Polizisten stehen in Dhaka (Bangladesch) vor einer Schlange mit Wählern
APA/AFP/Munir Uz Zaman
Bangladesch

Gewalt überschattet Wahl

Begleitet von blutiger Gewalt ist in Bangladesch ein neues Parlament gewählt worden. Bis zur Schließung der Wahllokale am Sonntagabend wurden mindestens 17 Menschen getötet, die meisten von ihnen bei Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Anhängern wohl weiter regierenden Awami League und der Oppositionspartei BNP.

Der Fernsehsender Channel 24 meldete am Sonntag auf Grundlage eingehender landesweiter Auszählungsergebnisse, die Awami League und ihre Verbündeten hätten bereits 191 von insgesamt 300 Parlamentssitzen errungen, die Opposition lediglich fünf. Die Opposition klagte unterdessen über Wahlbetrug und forderte Neuwahlen.

Ein Verdacht auf Unregelmäßigkeiten wurde auch von der Wahlkomission bestätigt. „Es gibt Vorwürfe aus dem ganzen Land, wegen denen ermittelt wird“, sagte Sprecher SM Asaduzzaman der Nachrichtenagentur Reuters. „Wenn wir eine Bestätigung aus unseren eigenen Kanälen erhalten, werden Maßnahmen gemäß den Regeln ergriffen.“

Berichten zufolge zogen mehr als drei Dutzend Bewerber der Opposition ihre Kandidatur zurück und begründeten das mit den Betrugsvorwürfen. Mindestens drei Wähler im Südosten des Landes, darunter ein Journalist, gaben an, dass sie am Betreten ihres Wahllokales gehindert worden seien oder dass ihre Wahlzettel bereits abgegeben worden seien. Reuters-Reportern zufolge zeichnete sich eine geringe Wahlbeteiligung ab.

Wahl unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen

Der Urnengang fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt, da bereits der Wahlkampf von Gewalt überschattet war. Rund 600.000 Sicherheitskräfte waren im ganzen Land im Einsatz, auch in den 40.000 Wahllokalen. Die bittere Feindschaft zwischen Awami League und BNP prägt seit vielen Jahren die Politik des armen 165-Millionen-Einwohner-Landes in Südasien.

Sicherheitsbeamte mit Wahlurnen in Dhaka (Bangladesch)
APA/AFP/Munir Uz Zaman
Die Wahl wurde von extremen Sicherheitsvorkehrungen begleitet

Noch vor Öffnung der Wahllokale gingen vor einem Wahllokal im Bezirk Rangamati im Südosten des Landes zwei Gruppen mit Macheten, Messern und Stöcken aufeinander los, wie Polizeisprecher Alamgir Kabir laut dpa sagte. Soldaten hätten die Lage beruhigt, nachdem ein Unterstützer der Regierungspartei gestorben sei. Zehn Menschen seien verletzt worden.

An einigen Orten wurde die Stimmabgabe wegen der Gewalt unterbrochen. Ein Wahllokal blieb geschlossen, weil die Stimmzettel gestohlen worden waren. Die Behörden unterbrachen nach Angaben der Telekommunikationsbehörde in ganz Bangladesch den Zugang zu mobilem Hochgeschwindigkeitsinternet, um die Verbreitung von Gerüchten zu unterbinden.

Oppositionskandidat erstochen

Unter den Todesopfern befindet sich offenbar auch ein Politiker der oppositionellen BNP. Ein Kandidat aus Dhaka sei BNP-Angaben zufolge am Wahltag erstochen worden. Zehn Menschen wurden nach Polizeiangaben bei Zusammenstößen getötet. Drei weitere Menschen wurden von der Polizei erschossen – einer von ihnen hatte den Angaben zufolge versucht, eine Wahlurne zu stehlen. In der Stadt Bashkhali schossen Polizisten auf Oppositionsanhänger, die ein Wahllokal stürmen wollten. Nach Polizeiangaben wurde zudem ein Hilfspolizist von Oppositionsanhängern getötet.

Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern von Regierung und Opposition waren in den vergangenen Wochen bereits 13 Menschen getötet und Tausende verletzt worden. Nach Angaben der Opposition wurden seit der Ankündigung der Wahl im November zudem mehr als 15.000 Regierungsgegner festgenommen. Auch Oppositionsführerin Khaleda Zia von der BNP sitzt wegen Korruptionsvorwürfen in Haft.

Erbitterte Rivalität und Feindschaft

Zia und Premierministerin Hasina pflegen eine erbitterte Feindschaft, die das Land immer wieder politisch lähmt. Seit mehr als 25 Jahren wechselten sich die Rivalinnen an der Regierungsspitze ab. In den vergangenen Jahren hatte Hasina die Oberhand, sie regiert seit 2009.

Nach der Wahl kann die 71-jährige Hasina nun mit ihrer dritten Amtszeit in Folge rechnen – ihrer vierten insgesamt. Wie der Fernsehsender Channel 24 unter Berufung auf erste Auszählungsergebnisse berichtete, hat ihre Partei die ersten 29 der insgesamt 300 Parlamentssitze gewonnen – manche mit einem Vorsprung von Zehntausenden Stimmen. In diesen ausgezählten Wahlkreisen fiel kein einziger Sitz an die Opposition. Das offizielle Ergebnis soll am Montag bekanntgegeben werden.

Wachsende Wirtschaft und autoritärer Stil

Hasina wird zugute gehalten, dass sie das Wirtschaftswachstum angekurbelt und Hunderttausende Rohingya-Flüchtlinge aus dem Nachbarland Myanmar aufgenommen hat. Kritiker werfen ihr vor, sich mit einem autoritären Regierungsstil, strengen Mediengesetzen und einer Unterdrückung der Opposition an der Macht zu halten.

Die Parlamentswahl 2014 hatte die Opposition boykottiert, weil sie Fälschungen fürchtete. Diesmal nahm sie an der Abstimmung teil, klagte aber über massive Behinderungen und Wahlbetrug. Ein BNP-Sprecher sagte, es habe bei der Vergabe von 221 der 300 Parlamentssitze „Unregelmäßigkeiten“ gegeben. Wähler seien daran gehindert worden, die Wahlkabinen zu betreten. Vor allem Frauen seien dazu gezwungen worden, für die Awami League zu stimmen.

„Lächerliches Ergebnis“

Der BNP-Spitzenkandidat Kamal Hossain wies das Wahlergebnis daher zurück. „Wir fordern die Wahlkommission auf, dieses lächerliche Ergebnis umgehend für ungültig zu erklären“, sagte der Oppositionsführer. Er verlangte, so schnell wie möglich eine neue Abstimmung unter der Aufsicht einer „neutralen Regierung“ anzusetzen.

Auch die mit der BNP verbündete islamistische Partei Jamaat-e-Islami kündigte an, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Ein Sprecher der Wahlkommission sagte, es habe „einige“ Beschwerden über Unregelmäßigkeiten gegeben, die nun geprüft würden.