Sensationsfund aus 1910

Das älteste „Stille Nacht“-Video der Welt

„Stille Nacht, heilige Nacht“, das berühmteste Weihnachtslied der Welt, hat seit seiner Entstehung vor 200 Jahren Mediengeschichte geschrieben – sogar in der Stummfilmära Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Filmarchiv Austria wurde nun eine Filmrolle aus 1910 gefunden, die die historische Wirkung des Liedes verdeutlicht. In Kooperation mit dem ORF feiert das Filmrelikt am Sonntag seine Online- und TV-Premiere.

Mit technisch einfachsten Mitteln wurden in dem Stummfilm Bilder aus der Weihnachtsgeschichte kombiniert. Das Belegstück zeigt eine phantasievolle Verfilmung eines Krippenspiels im Altarraum einer Kirche und Engel, die einen prunkvoll geschmückten Christbaum enthüllen. Als Hintergrundmusik dient das beliebte Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“.

Die Details der Aufnahme zeigen eine Überblendung des Altarbereichs mit der Krippenszene. Bei der Produktion „wurde die Vision der Krippe aufgebaut und die Szene anschließend doppelt gefilmt“, erklärt Nikolaus Wostry, Geschäftsführer des Filmarchiv Austria, gegenüber ORF.at.

Aufwendiges Tonbild mit Spezialeffekten

„Dabei sind die Details auf der Filmrolle, die man nicht sehen sollte, erst mit Samt abgedeckt worden“, so Wostry weiter. Dann sei noch einmal auf denselben Bildstreifen, der an der abgedeckten Stelle einfach schwarz war, gefilmt worden. So habe man zur damaligen Zeit sehr aufwendig den gewünschten Effekt erzielen können.

„Stille Nacht heilige Nacht“ – Sensationsfund aus 1910

Ein Tonbild aus dem 20. Jahrhundert zeigt eine phantasievolle Verfilmung des „Stille Nacht“-Motivs. Im Filmarchiv Austria wurde der Film aus der analogen Ära gesichert und digitalisiert.

Doch woher wissen die Expertinnen und Experten des Filmarchivs heute, dass der knapp dreiminütige Stummfilm auf das Lied „Stille Nacht“ Bezug nimmt? Indiz dafür sei einerseits, dass es sich bei der Aufnahme um ein Tonbild handle, erklärt Wostry. Tonbilder waren in der Frühzeit des Kinos kurze, meist drei bis vier Minuten dauernde Filme. Das Prinzip basiert auf dem parallelen Abspielen eines Filmstreifens und einer Schallplatte mit der zugehörigen Tonaufnahme.

Startband weist auf Weihnachtslied hin

Für den Zuschauer bzw. die Zuschauerin klar erkennbar ist auch der Titel des Films „Stille Nacht heilige Nacht.“ zu Beginn eingeblendet. „Zusätzlich gibt es auf der Filmrolle ein Startband, das genau zeigt, welche Tonaufnahme synchron zum Bild abgespielt werden soll“, erläutert Wostry die technischen Details von damals. Das Weihnachtslied „Stille Nacht“ sei also eindeutig im Sinne des Regisseurs gewesen.

Aus der Filmgeschichte lasse sich zudem sagen, so der Filmarchiv-Geschäftsführer, dass bei der Premiere im Kino eine Schellackplatte mit der Aufnahme von „Stille Nacht“ auf einem Grammophon abgespielt worden sein musste. Parallel dazu sei die Filmrolle über einen Projektor gelaufen. Synchronpunkte hätten Operateur und Tonbeauftragten gezeigt, wann ihr jeweiliger Einsatz beginnen sollte, so Wostry.

„Stille Nacht“ als „Hauptattraktion“ im Kino?

Die Premiere habe im Kino stattgefunden, das könne man ebenfalls aus der Filmgeschichte herleiten. Zur damaligen Zeit seien in den Kinos häufig mehrere kurze Stummfilme von nur wenigen Minuten gezeigt worden sowie eine „Hauptattraktion“, sagt Wostry. Das für damalige Zeiten aufwendige Tonbild „Stille Nacht heilige Nacht.“ sei vermutlich eine dieser „Hauptattraktionen“ in Kinos gewesen.

Wo die ursprüngliche Kinopremiere stattgefunden habe, wisse man indes nicht genau, heißt es aus dem Filmarchiv. Es dürfte aber im deutschsprachigen Raum gewesen sein, und der Film sei auch in Wien im Einsatz gewesen. Das 1907 gegründete Bioskop-Atelier in Berlin sei Ort der Produktion gewesen. „Die Szenen in der Kirche sind für den Film dort nachgestellt worden“, so Wostry. „Die Ausführenden sind völlig unklar.“ Wer also Regie geführt hat und wer die Schauspielerinnen und Schauspieler sind, gibt den Forscherinnen und Forschern noch Rätsel auf.

Originalmelodie weitgehend erhalten geblieben

Mehr bekannt ist hingegen über die Geschichte des ursprünglichen Gedichts „Stille Nacht, heilige Nacht“, das vom Hilfspriester Josef Mohr geschrieben wurde. Dieser übergab dem Arnsdorfer Dorflehrer und Organisten Franz Xaver Gruber das Schriftstück am 24. Dezember 1818, der die heute weltbekannte Melodie zu den Versen schrieb. Noch in derselben Nacht wurde das Weihnachtslied in der Salzburger Gemeinde Oberndorf im Flachgau uraufgeführt.

„Stille Nacht“ als Tonbild

Aufgrund der jahrelangen Kooperation zwischen ORF und Filmarchiv Austria konnte das Tonbild zu „Stille Nacht“ aus dem Jahr 1910 für die TV-Ausstrahlung renoviert werden.

Zwar werden von den ursprünglich sechs Strophen in der allgemein bekannten Fassung nur die erste, zweite und letzte Strophe gesungen, doch die Originalmelodie von 1818 blieb über die 200 Jahre weitgehend erhalten. Das Weihnachtslied fand, das zeigt die Entdeckung des Filmarchivs Austria nun deutlich, schon sehr früh seinen Weg in den Film. 2011 wurde das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe in Österreich anerkannt.