Boris Johnson
APA/AFP/Ben Stansall
Misstrauensvotum

Lange Liste möglicher May-Nachfolger

Durch das „Brexit“-Chaos hängt die politische Zukunft der britischen Premierministerin Theresa May am seidenen Faden. Verliert sie die parteiinterne Misstrauensabstimmung am Mittwochabend, müssen die konservativen Torys einen neuen Parteichef wählen. Dieser übernimmt dann automatisch das Amt des Regierungschefs. Durch britische Medien geistern bereits mehrere Namen. Nachfolgend ein Überblick.

Boris Johnson: Der frühere Bürgermeister von London war einer der Wortführer der „Brexit“-Kampagne vor dem Referendum im Jahr 2016. Er fuhr wochenlang in einem Bus quer durch Großbritannien und rief die Briten auf, sich „die Kontrolle zurückzuholen“. Johnson kandidierte damals jedoch nicht für die Nachfolge des scheidenden Premierministers David Cameron.

Dessen Nachfolgerin May vertraute Johnson dann das Amt des Außenministers an. Er leistete sich allerdings diverse Ausrutscher und machte insgesamt keine gute Figur auf dem diplomatischen Parkett. Schon vor seinem Rücktritt im Juli war er ein heftiger Kritiker von Mays „Brexit“-Kurs.

Der 54-Jährige, der oft einfach nur „Boris“ oder „BoJo“ genannt wird, gilt zwar als beliebt, hat sich innerhalb der Torys aber auch einige Feinde gemacht. In der BBC wich er am Sonntag zunächst noch der Frage aus, ob er eine Kandidatur für den Parteivorsitz plane. Berichte, er würde bereits einigen Vertrauten Ministerposten anbieten, wies er als „Unsinn“ zurück.

Sajid Javid: Der frühere Investmentbanker und Sohn eines pakistanischen Busfahrers gilt als das Gesicht des modernen, multikulturellen Großbritanniens. Er gehört dem wirtschaftlich liberalen Flügel der Konservativen an und stimmte 2016 für einen Verbleib seines Landes in der Europäischen Union. Nach dem Ausgang der Abstimmung unterstützte er dann aber den „Brexit“-Kurs.

Seit seiner Ernennung zum Innenminister im April hat sich Javid bereits Respekt für sein Vorgehen in der Windrush-Affäre verschafft, bei der es um den Umgang mit Kindern von Einwanderern aus der Karibik geht. Javid sicherte May am Mittwoch seine volle Unterstützung zu: May sei die „beste Person“, um den für den 29. März geplanten „Brexit“ sicherzustellen.

Amber Rudd: Nach einer Karriere als Finanzjournalistin wurde Rudd 2010 ins Parlament gewählt. Sie gilt als verlässliche Unterstützerin von May und begleitete deren Weg an die Regierungsspitze. Als May 2016 die Geschäfte der Premierministerin übernahm, vertraute sie ihren alten Posten als Innenministerin Rudd an. Diese musste im April jedoch zurücktreten, um Mays Ruf in der Windrush-Affäre zu schützen.

Kürzlich trat Rudd wieder ins Kabinett ein – als Ministerin für Arbeit und Pensionen. Sie ist dafür bekannt, hart zu arbeiten. Bei einer Kandidatur um den Parteivorsitz könnte ihr jedoch zum Verhängnis werden, dass sie für einen Verbleib Großbritanniens in der EU geworben hat.

Michael Gove: Der „Brexit“-Wortführer Gove wollte bereits in den Wirren nach dem Referendum im Jahr 2016 nach der Parteispitze greifen. Er schaffte es bei der Abstimmung in der Fraktion jedoch nicht in die Endrunde. May machte ihn im Juni 2017 zum Umweltminister, wo er mit einer Reihe umweltfreundlicher Ankündigungen in den Schlagzeilen blieb.

Gove ist einer der führenden „Brexit“-Hardliner in Mays Regierung – und hat sich ungeachtet aller Kritik hinter das von ihr ausgehandelte Austrittsabkommen mit der EU gestellt. Seine Rückendeckung ist für May von entscheidender Bedeutung.

Dominic Raab: Der 44-Jährige folgte im Juli als „Brexit“-Minister auf David Davis, der seinen Posten räumte, weil er die Linie von May gegenüber Brüssel als zu weich empfand. Doch auch Raab hielt es nicht lange auf dem Posten. Er trat im November zurück und bezeichnete das „Brexit“-Abkommen als „schlecht für unsere Wirtschaft und unsere Demokratie“.

Raab ist Boxer und zudem Träger eines schwarzen Karate-Gürtels. Er hat nie ausgeschlossen, sich um Mays Job zu bemühen.

Jeremy Hunt: Der amtierende Außenminister war für einen Verbleib Großbritanniens in der EU. Allerdings kritisierte er das Auftreten Brüssels in den Verhandlungen über den Austritt später als „arrogant“. Der frühere Geschäftsmann, der fließend Japanisch spricht, gilt als besonders belastbar.

Hunt warnte noch am Mittwoch vor einem Führungsstreit bei den Torys. „Premierminister zu sein ist derzeit der schwierigste Job, den man sich vorstellen kann“, twitterte er – und sicherte May seine Unterstützung zu.