Eindrücke aus dem BVT-Ausschuss
ORF.at/Roland Winkler
BVT-U-Ausschuss

Das „letzte Puzzlestück“ und ein „Blindflug“

Auch am letzten Ausschusstag dieses Jahres haben sich die Befragungen in der Causa BVT als äußerst detailreich und strittig erwiesen. Die Fraktionen stießen am Donnerstag tiefer in die Affäre um den Staatsschutz vor. Im Mittelpunkt standen die Suspendierungen von BVT-Beamten und die Fernlöschungsthese – das „letzte Puzzlestück“ fehlte ja noch.

Am Donnerstag wurde dieses „Puzzlestück“ befragt. Es handelte sich um den IT-Experten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Nikola Knezevic. Dass die Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Ende Februar stattfand, geht zum Teil auch auf Knezevic zurück. Denn wenige Tage vor der Razzia hatte der Belastungszeuge Anton H., ein ehemaliger BVT-Beamter, dem WKStA-Mitarbeiter mitgeteilt, dass die Möglichkeit einer Fernlöschung bestehe. Die Staatsanwaltschaft hatte es mit der Hausdurchsuchung wegen „Gefahr in Verzug“ sehr eilig.

Am Donnerstag verteidigte Knezevic die Fernlöschungsthese, die bereits einige Male die Wogen im Ausschuss hochgehen ließ. Die Annahme, dass man Daten aus der Ferne löschen kann, sei eine „Tatsache in der IT“, unterstrich die Auskunftsperson, die heute in der Privatwirtschaft tätig ist, weil die Justiz zu wenig zahle. Da H. allerdings ausschließlich für mobile Endgeräte im BVT zuständig war, wurde gefragt, ob seine Expertise für diese Annahme überhaupt reiche. „Es geht nicht darum, ob ein Server verschwindet, sondern ob man Daten löschen kann“, so Knezevic. Das habe es zu verhindern gegolten, weil sonst Beweise verschwinden.

Frage nach Protokollierung

Um seine Ausführung zu untermauern, führte er eine Fernlöschung mit seinem Laptop vor. „Ich drücke auf einen Knopf meines Smartphones, und Sie werden sehen, wie die Daten verschwinden“, sagte der IT-Experte. Der Versuch klappte. Allerdings gab Jetzt-Mandatarin Alma Zadic an, dass BVT-IT-Experten bereits zuvor betont hätten, dass jede Aktion – ob aus der Ferne oder im Staatsschutz – protokolliert wird. „Die beste Protokollierung hilft nichts, wenn der Systemadministrator die Möglichkeit hat, die zu löschen oder zu ändern“, so Knezevic.

Vor der Hausdurchsuchung war laut Knezevic aber keine Zeit, um weitere Informationen zur Protokollierung bei einer Fernlöschung einzuholen. Dass die fallführende Staatsanwältin Ursula Schmudermayer bei den IT-Aussagen mit H. nicht anwesend war, bestritt die Auskunftsperson. Sie sei im Raum gewesen und habe ihn nicht verlassen. Laut Einvernahmeprotokoll fand das Gespräch zwischen Knezevic und H. statt. Ob jemand das Zimmer verließ, wurde nicht vermerkt. Bisher ging man davon aus, dass das Gespräch nicht im Rahmen der Einvernahme stattfand.

Er habe H. geglaubt, weil „alles schlüssig“ geklungen habe. „Warum sollte ich ihm nicht glauben. Es gab keinen Grund dazu, zumindest kenne ich keinen“, sagte Knezevic. Ohnehin gehe es um die Möglichkeit einer Fernlöschung. „Wir sind damals davon ausgegangen, dass zumindest Systemadministratoren die Möglichkeit besitzen.“ Es ging auch nicht um die Server im Verfassungsschutz, sondern um „spezifische Daten“, die auf diesen Servern liegen und die eben via „Remote-Zugang“ gelöscht hätten werden können. Die bloße Information, dass etwas gelöscht wurde, sei wertlos, so Knezevic.

Künftig „besser dokumentieren“

Knezevic selbst war auch bei der Hausdurchsuchung am 28. Februar zugegen. Er sei mit der Sicherung von Datenträgern betraut gewesen. Im Büro der Leiterin des Exremismusreferats, Sibylle G., wo teils sensible Daten beschlagnahmt wurden, habe er sich unter anderem um das Smartphone von G. gekümmert. „Um ihr Leid zu ersparen, dass sie schnell weiterarbeiten kann, habe ich mich beeilt, die Daten zu kopieren“, sagte die Auskunftsperson. Geglückt sei die Kopie allerdings nicht. Bei Serverdaten habe man explizit nach den Benutzern suchen müssen, für die man sich interessiert, und nach Speicherorten.

Leerer Platz der Auskunftsperson beim BVT Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
Am Donnerstag nahmen im U-Ausschuss die letzten zwei Zeugen in diesem Jahr Platz

Dass man bei der Hausdurchsuchung eine Festplatte mit hochsensiblen Daten von ausländischen Partnerdiensten auf dem Schreibtisch des BVT-Beamten Franz K. gesehen hatte, habe ihn überrascht, so Knezevic. Man habe sie dann sichergestellt, weil die Festplatte nicht unverschlüsselt im Büro herumliegen solle. Diese sollte in einem Safe sein, meinte der Ex-WKStA-Mitarbeiter. K. geriet am Mittwoch in seiner Befragung wegen des Datenträgers unter Druck, da er erst einen Monat später dem BVT via E-Mail mitteilte, dass sich auf der Festplatte hochsensible Daten befinden – darunter das Kommunikationssystem „Neptun“.

Dass es bei der Affäre um den Staatsschutz um Nuancen – Stichwort Fernlöschung und die Frage nach verdeckten Ermittlern – geht, musste auch Knezevic während seiner Befragung erfahren. „Ich hoffe, ich werde nie wieder so einen Fall haben“, sagte er. Falls doch, würde er zumindest „alles besser dokumentieren“.

Sektionschef verteidigt Suspendierung

Vor Knezevic war der Leiter der Präsidialsektion im Innenministerium, Karl Hutter, in den Ausschuss geladen. Er äußerte sich unter anderem zur „Zwangspensionierung“ von G. Sie sei nicht in die „Pension gemobbt worden“, sagte Hutter. Außerdem verteidigte er die Suspendierung von Beamten des BVT – obwohl er Bedenken geäußert hatte. Denn Hutter hätte lieber die Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft abgewartet. Die Opposition ortete deshalb Suspendierungen im „Blindflug“.

Denn in der BVT-Affäre waren mehrere Mitarbeiter suspendiert worden, darunter auch BVT-Chef Peter Gridling. Das Bundesverwaltungsgericht hatte wenige Wochen später seine Suspendierung wie auch zwei weitere wieder aufgehoben. Die jeweiligen Begründungen seien nicht ausreichend gewesen. Seitdem versehen alle drei wieder Dienst im Verfassungsschutz. Trotzdem, so Hutter, seien die Suspendierungen „notwendig und zulässig“ gewesen.

Auf Bitte der Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, habe man die vorläufigen Suspendierungen ausgesprochen. Hutter sagte, dass es nicht darum gehe, ob ein Beschuldigter ein Delikt tatsächlich begangen hat. Im Mittelpunkt stehe der Tatverdacht, die vorläufige Suspendierung sei deshalb eine Sicherheitsmaßnahme. „Es macht einen Unterschied, ob man vorläufig oder mit Bescheid endgültig suspendiert wird“, sagte die Auskunftsperson.

Im Innenressort „nicht wehleidig“

Dass gegen Hutter selbst seit fünf Jahren in einem anderen Fall – er wird als Beschuldigter geführt – ermittelt wird, er selbst aber nie vorläufig suspendiert wurde, irritierte allen voran die Opposition. Hutters Antwort auf die Frage von FPÖ-Fraktionschef Hans-Jörg Jenewein, seit wann „permanent quer durchs Haus anonym angezeigt“ wird: Gegenseitige Anzeigen gebe es immer wieder, vor allem wenn es um Bestellungen gehe, da wolle man dann Kandidaten und Kandidatinnen aus dem Rennen nehmen.

Karl Hutter
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Karl Hutter, Leiter der Präsidialsektion im Innenministerium, vor seiner Befragung im Ausschuss

Hutter, der den zweithöchsten Beamtenposten im Innenressort von Michael Kloibmüller am 1. März übernommen hatte, sei nach eigenen Angaben kein Suspendierungsversuch gegen die Leiterin des BVT-Extremismusreferats, G., bekannt. Da sich die Ermittlerin nach der Razzia mit einer Beschwerde an die Staatsanwaltschaft gewandt hatte, habe man überprüfen müssen, ob Druck auf sie ausgeübt wurde oder ob sie Personenschutz brauche.

Es kam zu einem Gespräch zwischen Kardeis und G., in dem die Generaldirektorin „Die wollen dich da weghaben“ gesagt hatte. Gemeint war das Generalsekretariat im Innenressort. Hutter sah in dem Gespräch die Klärung der beruflichen Perspektive von G. Es sei zwar nicht die übliche Weise, wie man mit Mitarbeitern rede, aber im Innenministerium sei man „nicht so wehleidig“. Das habe auch G. gesagt, und „wenn die Betroffene sich nicht gemobbt fühlt, dann sehe ich keinen Grund, noch Öl ins Feuer zu gießen“.

Weitere Ermittlungen in Causa BVT

Auf die Frage, ob er auch mit dem Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, über die Vorwürfe gegen ihn gesprochen habe, antwortete Hutter: Mit dem Betroffenen spreche er nicht direkt über die Vorwürfe, das sei nicht sein Zugang. Es gebe darüber hinaus mehrere Anzeigen gegen Goldgruber, mittlerweile „fünf bis sieben“. Die Staatsanwaltschaft Korneuburg führt Goldgruber als Verdächtigen.

BVT-Ausschuss: Ermittlungen gegen Goldgruber

Im BVT-U-Ausschuss berichtete am Donnerstag Sektionschef Hutter über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Korneuburg gegen Peter Goldgruber, den Generalsekretär im Innenministerium.

Laut Informationen aus dem U-Ausschuss wird unter anderem wegen möglicher Anstiftung zum Amtsmissbrauch ermittelt. Ein Hintergrund könnte die fehlende Sicherheitsüberprüfung der Polizisten sein, die für die Razzia im BVT beauftragt wurden. Die Beamten hatten Zugang zu klassifizierten Dokumenten. Es gilt die Unschuldsvermutung. Der umfangreiche Akt zu Goldgruber sei erst am 29. November zugestellt worden, sagte Hutter. Erst jetzt könne man also umfassend die Vorwürfe und dienstrechtlichen Konsequenzen prüfen.