Mitglieder der Kosovo Security Force (KSF)
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Parlamentsbeschluss

Kosovo will eigene Armee aufbauen

Das Parlament des Kosovo hat den Aufbau einer eigenen Armee beschlossen. Die 107 anwesenden Abgeordneten in Prishtina votierten am Freitag einstimmig für entsprechende Gesetze zum Aufbau einer kosovarischen Armee. In Serbien sorgt der Plan für Empörung.

Die Kosovarischen Sicherheitskräfte (FSK), die bisher nur für den Katastrophenschutz zuständig sind, sollen in eine reguläre Armee umgewandelt werden. Diese soll laut Verteidigungsminister Agim Ceku zur Staatsidentität und zur Konsolidierung des kosovarischen Staates beitragen, der sich 2008 von Serbien abgespalten hat. Der Parlamentssitzung wohnten 107 der 120 Abgeordneten bei. Sie alle stimmten für die Schaffung einer eigenen Armee.

Die derzeitigen Sicherheitskräfte haben 2.500 Angehörige, die künftige Armee soll laut Medienberichten etwa 5.000 Angehörige im aktiven Militärdienst und etwa 3.000 Reservisten haben. Die Umbildung der Sicherheitskräfte in eine Armee soll laut früheren Medienberichten etwa zehn Jahre in Anspruch nehmen. Für den kosovarischen Parlamentspräsidenten Kadri Veseli hat eine „neue Epoche“ für sein Land begonnen. „Ab jetzt haben wir auch offiziell eine kosovarische Armee. Glückauf, Soldaten!“, so Veseli nach der Abstimmung im Parlament.

Protest in Belgrad

In Serbien, wo die Abspaltung der ehemaligen Provinz nie anerkannt wurde, wird seit Tagen gegen das Votum Sturm gelaufen. Auch die Abstimmung selbst wurde von Abgeordneten der mitregierenden belgradtreuen Serbischen Liste boykottiert. Serbien lehnt eine eigene Kosovo-Armee entschieden ab. Laut der Regierung in Belgrad ist zu befürchten, dass die serbische Minderheit im Kosovo dadurch Gefahr laufe, gewaltsam vertrieben zu werden.

Hashim Thaci
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Präsident Hashim Thaci bei den Kosovarischen Sicherheitskräften

„Wir werden nicht die Kriegstrommeln rühren“, sagte Serbiens Präsident Aleksandar Vucic am Donnerstag, „aber wir werden niemandem erlauben, das serbische Volk im Kosovo zu verfolgen und zu demütigen. Und ich sage es ihnen (der Führung im Kosovo, Anm.) heute, bevor sie ihre Armee formieren.“ Serbien hatte zuletzt indirekt mit militärischer Gewalt gedroht, sollte der Beschluss für die Armee im Kosovo fallen. Die serbische Regierungschefin Ana Brnabic beteuerte jedoch in einer ersten Reaktion am Freitag, dass Belgrad „auf dem Pfad des Friedens“ bleiben werde.

Die serbische Regierung sieht in der Armee eine Verletzung der UNO-Resolution 1.244 vom Juni 1999 sowie der kosovarischen Verfassung. Laut UNO-Resolution, die mangels einer Einigung im Weltsicherheitsrat nie geändert wurde, ist im Kosovo einzig die internationale NATO-geführte Schutztruppe KFOR für die Sicherheit zuständig. Laut der kosovarischen Verfassung wäre für die Bildung der Armee eine zweimalige Zweidrittelmehrheit notwendig. De facto hätten daher auch Vertreter der Minderheiten, darunter Serben, im Parlament dafür stimmen müssen.

Kosovo kalmiert

Die Regierung in Prishtina wies die Behauptung zurück, dass die künftige Armee eine Bedrohung für die Serben und Serbinnen im Kosovo darstelle. Sie verwies darauf, dass auch viele Serben in den FSK dienen. Die Streitkräfte seien multiethnisch und inklusiv ausgerichtet. Bereits im Vorfeld hatte Verteidigungsminister Ceku an die serbische Minderheit appelliert, sich in die neue Armee einzugliedern. Diese werde nie eine Institution werden, die Probleme schaffe und Spannungen verursache, betonte er im TV-Sender RTV.

Im Norden des Kosovo, einem kompakten Siedlungsgebiet der Serben, beflaggten am Freitag viele Bewohner ihre Häuser mit serbischen Fahnen. Damit wollten sie ihrem Unmut über den Parlamentsentscheid in Prishtina Ausdruck verleihen. In Mitrovica erhöhte die internationale Schutztruppe KFOR ihre Präsenz an jener Brücke, die den von Serben bewohnten Nordteil vom albanischen Südteil trennt. In der Vergangenheit war es dort wiederholt zu ethnisch motivierten Konflikten gekommen.

NATO will eigenen Einsatz prüfen

Die NATO kündigte nach dem Parlamentsbeschluss an, ihren dortigen Einsatz nun prüfen zu wollen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Donnerstag, er bedauere die Entscheidung, die trotz Bedenken der NATO gefasst worden sei. Die Umwandlung der FSK in eine reguläre Armee sei zwar Prishtinas Angelegenheit. Die NATO habe aber klargemacht, dass dies zu einem schlechten Zeitpunkt erfolge.

Deshalb müsse die Allianz nun das Ausmaß ihrer Unterstützung für die FSK erneut prüfen. Die NATO bleibe durch die von ihr geführte KFOR-Truppe, an der auch Österreich beteiligt ist, der Sicherheit im Kosovo und der Stabilität auf dem westlichen Balkan verpflichtet. Alle Seiten müssten dafür Sorge tragen, dass die Entscheidung des kosovarischen Parlaments keinen weiteren Anstieg des Spannungen in der Region zur Folge habe.

Kneissl: „Nicht hilfreich“

FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl kritisierte die Schaffung einer regulären Armee als „nicht hilfreich“. Die Normalisierung der Beziehungen des Kosovo mit Serbien, das die Schaffung der regulären Armee ablehnt, sei nämlich für die EU-Integrationsbemühungen des Kosovo prioritär, erklärte Kneissl am Freitag in einer Aussendung.

Das russische Außenministerium verurteilte den Beschluss. Der Schritt verletze Beschlüsse des UNO-Sicherheitsrats und bedeute eine Verschärfung der Lage auf dem Balkan, hieß es in einer Mitteilung vom Freitag in Moskau. Sogar ein Rückfall in Gewalt sei nicht ausgeschlossen.

Der in großer Mehrheit von Albanern und Albanerinnen bewohnte Kosovo hatte früher zu Serbien gehört. Infolge eines langen Konflikts, in den 1999 die NATO eingriff, spaltete er sich von Serbien ab. 2008 erklärte sich der Kosovo zum unabhängigen Staat. Mehr als 100 Länder, darunter Österreich, haben ihn anerkannt, nicht aber fünf EU-Mitgliedsländer, Russland, China sowie Serbien.