Farmerin in Nigeria
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EU-Kooperationen mit Afrika

Kein Patentrezept für ganzen Kontinent

Europa muss im digitalen Zeitalter mehr in Afrika investieren – so hat der allgemeine Tenor am Dienstag beim EU-Afrika-Forum in Wien gelautet. Dabei sollen beide Seiten gleich von der Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen profitieren. Betrachtet man jedoch die Situationen einzelner Entrepreneurs in Afrika, wird schnell klar: Patentrezept für die Zusammenarbeit gibt es keines.

Auf der einen Seite muss sich die EU mit einer überalternden Gesellschaft auseinandersetzen, weshalb sich Unternehmen stärker Afrika zuwenden und Chancen in der Kooperation erkennen sollen, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in seiner Eröffnungsrede. Auf der anderen Seite sind UNO-Berechnungen zufolge schon jetzt etwa 500 Millionen Afrikaner und Afrikanerinnen jünger als 25 Jahre – Tendenz steigend.

Das bedeutet, dass immer mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt der afrikanischen Länder drängen – insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, wo zur Zeit etwa 70 Prozent der Afrikanerinnen und Afrikaner tätig sind. Doch um eine „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, wie nicht nur Kurz sie sich wünscht, zu erreichen, gilt es, zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen.

Bewaffnete Konflikte als größte Hürde?

Was Bauern und Bäuerinnen in Afrika brauchen, weiß Rotimi Williams. Der 38-Jährige ist der zweitgrößter Reisbauer in Nigeria. Neben der Finanzierung durch Kooperationen sieht er nämlich noch ganz andere, fundamentale Herausforderungen: „Letztes Jahr war es mir nicht möglich, meine Farm überhaupt zu betreten wegen des andauernden Konflikts zwischen Bauern und Hirten“, so Williams in einer Diskussionsrunde über digitale Landwirtschaft.

Viele Farmen in Nigeria stünden auf historisch und kulturell wichtigen Routen von Halbnomaden, erklärte Williams. Da diese Hirten mit ihrem Vieh über das Land zögen, andererseits die Bauern und Bäuerinnen selbiges jedoch bearbeiten wollten, löse das Konflikte aus. Jährlich verursachten diese Kämpfe mehr Morde als die Terrormiliz Boko Haram, so der Großbauer. Würden die gewaltsamen Konflikte nicht endlich gelöst, so hätten alle Bemühungen in wirtschaftlicher Zusammenarbeit wenig Sinn, ließ er die anwesenden EU-Kommissare wissen. „Ideenschmieden sind schön und gut, aber bei der Umsetzung wird es dann knifflig“, so Williams.

Sebastian Kurz
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V. l.: EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, Ruandas Präsident und Präsident der AU, Paul Kagame, Bundeskanzler Sebastian Kurz, AU-Kommissionschef Faki Mahamat und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vor der Presse

Zwar betonten auch Bundeskanzler Kurz, EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani wie auch weitere Politikerinnen und Politiker die Wichtigkeit von Frieden und Stabilität in einer Region für die wirtschaftliche Zusammenarbeit, konkrete Maßnahmen zur Konfliktprävention blieben die Vertreter und Vertreterinnen der Politik aber schuldig.

„Ein Ansatz funktioniert nicht für ganz Afrika“

Dass es häufig an der Umsetzung einer internationalen Kooperation scheitert, weiß auch Nora Wolloch, Projektmanagerin bei World Summit Awards (WSA), einer Initiative zur weltweiten Verbesserung von Digitalisierung. Sie kritisiert, dass internationale Investoren und Investorinnen zu wenig über die Bedingungen in afrikanischen Ländern nachdächten, bevor Geld in ein Projekt gesteckt werde. So berichteten ihre Partnerinnen und Partner etwa, dass es häufig zwar im Prinzip Internet gebe, sie aber keinen Zugang zu Elektrizität hätten oder sich die mobilen Daten auf ihrem Smartphone schlicht nicht leisten könnten.

Zusätzlich fehle es vielen Menschen an der nötigen Bildung, um mit einem europäischen Investor zusammenarbeiten zu können. „Viele sind nicht bereit und können die Angebote deshalb nicht wahrnehmen“, so Wolloch. Zusätzlich brauche man für unterschiedliche Länder auch unterschiedliche Ansätze, was häufig vergessen werde. „Nur weil ein Ansatz funktioniert, heißt das nicht, dass er für ganz Afrika funktioniert“, kritisierte die WSA-Managerin. „Im Moment gibt es so viele Drehscheiben, so viel Geld geht in Start-ups, und dann bleiben diese erfolglos.“

Bildung als Schlüssel

Dass die Investition in Bildung Probleme von Konflikten bis hin zur Verfügbarkeit von Infrastruktur lösen würde, davon zeigten sich auch die beim Forum anwesenden Politiker und Politikerinnen überzeugt. „EU-Unternehmen bieten die Möglichkeit für Afrika, Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze zu schaffen“, sagte etwa Kurz in seiner Rede.

Und auch Catherine Geslain-Laneelle, ehemalige Vorsitzende der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), ist der Meinung, dass in der Ressource Bildung zusammen mit digitaler Innovation enormes Potenzial liege. „So können wir Lösungen für die gesamte Lebensmittelkette zur Verfügung stellen“, so Geslain-Laneelle in einer Diskussionsrunde am Rande des Forums. Auf diese Weise könnte man außerdem Konflikte verhindern und Missinformationen vorbeugen.

Tabuthema Migration?

Von mehreren Seiten wurde beim EU-Afrika-Forum betont, dass es sich nicht um einen Migrationsgipfel handle. Dennoch dürfe man das Thema nicht ausklammern, denn Bildung und Beschäftigung hingen unmittelbar mit dem Thema Migration zusammen, sagte Moussa Faki Mahamat, Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union (AU). „Wir müssen die Dinge beim Namen nennen“, so Mahamat. Und weiter: „Wir müssen die Ursachen bekämpfen.“

Mahamat zeigte sich in seiner Rede offen enttäuscht darüber, „dass sich gewisse Staaten weigern, offen über Migration zu sprechen und den Migrationspakt zu unterschreiben“. Nach den USA und Ungarn hatte sich auch die österreichische Bundesregierung, nachdem Österreich bei den formellen Verhandlungen noch mit an Bord gewesen war, Ende Oktober aus dem UNO-Migrationspakt zurückgezogen. Obwohl das Dokument rechtlich nicht bindend ist, fürchteten einige Länder um ihre nationale Entscheidungshoheit. Mahamat erachtet diese Begründung als unzureichend: „Digitale Wirtschaft kann eine Lösung sein, die richtigen Anreize zu schaffen, um da zu bleiben.“