Ruth Bader Ginsburg
AP/Stephan Savoia
Ruth Bader Ginsburg

Höchstrichterin als US-Superheldin

Für amerikanische Frauen hat sie die Welt verändert, als Popkulturphänomen ist sie eine lebende Legende. Ruth Bader Ginsburg, 85-jährige Höchstrichterin mit dem Spitznamen „Notorious RBG“, stellte ihr Lebenswerk in den Dienst der Gleichberechtigung. Jetzt wurde ihr mit einem hinreißenden Dokumentarfilm, der ab sofort in den heimischen Kinos läuft, ein längst verdientes Denkmal gesetzt.

Die Idee zu „RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“ hatten die beiden Regisseurinnen Betsy West und Julie Cohen, lange bevor Ginsburg zur Popikone „Notorious RBG“ – angelehnt an den Namen des legendären US-Rappers „Notorious BIG“ – wurde. Heute ist RBG die älteste Richterin am Supreme Court, dem sie seit 1993 angehört, und hat eine Fangemeinde von Millennials, die sie auf Twitter- und Tumblr-Accounts feiern und den Schriftzug „RBG“ oder ihr Konterfei auf T-Shirts und Stofftaschen tragen.

Der außergewöhnliche Aufstieg der stillen, aber unnachgiebigen Kämpferin begann in den 1950er Jahren, als Ginsburg eine von nur neun Frauen in einer Klasse von 500 Männern an der Harvard Law School war. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann Marty kennen, was sie im Film als größten Glücksfall ihres Lebens bezeichnet: „Ich hatte das große Glück, mein Leben mit einem Partner zu teilen, der für seine Generation etwas ganz Besonderes war. Er war der erste Junge, der sich dafür interessierte, dass ich ein Gehirn hatte.“

Unterhaltsam, lehrreich, inspirierend

Marty – selbst auf dem besten Weg, ein erfolgreicher Anwalt zu werden – hielt Ruth den Rücken frei und unterstützte sie, nachdem sie die juristische Fakultät als Jahrgangsbeste abgeschlossen hatte. Mit leuchtenden Augen erzählt die Richterin im Film von ihrem Mann, mit dem sie bis zu seinem Tod im Jahr 2010 56 Jahre lang verheiratet war. Doch das sind nicht die einzigen bewegenden Momente in dieser unterhaltsamen, lehrreichen und inspirierenden Doku.

Die Regisseurinnen filmten RBG in ihrem Büro, wo sie heute noch bis spät in die Nacht sitzt, um bissige Einsprüche zu verfassen, im Urlaub mit ihrer Familie und im Fitnesscenter mit ihrem Personal Trainer. „Sie macht dreimal die Woche zwanzig Liegestütze. Wir kämen gar nicht erst auf den Boden runter“, sagen Ruths Kindheitsfreundinnen Ann und Harryette vor der Kamera und lachen herzlich. Und die Radioreporterin Nina Totenberg bringt es schließlich auf den Punkt: „Von allen Menschen, die ich kenne, kommt Ruth einem Superhelden am nächsten.“

Ein Leben wie im Film

„RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“ zeigt, wie diszipliniert und unbeirrbar Ginsburg an ihrer Karriere arbeitete, während sie sich gemeinsam mit ihrem Mann um Kindererziehung und Haushalt kümmerte. Früh merkte sie, dass sie ihre beeindruckenden juristischen Fähigkeiten nutzen konnte, um für die Gleichberechtigung von Frauen zu kämpfen, denn Geschlechterdiskriminierung war damals an der Tagesordnung.

Spannend wie in einem Justizthriller werden in chronologischer Reihenfolge die wichtigsten Fälle aufgerollt, die Ginsburg in den 1970er und 80er Jahren vor dem Supreme Court vertreten hat. In ihrem vielleicht wichtigsten Fall als junge Anwältin bewies sie etwa, dass auch Männer unter den Folgen von geschlechterdiskriminierenden Gesetzen litten. Als Vertreterin eines verwitweten Mannes und Vaters eines kleinen Sohnes argumentierte sie erfolgreich, dass Witwer das gleiche Kindergeld wie Witwen erhalten sollten.

Szene aus dem Film „RBG“
2018 Koch Films
1993 wurde Ginsburg als zweite Frau an den Supreme Court der USA berufen

Diesen Präzedenzfall nimmt sich ein weiterer Film zum Ausgangspunkt, der ebenfalls das Leben von RBG zum Inhalt hat und kommenden Frühling in die Kinos kommt. In dem Biopic „Die Berufung“ spielen die Hollywoodstars Felicity Jones und Armie Hammer das Ehepaar Ginsburg, das einen idealistischen Kampf gegen ein veraltetes, von Männern dominiertes Justizsystem führt.

Die Frau der Stunde

Es scheint so, als wäre die 85-jährige Ginsburg die Frau der Stunde. Denn es ist nicht nur ihr außergewöhnliches Leben, das Stoff für Verfilmungen bietet, sondern auch ihre momentane Funktion innerhalb des amerikanischen Rechtsstaats. Egal ob Schwangerschaftsabbruch, Todesstrafe, Homosexualität oder Gesundheitssystem – bis heute sorgt Ginsburg mit ihrer engagierten Agenda für Schlagzeilen und macht dem amtierenden US-Präsidenten mitunter das Leben schwer.

Szene aus „Die Berufung“
2018 eOne Germany

Filmhinweis

Am 8.3.2019 startet der Spielfilm „Die Berufung“ in den österreichischen Kinos.

Nach der Wahl von Donald Trump war die Angst der Demokraten, dass eine der letzten Vertreterinnen des liberalen Amerika an höchster staatlicher Stelle wegfällt, enorm. Als sich Ginsburg vor Kurzem drei Rippen gebrochen hatte, ging ein Aufschrei durch die Sozialen Netzwerke. Sie ist die älteste der neun Richterinnen und Richter am Supreme Court, die auf Lebenszeit berufen werden. Die Mehrheit bilden dort die konservativen Richter, nachdem Trump in einer erbitterten Nominierungsschlacht im Oktober seinen Wunschkandidaten Brett Kavanaugh durchsetzen konnte.

Zuvor hatte er bereits Neil Gorsuch am Obersten Gerichtshof untergebracht. Sollte Ginsburg nicht weiter als Richterin dienen können, bekäme Trump somit bereits zum dritten Mal die Gelegenheit, einen Richterposten am Supreme Court zu besetzen und damit das Gericht für Jahrzehnte noch weiter nach rechts zu rücken.