Illustration zu Facebook
APA/AFP/Lionel Bonaventure
Soziales Netzwerk in der Krise

Horrorjahr für Facebook

Egal ob im US-Kongress oder im Europaparlament: Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat sich im vergangenen Jahr vielfach für das Vorgehen seines Konzerns rechtfertigen müssen. Erst 2018 wurde bekannt, dass zig Millionen Nutzerdaten in falsche Hände gelangten – das ließ auch das Vertrauen in den Konzern schwinden. Im kommenden Jahr steht Facebook damit wohl vor einigen Herausforderungen.

Am Ende des Jahres dürfen Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer in einem Video auf die Highlights ihres Jahres zurückblicken – für Firmenchef Zuckerberg dürfte dieses heuer wohl besonders knapp ausfallen. Schon 2017 war für das Soziale Netzwerk ein verheerendes Jahr, das Facebook inmitten von Manipulationsvorwürfen rund um die US-Präsidentschaftswahl sah. Doch bereits im März wurde der nächste Skandal bekannt – von dem sich der Konzern bis jetzt nicht erholen konnte.

Das britische Analyseunternehmen Cambrige Analytica, unter anderem im US-Wahlkampf 2016 für das Team des späteren Präsidenten Donald Trump tätig, gelangte an die Daten von zig Millionen Facebook-Nutzerinnen und -Nutzern. Möglich wurde das durch eine Umfrage-App, die bereits vor Jahren, ursprünglich „für Forschungszwecke“, Daten sammelte – lediglich die Weitergabe an Dritte entsprach nicht den Facebook-Spielregeln.

„Tut mir leid, dass wir nicht mehr getan haben“

Im Zentrum des Skandals standen die Aussagen von Whistleblower und Ex-Cambridge-Analytica-Mitarbeiter Christopher Wylie, der seinem Ex-Arbeitgeber vorwarf, sich Zugang zu Daten von insgesamt 87 Millionen Menschen verschafft zu haben. Auch Zuckerberg gab letztlich zu, von der App gewusst zu haben – und entschuldigte sich in Zeitungsinseraten: „Das war ein Vertrauensbruch, und es tut mir leid, dass wir damals nicht mehr getan haben.“

Facebook-CEO Mark Zuckerberg
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Im US-Kongress nahm Zuckerberg zur Datenaffäre rund um Cambridge Analytica Stellung

Zuckerberg wurde daraufhin im April vor dem US-Kongress befragt – insgesamt zehn Stunden musste er sich den Fragen von Politikerinnen und Politikern stellen. Und er entschuldigte sich: „Es war mein Fehler. Es tut mir leid. Ich habe Facebook gegründet, ich leite die Firma und ich bin verantwortlich für das, was hier passiert ist“, sagte er vor dem Kongress.

Nur einen Monat später musste er sich auch vor Abgeordneten des EU-Parlaments rechtfertigen. Zuckerberg entschuldigte sich erneut: „Wir haben unsere Verantwortung nicht umfassend genug gesehen, der Fehler tut mir leid.“ Parlamentspräsident Antonio Tajani sagte, die Entschuldigung Zuckerbergs „alleine reicht nicht“ und forderte konkrete Verpflichtungen. Facebook droht nun auch rechtlicher Ärger. Der US-Regierungsbezirk Washington DC reichte kürzlich Klage gegen den Konzern ein.

Zahlreiche weitere Pannen bei Datenschutz

Die Cambridge-Analytica-Affäre war aber nicht der einzige Vorfall, der Facebook 2018 beschäftigte. Ende September wurde bekannt, dass durch eine Sicherheitslücke der Zugang zu 30 Millionen Nutzerprofilen ermöglicht wurde – der Vorfall sorgte dennoch für verhältnismäßig wenig Aufsehen, weil dabei „nur“ grundlegende Informationen wie Namen und E-Mail-Adressen entwendet wurden. Im Dezember wurde die nächste Panne publik: Hunderte Apps hatten unerlaubten Zugriff auf Fotos – selbst solche, die nur hochgeladen, aber nicht gepostet wurden.

Whistleblower Christopher Wylie
Reuters/Peter Nicholls
Facebook musste sich nach den Vorwürfen des Whistleblowers Wylie rechtfertigen

Dass kurz vor Weihnachten auch noch bekanntwurde, dass Facebook Daten an andere Unternehmen weitergegeben habe, dürfte den Zuckerberg-Konzern im kommenden Jahr noch beschäftigen. Zu den Partnern, die Zugriff auf detaillierte Informationen über Nutzerinnen und Nutzer bekamen, zählten unter anderen Amazon, Microsoft, Netflix und Apple. Ausgerechnet Apple-Chef Tim Cook hatte zuletzt in einem Interview den Datenhunger zahlreicher Konzerne kritisiert – und sieht darin gar die Meinungsfreiheit bedroht.

Auswirkungen von DSGVO noch unklar

In demselben Interview lobte Cook die im Mai in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU. Diese nahm Unternehmen in die Pflicht, genauer über die Sammlung von persönlichen Daten zu informieren – und richtete sich damit wohl in erster Linie gegen „Datenkraken“ wie Facebook und Google. Die DSGVO sieht hohe Strafen bei Verstößen vor – und Facebook ist bereits mit einigen Beschwerden konfrontiert.

Die Datenpannen sind jetzt Sache der irischen Behörden, ob und welche Strafen verhängt werden, ist jedoch noch unklar. In den USA hat unterdessen die Cambridge-Analytica-Affäre ein gerichtliches Nachspiel: Dort reichte die Hauptstadt Washington D.C. Klage wegen Mängeln beim Datenschutz ein. Das politische und rechtliche Programm für Facebook dürfte damit für das kommende Jahr vorgegeben sein.

Zuwachs abseits des Westens

Die Skandale der letzten Monate wirken sich mittlerweile auch auf das Geschäft des Konzerns aus – zwar gibt es in Europa immer noch rund 375 Millionen Mitglieder, die mindestens einmal im Monat Facebook verwenden. Doch Anfang November gab das Unternehmen bekannt, dass der Dienst das zweite Quartal in Folge jeweils eine Million Nutzer verloren hat.

Weit besser sieht es mit dem Wachstum jedoch abseits des Kerngeschäfts in Nordamerika und Europa aus: Insgesamt stieg die Zahl der aktiven Nutzerinnen und Nutzer zuletzt von 2,23 auf 2,27 Milliarden. Doch gerade in Asien ist die Rolle des Konzerns umstritten – fernab von DSGVO und Bedenken der US-Regierung.

An Orten, an denen Internet und Facebook oft praktisch synonym sind, sorgten Hasspostings, die sich rasant verbreiteten, für Aufruhr. In Myanmar und Indien wird Facebook vorgeworfen, zu wenig gegen falsche Postings und Nachrichten in Messenger-Diensten zu unternehmen, die zu Gewaltverbrechen führten. Facebook kündigte mehrfach Änderungen an, noch Ende August wurde jedoch von der Nachrichtenagentur Reuters kritisiert, dass das Militär in Myanmar das Soziale Netzwerk für seine Zwecke missbraucht.

Tochterunternehmen als Zukunftshoffnung

Für Facebooks Kerngeschäft bedeutet das strauchelnde Wachstum unterdessen, dass mittelfristig umgedacht werden muss: Zum Konzern gehören auch Instagram und WhatsApp – vor allem für letzteren Dienst fehlt jedoch noch immer ein passendes Geschäftsmodell.

Für Formate, die Instagram bietet, darunter die „Stories“, die ihren Weg auch auf Facebook gefunden haben, ist der Anzeigenmarkt noch am Anfang. „Das ist eine Reise, die Jahre und nicht Quartale dauern wird“, sagte Finanzchef Dave Wehner im November. Ob Facebook diese Zeit bleibt, wird wohl schon im kommenden Jahr etwas klarer sein.