Filmplakat „Schindlers Liste“
Universal Pictures
Vor 25 Jahren

„Schindlers Liste“ als Tabubruch

Zum Jubiläum von Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ kehrt im Jänner 2019 eine technisch überarbeitete Fassung in die Kinos zurück – Anlass, um über die Wirkung des gefeierten, umstrittenen Films nachzudenken.

„Die Fiktion ist eine Übertretung, und es ist meine tiefste Überzeugung, dass jede Darstellung verboten ist“, schrieb der französische Dokumentarfilmregisseur Claude Lanzmann 1994 über Steven Spielbergs „Schindlers Liste“: Es gebe Dinge, die ließen sich nicht darstellen. Dass Spielberg, Regisseur von „Indiana Jones“ und „Der Weiße Hai“, einen melodramatischen Film über den Holocaust ins Kino bringe, sei unerhört.

Authentische Filmbilder der Vernichtung existieren, doch es sind immer Spuren der Verbrechen, nach der Befreiung gefilmt von den Alliierten. Die abgemagerten Leichen, die ausgerissenen Goldzähne, die kohlegeschwärzten Ofentüren der Krematorien, die zerkratzten Wände der Gaskammern. Lanzmann selbst hatte für seinen Dokumentarfilm „Shoah“ aus dem Jahr 1985 Überlebende und Zeitzeugen befragt. Den Friseur, der den Opfern vor dem Vergasen das Haar schnitt. Die Nachbarn des Vernichtungslagers Sobibor, die in der grünen Wiese von den vollen ankommenden und den leeren abfahrenden Eisenbahnwaggons erzählen.

Oskar Schindler, 1967
APA/dpa
Der deutsche Industrielle Oskar Schindler am 4. Dezember 1967 in London nach der Verleihung des Friedenspreises der internationalen Martin-Buber-Gesellschaft

Der Holocaust als Heldenfolie

Wo dokumentarische Bilder in einem bestimmten Kontext entstanden und Zeitzeugeninterviews das kaum Darstellbare mit großer Sorgfalt zu vermitteln versuchen, gibt es aber auch den Drang nach ganz konkreten Bildern, gerade in jenen Nachfolgegenerationen, denen das direkte Gespräch mit Überlebenden nicht mehr möglich ist. Im Kino wird der Holocaust dann aus dramaturgischen Gründen zum Hintergrund für Heldengeschichten, weil anders nicht zu begreifen ist, was unbegreiflich bleiben muss, und die Kamera filmt den Protagonisten nach bis ins Gas, während der Soundtrack anschwillt.

„Schindlers Liste“ war 1993 ein Meilenstein auf dem Weg der Popularisierung von Holocaust-Bildern, mit dem Tausenden Schulklassen Betroffenheit per Kinoleinwand verordnet wurde. Die Filmbiografie des deutschen Unternehmers und NSDAP-Mitglieds Oskar Schindler, dem es gelungen war, in seiner Munitionsfabrik mehr als 1.100 jüdische Kinder, Männer und Frauen vor Vernichtungslagern zu bewahren, stehen in vielen Köpfen von Zuschauerinnen und Zuschauern gleichberechtigt mit dokumentarischen Bildern aus der Zeit.

Spielbergs persönlichstes Projekt

Doch der Film war nicht der Erste seiner Art. Die vierteilige amerikanische Fernsehserie „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ war 1979 in Deutschland ausgestrahlt worden, vielfach ausgezeichnet, und hatte tiefe Betroffenheit ausgelöst. Der jüdische Autor und Überlebende Elie Wiesel schrieb über die Serie in den „New York Times“ allerdings von einer Trivialisierung des Holocaust, hier werde ein „ontologisches Ereignis in eine Seifenoper“ verwandelt.

Diesem Vorwurf hatte sich Spielberg zu entziehen versucht, indem er seinen Film in ernstem Schwarz-Weiß ins Kino brachte, bis auf den berühmten roten Mantel eines kleinen Mädchens und bis auf die Szenen am Grab Schindlers am Ende des Films. Für Spielberg war „Schindlers Liste“ weniger Prestige- als persönliches Projekt: Als Teenager hatte er erfahren, dass mehrere seiner Familienmitglieder in Konzentrationslagern ermordet worden waren.

„Eingehen auf Einzelfiguren“

Ein großer Teil der Einnahmen des Films floss in Spielbergs 1994 gegründete „Shoah Foundation“, die Zeitzeugeninterviews aufzeichnet und archiviert. Vor allem aber hatte der weltweite Erfolg des Films dazu beigetragen, dass an NS-Zeit und Holocaust immer öfter mit den Werkzeugen konventioneller Dramaturgie erinnert wird – und immer öfter mit einer „Personalisierung, einem Eingehen auf Einzelfiguren, auch Täter und Täterinnen“, wie die Kommunikationswissenschaftlerin Martina Thiele beobachtete.

„Film ist inszenierte Realität“, sagte dazu Dani Levy, der 2007 mit „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ einen Komödienversuch gewagt hatte. „Ich fand Schindlers Liste einen guten Film, aber ich verwehre mich dagegen, dass der Film den Anspruch erweckt, so sei der Holocaust gewesen. Es ist eine künstlerische Interpretation, und ich finde es gefährlich, wenn der Film dem Zuschauer verkauft, dass er sich jetzt eine Vorstellung davon machen kann, wie es war, im KZ gewesen zu sein.“

Warnung heute ernster denn je

Nun kommt also „Schindlers Liste“ wieder ins Kino, begleitet von Pressetexten voller Superlative, „cineastisches Meisterwerk, sieben Oscars, eines der bedeutendsten Projekte in der Geschichte des Kinos“. Spielberg selbst sprach in einem Interview mit NBC sehr konkrete Sorgen an, über den weltweiten Aufschwung von Antisemitismus, Fremdenhass und Rassismus. „Es ist die perfekte Zeit, den Film noch einmal zu veröffentlichen. Wahrscheinlich noch wichtiger als in den 90er Jahren. Heute steht mehr auf dem Spiel als damals.“