Eindrücke aus dem Nationalrat
ORF.at/Roland Winkler
Hitzige Debatte

Pädagogikpaket passiert Nationalrat

Der Nationalrat hat am Mittwoch das Pädagogikpaket beschlossen, das etwa verpflichtend Ziffernnoten an Volksschulen bringt. Man mache Schluss mit „Versuchen und Herumdoktern“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zuvor. Thema war am zweiten Marathontag vor der Weihnachtspause auch die auslaufende österreichische EU-Ratspräsidentschaft.

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann hatte die Maßnahmen im Nationalrat einmal mehr verteidigt. Vor der Abstimmung sprach er von einem insgesamt „runden Paket“. Eine „klare Notensystematik“ sowie transparente Leistungskriterien würden wieder eingeführt. Dabei gebe es kein „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“, sagte er und erwähnte individuelle Beurteilungen, die ebenso stattfänden. Die Klassenwiederholung sei „manchmal auch sinnvoll“.

Die Reform sei ein „sehr notwendiger Schritt“ in Richtung mehr individuelle Förderung, hatte Kurz zuvor gesagt. In den vergangenen Jahren habe es im Bildungsbereich viele Veränderungen gegeben, die allerdings zu Verwirrung geführt hätten – das beende man nun.

Strache kritisiert „linke“ Experimente

Schülerinnen und Schüler brauchten Bewertung, Leistung solle sich lohnen, sagte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ). Es sei ja auch wichtig, dass sich die Eltern orientieren können. Die „linken bildungspolitischen Experimente der letzten Jahre“ hätten das Schulsystem nicht weitergebracht, so Strache.

Bildungsminsiter Heinz Faßmann (ÖVP) bei einer Sitzung des Nationalrates
APA/Roland Schlager
Faßmann verteidigte das Pädagogikpaket im Nationalrat vehement

Das Pädagogikpaket bringt an Volksschulen die Wiedereinführung von Ziffernnoten und des Sitzenbleibens ab der zweiten Klasse. An den Neuen Mittelschulen (NMS), die das „Neue“ aus dem Namen verlieren, wird es ab der sechsten Schulstufe zwei unterschiedliche Leistungsniveaus geben, und zwar mit zwei einander überlappenden Notenskalen. Schulautonom erhalten die NMS die Möglichkeit, zur Leistungsdifferenzierung ab der sechsten Schulstufe in Deutsch, Mathematik und Englisch dauerhafte Gruppen einzurichten.

Nicht genügend der Opposition

Bei der Opposition fiel das Paket allerdings durch. Als „Rückschritt ins 20. Jahrhundert“ bezeichnete die SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid das Paket mit Verweis auf Kritik von Fachleuten sowie Eltern. „Was sagt Ihnen Befriedigend? Nicht wirklich viel“, sagte sie. Dem schloss sich NEOS-Bildungssprecher Douglas Hoyos-Trauttmansdorff an: Er sah darin „inhaltsleere Symbolpolitik“, vielmehr müsse man den Pädagoginnen und Pädagogen Autonomie geben.

Opposition kritisiert Pädagogikpaket

Im Nationalrat wurde am Mittwoch von NEOS eine Dringliche Anfrage an Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) eingebracht. Das Pädagogikpaket sei ein Rückschritt, kritisieren sie.

NEOS machte die Bildungspolitik am Nachmittag im Nationalrat zum Thema einer Dringlichen Anfrage an Faßmann. Der Bildungsstandort gerate zunehmend in Bedrängnis, so NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger und Hoyos-Trauttmansdorff – Faßmann wies die Vorwürfe jedoch zurück. Jetzt (vormals Liste Pilz) forderte zudem Empathie, Kreativität und Lösungskompetenz ein.

„Sicher nicht zu besseren Ergebnisses führen“ werde unterdessen die Wiedereinführung von Schulnoten ab Ende der zweiten Klasse Volksschule, so die Präsidentin der Arbeiterkammer (AK), Renate Anderl, in einer Aussendung. Beschlossen wurde das Paket allerdings dennoch – mit den Stimmen der Abgeordneten der Regierungsparteien.

Regierung lobt Ratspräsidentschaft

Ein weiteres bestimmendes Thema war am Mittwoch die auslaufende österreichischen Ratspräsidentschaft. Über deren Erfolg sind sich Koalition und Opposition – wenig überraschend – uneins. Der Bundeskanzler, der seine Rede mit einer Trauernote angesichts des Anschlags in Straßburg eröffnete, nannte vorweg die schwierigen Rahmenbedingungen, die Österreich angesichts des anstehenden „Brexit“ vorgefunden habe. Der Ausstieg Großbritanniens reiße ein „riesiges Loch“ in die Europäische Union.

Als Erfolg verbuchte er – wie auch Strache nach ihm – die Arbeit rund um das Migrationsthema. Bezüglich dessen schrieb Kurz Österreich zu, die Trendwende weg von der Verteilungsdebatte hin zum Außengrenzenschutz eingeleitet zu haben. Ebenfalls vom Kanzler betont wurden die Initiativen gegen Antisemitismus, der Wunsch nach Verbesserung der Lebensbedingungen in Afrika sowie der Wunsch, die Westbalkan-Staaten in die Union zu bringen.

Opposition kritisiert ÖVP-FPÖ scharf

Strache lobte daraufhin die Einnahmen für den Tourismus. Gewürdigt wurde vom FPÖ-Chef, dass es gelungen sei, ein gemeinsames Sicherheitskonzept für jüdische Einrichtungen in Europa zu entwickeln. Auch die Arbeit von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in Sachen Maßnahmenpaket zur Schlepperkriminalität und der geplanten Verstärkung der Grenzschutzagentur Frontex betonte Strache im Nationalrat.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) bei einer Sitzung des Nationalrates
APA/Roland Schlager
Die Koalition feierte die auslaufende österreichische EU-Ratspräsidentschaft bereits als Erfolg

Viel Kritik dazu gab es von den Oppositionsparteien. Denn die Frontex-Aufstockung kommt anstatt – wie ursprünglich geplant – nicht im Jahre 2020, sondern voraussichtlich erst 2027. SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner sieht die Präsidentschaft dabei als „Mischung aus türkiser Taten- und freiheitlicher Mutlosigkeit“.

NEOS: Regierung habe „gezündelt“

„Noch nie hat eine Bundesregierung so viel versprochen und so wenig gehalten“, so Rendi-Wagner. Als Beispiel nannte sie die Digitalsteuer, die noch nicht umgesetzt worden ist, sowie den abgesagten Sozialministerrat. Als Ratsvorsitzland sei man aus dem UNO-Migrationspaket ausgestiegen, und die effektive Hilfe für jene Länder, aus denen Flüchtlinge kämen, seien auch noch gekürzt worden, kritisierte Rendi-Wagner.

Laut Meinl-Reisinger sei nicht einmal eine rote Linie zwischen Nationalismus und Populismus und proeuropäischer Sachpolitik gezogen worden: „Stattdessen haben sie gezündelt.“ Jetzt-Klubobmann Bruno Rossmann wollte hingegen aus Brüsseler Kreisen gehört haben, dass die österreichische Ratspräsidentschaft als „Rastpräsidentschaft“ gesehen werde.

Neben den EU-Erklärungen und dem Pädagogikpaket stehen auch die Erhöhung der Beamtengehälter, eine Nulllohnrunde für Politikerinnen und Politiker sowie die Umweltverträglichkeitsprüfung für Großprojekte auf dem Programm. Gegenstand von Verhandlungen waren zudem die geplanten Sonderklassegebühren in Spitalsambulanzen im Zuge der geplanten Änderung des Kranken- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG-Novelle). Die SPÖ wird dieser laut ihrem stellvertretenden Klubchef Jörg Leichtfried im Plenum am Donnerstag aber nicht zustimmen.