Türkei missachtet Urteil des EGMR

Der wegen Terrorvorwürfen inhaftierte türkische Oppositionspolitiker Selahattin Demirtas muss weiter in Untersuchungshaft bleiben. Das entschied ein Gericht in Ankara unter Missachtung eines gegenteiligen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bereits gestern Abend, wie einer seiner Anwälte, Ramazan Demir, am Freitag bestätigte.

Zu einer für heute geplanten weiteren Verhandlung sei es somit nicht gekommen. Die nächste Serie von Prozessterminen sei für den 23. bis 25. Januar angesetzt worden.

Urteil ordnete Freilassung an

Damit widersetzten sich die Richter einem jüngst gefällten Urteil des EGMR, demzufolge die lange U-Haft von Demirtas nicht gerechtfertigt ist. Es hatte angeordnet, dass Demirtas freigelassen werden müsse.

Eigentlich muss sich die Türkei als Mitglied des Europarates an EGMR-Urteile halten – allerdings hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gesagt, er fühle sich an dieses nicht gebunden. Anwalt Demir sagte: „Das Gericht tut so, als gäbe es das EGMR-Urteil gar nicht.“

Weitere Causa bedingt Haft

Allerdings hatte vergangene Woche ein Berufungsgericht in einem
anderen Verfahren wegen Terrorpropaganda eine mehrjährige Haftstrafe
bestätigt. Damit muss Demirtas ohnehin im Gefängnis bleiben, auch
wenn er im Hauptverfahren aus der U-Haft entlassen werden sollte.

Das Verfahren gegen den Ex-Vorsitzenden der einflussreichen prokurdischen Partei HDP und scharfen Kritiker Erdogans wurde auch im Ausland aufmerksam verfolgt. Die EU-Delegation in der Türkei hatte Beobachter im Saal.