsvertreter.

Der saudi-arabische Journalist Khashoggi war am 2. Oktober ins Konsulat seines Heimatlandes in Istanbul gegangen und nicht wieder aufgetaucht. Unter internationalem Druck gab Riad nach wochenlangen Dementis zu, dass der Kritiker von Kronprinz Mohammed in der diplomatischen Vertretung von einem saudi-arabischen Kommando getötet wurde. Das Königreich bestreitet aber weiter, dass der Thronfolger den Auftrag gab.

Kritiker: Sind nur Bauernopfer

Nach Darstellung Riads ordneten Asiri und Kahtani eigenmächtig den Einsatz an, um den im US-Exil lebenden Journalisten in sein Heimatland zurückzuholen. Der Einsatzleiter habe dann in Istanbul eigenmächtig entschieden, den 59-Jährigen zu töten. Asiri und Kahtani wurden ihrer Posten enthoben und 21 Verdächtige festgenommen, von denen fünf die Todesstrafe droht. Namen wurden jedoch nicht genannt.

Kritiker warfen der Führung in Riad vor, Kahtani und Asiri als Bauernopfer zu nutzen, um von der Verantwortung des Kronprinzen abzulenken. Druck auf Mohammed kommt unterdessen auch aus den USA: Nach einer Unterrichtung durch CIA-Chefin Gina Haspel erklärten am Dienstag mehrere US-Senatoren, sie seien nun mehr denn je überzeugt davon, dass der saudische Kronprinz die Ermordung direkt angeordnet habe.

„Kronprinz hat Tötung angeordnet“

Unter den Senatoren waren auch zwei hochrangige Republikaner: Bob Corker – der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat – und Lindsey Graham stellen sich damit gegen Präsident Donald Trump. Dieser hatte ja gesagt, unabhängig von der Einwicklung der Causa an der Loyalität zu Saudi-Arabien nicht rütteln zu wollen: auch wenn der Kronprinz Kenntnis von dem Verbrechen gehabt haben könnte, blieben die USA ein unerschütterlicher Partner Saudi-Arabien, ließ Trump wissen.

Corkers Auffassung sieht anders aus: „Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass der Kronprinz die Tötung angeordnet hat, die Tötung überwacht hat, genau wusste, was passierte, und es vorab geplant hat. Wenn er vor einer Geschworenenjury wäre, würde er innerhalb von 30 Minuten schuldig gesprochen.“

Der republikanische Senator Bob Corker
APA/AFP/Saul Loeb
Der republikanische Senator Corker nach dem CIA-Briefing: „Keine Zweifel, dass der Kronprinz die Tötung angeordnet hat“

Graham – in anderen Punkten ein Verbündeter Trumps – sagte: „Es gibt null Möglichkeiten – null –, dass das in so einer organisierten Art passiert ist ohne den Kronprinzen.“ Der Senator fügte hinzu: „Ich glaube, dass er an der Ermordung von Herrn Khashoggi auf der höchstmöglichen Ebene beteiligt war.“

„Bewusst blind“

US-Außenminister Mike Pompeo hatte Mohammed erst am Wochenende erneut in Schutz genommen. „Ich habe alle Geheimdienstinformationen gelesen, die im Besitz der Regierung der Vereinigten Staaten sind“, sagte er. „Es gibt keinen direkten Beweis, der ihn mit dem Mord an Jamal Khashoggi verbindet.“

Graham sagte dazu, er gehe davon aus, dass Pompeo den Vorgaben des Präsidenten folge. Man müsse „bewusst blind“ sein, um nicht zu dem Schluss zu kommen, dass der Kronprinz in die Tat verstrickt sei. Graham sprach sich für eine Resolution des Senats aus, in welcher der Kronprinz als einer der Verantwortlichen für den Mord genannt wird. Gegen die Verantwortlichen müssten Sanktionen verhängt werden. Davon müsse auch die Botschaft ausgehen, dass der Mord an Journalisten nicht geduldet wird. „Wenn wir diese Botschaft nicht aussenden, machen wir die Welt wirklich zu einem gefährlicheren Ort.“