Türkisches Gericht verurteilt Gülen-Neffen zu Haft

Ein Gericht in der türkischen Hauptstadt Ankara hat einen Neffen des islamischen Predigers Fethullah Gülen zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Die türkische Regierung macht Gülen für den Putschversuch von 2016 verantwortlich.

Seinem Neffen Selman Gülen sei wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ der Prozess gemacht worden, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu heute berichtete. Selman Gülen hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen und angegeben, seinem Onkel nur einmal im Leben begegnet zu sein. Er warf dem Gericht vor, nur wegen des Verwandtschaftsverhältnisses angeklagt worden zu sein.

Hunderte Festnahmen in vergangenen Tagen

Seit dem Putschversuch greift die Regierung gegen angebliche Terrorverdächtige und Regierungskritiker hart durch. Erst gestern hatten Staatsanwälte in drei Provinzen mindestens 111 Menschen zur Fahndung ausgeschrieben und im Lauf der Razzien Dutzende Menschen inhaftiert, unter ihnen viele Soldaten.

Zwischen dem 10. und dem 17. Dezember allein sollen laut einer Stellungnahme des Innenministeriums 421 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zu den Putschisten festgenommen worden sein.

Insgesamt sind nach offiziellen Zahlen von Mitte November seit 2016 rund 218.000 Menschen kurz- oder längerfristig in Gefängnissen gelandet. Mehr als 140.000 Menschen wurden aus dem Staatsdienst entlassen. Die international scharf kritisierten Maßnahmen treffen auch Akademiker, Menschenrechtler und Journalisten.

Weißes Haus dementiert Zusage zu Auslieferung Gülens

Das Weiße Haus dementierte indes, dass US-Präsident Donald Trump eine Auslieferung Gülens zugesagt habe. Auf dem G-20-Gipfel in Buenos Aires vor gut zwei Wochen habe es keine solche Zusage Trumps an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegeben, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter gestern Abend (Ortszeit) in Washington.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte im Parlament in Ankara über angebliche US-Bemühungen zur Ausweisung Gülens berichtet. Die türkische Regierung macht Gülen – der im Exil in den USA lebt – für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Nach Angaben Cavusoglus hatten Trump und Erdogan am Rande des G-20-Gipfels über die türkische Forderung nach Gülens Auslieferung gesprochen.

US-Justizministerium will neues Material prüfen

„Trump hat gesagt, dass es Bemühungen gibt, vor allem den Terroristenanführer auszuweisen“, sagte Cavusoglu mit Blick auf Gülen. Die türkische Regierung fordert von den USA die Auslieferung Gülens und von mehr als 80 seiner mutmaßlichen Anhänger.

Das US-Justizministerium teilte mit, man werde „alles neue Material“ überprüfen, das Ankara in Zusammenhang mit dem Auslieferungsersuchen zur Verfügung stelle. Eine Entscheidung werde „auf der Basis der Fakten und der relevanten US-Gesetze“ erfolgen.