Alter Turm einer Steinkohlenmine in Bottrop
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Nicht der letzte Akt

Deutschlands halber Ausstieg aus der Kohle

Mit einem Staatsakt hat sich Deutschland am Freitag von der Steinkohle verabschiedet. Schauplatz war das Bergwerk Prosper-Haniel im Ruhrgebiet, das letzte noch aktive. Allerdings ist der Abschied von der Kohle nur ein halber: Künftig wird Steinkohle importiert und weiter in Kraftwerken verbrannt, Braunkohle wird weiter gefördert, und wie die Zeit danach aussehen soll, ist auch noch nicht klar.

Freitagnachmittag jedenfalls wurde – symbolisch – das letzte Stück Steinkohle abgebaut und an den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier überreicht. In Bottrop wurde über 150 Jahre lang Kohle abgebaut. Nun gehe ein „großes Kapitel deutscher Industriegeschichte“ zu Ende, sagte der Ministerpräsident des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU).

„Gerade hier in Nordrhein-Westfalen haben wir der Steinkohle, dem ‚schwarzen Gold‘, so viel zu verdanken: Hunderttausende Arbeitsplätze, Wohlstand für viele Familien und eine Energieversorgung, die die Industrie in unserem Land erst so stark gemacht hat“, sagte Laschet. „Das Zeitalter der Kohle ist eine Erfolgsgeschichte“, betonte er – die ist aber nicht erst jetzt vorbei.

Ein Plakat mit der Aufschrift „Danke Kumpel“ vor der Mine in Bottrop
Reuters/Wolfgang Rattay
Die Tore zum Bergwerk bleiben seit Freitag geschlossen

Tausende Jobs plötzlich weg

Vereinbart wurde das Aus für die Steinkohleförderung von der deutschen Bundesregierung, den Kohleländern Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) bereits im Jahr 2007.

Etwa 33.000 Bergleute und andere Mitarbeiter waren damals auf den Zechen, wie die Bergwerke im Ruhrgebiet genannt werden, beschäftigt. Zuletzt waren es nur noch rund 3.500. Aufgefangen wurde der Personalabbau von großzügigen Sozialplänen. Trotzdem ist der wirtschaftliche Strukturwandel für die betreffenden Regionen nicht einfach zu bewältigen.

Eher Frage der Rentabilität

Wettbewerbsfähig war der deutsche Kohlebergbau schon lange nicht mehr. Gut eine Milliarde Euro Kohlesubventionen pro Jahr fielen zuletzt an, um die Preisdifferenz zum Weltmarkt auszugleichen. Allein von 1996 bis heute sind nach Angaben des deutschen Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) umgerechnet rund 61 Mrd. Euro als Absatz- und Stilllegungsbeihilfen aus den Haushalten des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen geflossen. Die Klimaproblematik ist also nicht die erste Antriebsfeder.

Mit der Schließung des letzten Bergwerks ist der Einsatz der Steinkohle in Deutschland aber nicht zu Ende. Bei der Stromerzeugung und in den Stahlwerken wird sie künftig komplett durch Importkohle ersetzt. Wie viel Steinkohle in den kommenden Jahren in die Stromerzeugung fließt, dürfte auch von den Ergebnissen der Beratungen der Kohlekommission abhängen. Sie befasst sich mit den Ausstiegsszenarien, auch aus der Braunkohle.

Immer noch viel Strom aus Kohle

2018 hat Steinkohle noch mit 13 Prozent zur deutschen Stromerzeugung beigetragen. Zuletzt kam es in Nordrhein-Westfalen zum Konflikt mit Umweltaktivisten, die den Hambacher Forst besetzt hatten. Dutzende Baumhäuser wurden von der Polizei geräumt, der Energiekonzern RWE AG will den Wald teilweise abholzen, um den dortigen Braunkohletagebau zu erweitern.

Frank-Walter Steinmeier
AP/Martin Meissner
Steinmeier nimmt das letzte Stück Kohle entgegen. Rechts: EU-Kommissionspräsident Juncker

Der Festakt am Freitag fiel auf jeden Fall auch emotional bzw. sentimental aus. „Bergleute fördern das letzte Stück Kohle zutage und übergeben es an den Bundespräsidenten. Gemeinsames Singen des Steigerliedes, begleitet durch den Ruhrkohle-Chor“, hieß es im Programm für die Abschlussveranstaltung mit etwa 500 geladenen Gästen.

Auch ein bisschen Nostalgie

„Dieses Land braucht wieder mehr Kumpelkultur“, forderte der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis. Die große Solidarität und das Miteinander der Bergleute seien legendär. Neben Steinmeier und Laschet hatte sich auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Bottrop angekündigt. Er hob die europäische Dimension des Bergbaus hervor. Ohne Kohle und Stahl hätte es den Aufbruch zur europäischen Einigung nicht gegeben. „Kohle und Wohlstand sind untrennbar“, so der EU-Kommissionspräsident vor Beginn des Festakts.

1951 hatten Frankreich, Italien, die damalige Bundesrepublik und die Beneluxländer den Bergbau sowie die Eisen- und Stahlindustrie einer europäischen Aufsicht unterstellt. Die Montanunion gilt als Keimzelle der EU.