Demonstration in Paris
APA/AFP/Alain Jocard
Gewaltsame Proteste

Tränengas gegen „Gelbwesten“ in Paris

In Frankreich eskalieren die Proteste der „Gelbwesten“ gegen die Steuer- und Reformpolitik der Regierung. Am Samstag kam es in Paris zu Zusammenstößen, die Polizei setzte Tränengas ein. Die ersten Demonstranten hatten sich dort schon am Vormittag versammelt, teils mit Baseballschlägern „bewaffnet“. Frankreich hatte für das Wochenende praktisch den Ausnahmezustand verhängt.

Für Samstag und Sonntag waren in ganz Frankreich knapp 90.000 Sicherheitskräfte eingesetzt, 8.000 davon für Paris, die allgemeinen Sicherheitsvorkehrungen wurden dramatisch verschärft. Dennoch kam es erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen.

Demonstranten, die sich schon am Vormittag auf dem Boulevard Champs-Elysees versammelt hatten, hätten teils Baseballschläger, Hämmer und Boule-Kugeln aus Metall mit sich geführt, hieß es. Rund eintausend Menschen wurden am Samstag vorläufig festgenommen, die meisten davon in Paris.

Brände und kaputte Scheiben

In Paris versuchten einige gewaltbereite Demonstranten laut einem Agenturbericht, das Luxuskaufhaus Publicis in Brand zu stecken. Sie hätten einen Weihnachtsbaum angezündet und gegen die Fassade des Geschäftsgebäudes gelehnt, hieß es in Medienberichten. Nahe der Metro-Station Grands Boulevards setzten Demonstranten eine Straßenbarrikade in Brand. In der Avenue de Friedland schlugen sie Fensterscheiben ein. Die Polizei setzte gepanzerte Fahrzeuge in der Innenstadt ein.

Trotz Zugeständnissen der Regierung hatten die „Gilets Jaunes“ zum „vierten Akt“ ihrer Proteste aufgerufen. An drei Wochenenden gab es bereits Großdemonstrationen. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten wie der Eiffelturm und der Louvre sowie Geschäfte in der französischen Hauptstadt blieben deswegen geschlossen, die wichtigsten Spiele der Fußballliga wurden abgesagt, der Bahn- und Busverkehr wurde eingeschränkt. Am letzten Wochenende hatten Autos gebrannt, Geschäfte waren geplündert, Hunderte Menschen festgenommen worden.

„Vierter Akt“ mit erneuter Eskalation

In Frankreich hatten die „Gilets Jaunes“ für das Wochenende zum „vierten Akt“ ihrer Proteste aufgerufen. Einige Kundgebungen verliefen friedlich, in Paris kam es erneut zu gewaltsamen Konflikten mit Sicherheitskräften.

Autobahnblockade aufgelöst

Abseits der Proteste in der Pariser Innenstadt blockierten am Samstag mehrere hundert Demonstranten zeitweise die Ringautobahn Peripherique. Folge waren schwere Verkehrsbehinderungen. Die Polizei löste die Blockade auf, anders als in Paris verlief die Aktion friedlich.

Demonstration in Paris
APA/AFP/Lucas Barioulet
Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Schlagstöcke ein

Eine Sprecherin der Protestbewegung hatte zuvor erklärt: „Wir wollen uns von den Randalierern unterscheiden“, man wolle sich „Gehör verschaffen, keine Randale machen“. Auch in anderen französischen Großstädten, etwa Marseille und Grenoble, gingen erneut „Gelbwesten“ auf die Straße. Protestiert wurde auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel, auch dort gab es vorübergehende Festnahmen.

Proteste seit mehreren Wochen

Im Vorfeld der erneuten Proteste hatte Ministerpräsident Edouard Philippe im TV zur Ruhe aufgerufen und betont, seine Regierung werde alles tun, damit es keine Gewalt gebe. „Damit der Dialog, den wir diese Woche begonnen haben, unter den bestmöglichen Umständen fortgesetzt werden kann.“ Innenminister Christophe Castaner hatte erklärt, der Staat sei darauf vorbereitet, „robust“ zu reagieren, wenn es notwendig wäre.

Demonstration in Paris
APA/AFP/Thomas Samson
Proteste eskalierten bereits mehrfach

Die Demonstranten, die gelbe Warnwesten als Erkennungszeichen tragen, protestieren seit Wochen gegen hohe Lebenshaltungskosten und die Steuer- und Reformpolitik von Präsident Emmanuel Macron. Viele von ihnen fordern den Rücktritt des Präsidenten. Die Regierung war zuletzt bereits auf die Protestbewegung zugegangen und hatte die umstrittene Erhöhung der Ökosteuer auf Treibstoffe wieder gekippt.

Aufruf zum Sturm auf den Elysee-Palast

Trotzdem bleibt die Lage explosiv. Für Samstag hatten Vertreter der „Gilets Jaunes“ sogar zum Sturm auf den Amtssitz Macrons, den Elysee-Palast, aufgerufen. Auf die Frage eines Journalisten, was dort geplant sei, sagte einer ihrer Vertreter, der Lkw-Lenker Eric Drouot: „Wir gehen rein.“ Inzwischen wurden gegen Drouot Ermittlungen wegen Anstiftung zu Gewalt und Aufrufs zu einer ungenehmigten Versammlung eingeleitet.

Zusammenstöße in Paris
APA/AFP/Lucas Barioulet
Immer wieder chaotische Szenen in Paris

Bereits vor Beginn der Proteste wurden Samstagfrüh 278 Personen in Paris festgenommen. Grund sei in vielen Fällen gewesen, dass die Menschen sich einer Gruppe angeschlossen hätten, die „Gewalt gegen Personen oder die Zerstörung von Gegenständen“ vorbereitet habe, hieß es. „Die letzten drei Wochen haben ein Monster entstehen lassen, das seinen Erzeugern entgleitet“, sagte Innenminister Castaner.

Die Aktivisten verfolgen keine einheitliche Strategie im Umgang mit der Regierung: Gemäßigte wollen verhandeln, militante Kräfte lehnen das ab. Einzelne „Gelbwesten“ riefen dazu auf, den Protesten in Paris fernzubleiben, um der Regierung nicht in die „Falle“ zu gehen. Sie fürchten, dass die Bewegung durch Gewalt diskreditiert wird. Ein Vertrauter des Staatschefs kündigte an, Macron werde sich zu den Protesten vorab nicht äußern, um „kein Öl ins Feuer zu gießen“. Eine öffentliche Stellungnahme sei aber für Anfang kommender Woche geplant.

Hunderte Schüler festgesetzt

Während in Frankreich die Anspannung vor dem Wochenende wuchs, sorgten Videoaufnahmen von einem früheren Polizeieinsatz in Mantes-la-Jolie nordwestlich von Paris für Empörung. In den Sozialen Netzwerken kursierten Bilder von Dutzenden festgenommenen Schülerinnen und Schülern, die vor Polizisten auf dem Boden knien und die Hände auf dem Kopf halten müssen.

Bildungsminister Jean-Michel Blanquer sagte dazu: „Es hat schockierende Bilder gegeben, weil wir uns in einem Klima außergewöhnlicher Gewalt befinden.“ Er betonte jedoch, man müsse die Bilder in ihrem Kontext betrachten – „in einer Zeit, in der die Sicherheitskräfte in ganz Frankreich im Einsatz sind, mit enormen Schwierigkeiten und mit unvorstellbaren Risiken“.

Trump sieht sich bei Klimapolitik bestätigt

US-Präsident Donald Trump wertete die „Gelbwesten“-Proteste in Paris erneut als Beweis für die Richtigkeit seiner Klimapolitik. „Das Pariser Abkommen läuft nicht so gut für Paris. Proteste und Aufstände in ganz Frankreich“, erklärte Trump am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Die Menschen wollen keine Unsummen zahlen, (…) um vielleicht die Umwelt zu schützen.“ Ein Großteil davon fließe außerdem an „Dritte Welt“-Staaten mit zweifelhaften Regierungen.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan meldete sich zum harten Vorgehen der französischen Polizei zu Wort. Er sei gegen eine „exzessive Gewalt“ gegen die Demonstranten, sagte Erdogan am Samstag am Rande einer Veranstaltung in Istanbul. „Die, die unsere Polizei der Unterdrückung bezichtigt haben, sollten sehen, was ihre Polizisten jetzt tun.“