Kurz zieht positive Bilanz des EU-Vorsitzes

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat eine positive Bilanz des österreichischen EU-Vorsitzes gezogen. Es seien in einem intensivem halben Jahr 35 Triloge mit dem EU-Parlament geführt und 60 Einigungen im Rat erzielt worden. Das große, überragende Thema sei der „Brexit“, sagte Kurz gestern nach dem EU-Gipfel in Brüssel.

Lob für Fokus auf Außengrenzschutz

Die Entwicklung beim Thema Flucht sei eine positive, bereits der EU-Gipfel im Juni habe durch den Fokus auf den Außengrenzschutz eine Trendwende gebracht. Zur EU-Grenzschutzagentur Frontex sagte Kurz, die personelle Aufstockung werde leider von einigen Mitgliedsstaaten blockiert, „wir unterstützen eisern den EU-Kommissionsvorschlag“, der 10.000 Mann bis 2020 vorsieht. Anfang Dezember war bekanntworden, dass sich die Frontex-Aufstockung um Jahre verschiebt.

Eine Stärkung des Frontex-Mandats in Hinblick auf Drittstatten und Abschiebungen sei laut Kurz aber gelungen. Er sei froh, dass die illegale Migration um 95 Prozent zurückgegangen sei, die zentrale Mittelmeer-Route sei „de facto geschlossen“. Gestern würden wesentlich weniger Menschen im Mittelmeer sterben als 2015 und 2016. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben heuer 2.216 Personen im Mittelmeer, 2017 waren es 3.132 und 2016 4.962 Flüchtende.

Hoffen auf „guten ‚Brexit‘-Deal“

Zum „Brexit“ bekräftigte Kurz, er hoffe, dass der „gute Deal“ zwischen der EU und Großbritannien Zustimmung im britischen und im EU-Parlament finde. Im Bereich Sicherheit nannte Kurz die EU-Erklärung zum Kampf gegen Antisemitismus. Es sei „sehr besorgniserregend, dass sich Juden nicht mehr sicher fühlten und Europa in Richtung Israel verlassen“.

Zur Wettbewerbsfähigkeit habe es Beschlüsse zum digitalen Binnenmarkt gegeben und auch Fortschritte beim mehrjährigen EU-Finanzrahmen. Zum Westbalkan sagte Kurz, es gebe eine neue Dynamik, mehrere Kapitel mit den Kandidaten konnten eröffnet werden.

Lob von Tusk und Juncker

EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker lobten den österreichischen Ratsvorsitz gestern in teils hohen Tönen. Juncker sagte, Kurz habe „konsequent, umsichtig, zuhörend und einfühlend“ gearbeitet. „Das kann man nicht von allen Vorsitzen sagen. Aber diesmal war das so.“

Tusk sagte, er bedanke sich „bei Kurz für die sehr energische und fokussierte österreichische Präsidentschaft. Die Ergebnisse sprechen für sich selber. Es gibt weniger illegale Migration nach Europa.“ Juncker sagte, er sei sehr zufrieden über die künftige Finanzplanung, die Österreichs Ratsvorsitz erarbeitet habe. Noch nie habe eine Kommission ihre Vorschläge so früh vorgelegt, „und noch nie hat ein Ratsvorsitz so schnell gearbeitet“.

Schieder sieht „Spaltung“

Kritik kam hingegen aus der Opposition. Andreas Schieder, Spitzenkandidat der SPÖ für die Europawahl. „Gespalten wie noch nie zuvor“ sieht er Europa am Ende des Jahres, „und unsere Regierung hat beim Migrationspakt sogar selbst dafür gesorgt, dass dieser Spalt größer wird“.

In der Asyl- und Flüchtlingspolitik etwa habe man den UNO-Migrationspakt zuerst mitverhandelt und „vollmundig“ gelobt – „und dann alle Staaten mit einer 180-Grad-Kehrtwende vor den Kopf gestoßen, in der man sich von allen multilateralen Lösungsansätzen verabschiedet hat“. Ähnliches Versagen attestierte er bei allen wesentlichen politischen Themen des vergangenen Jahres, von der verschobenen Digitalsteuer bis zur Klima- und Sozialpolitik.