US-Präsident Donald Trump
Reuters/Jim Young
Syrien

US-Truppenabzug könnte sich verzögern

Donald Trump hat am Sonntag (Ortszeit) erneut für Verwunderung gesorgt. Der US-Präsident erwägt nach Angaben des republikanischen Senators Lindsey Graham nun doch eine Verzögerung des Abzugs der US-Truppen aus Syrien – zumindest bis die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vollständig besiegt ist.

„Der Präsident versteht die Notwendigkeit, die Arbeit zu Ende zu bringen“, sagte Graham am Sonntag nach einem zweistündigen Gespräch mit dem Präsidenten in Washington. Bei dem Treffen im Weißen Haus habe ihm der Präsident „Dinge gesagt, die ich nicht wusste und die mir ein viel besseres Gefühl dazu geben, worauf wir in Syrien zusteuern“, sagte Graham. Er gehe davon aus, dass Trump entschlossen ist, den IS vor dem Truppenabzug „vollständig“ zu besiegen.

Scharfe Kritik an Trumps Abrüstungsplänen

Trump denke „lang und hart“ über Syrien und den Ablauf des Truppenrückzugs nach, sagte Graham weiter. Dabei spiele für Trump auch der Schutz der mit den USA verbündeten kurdischen Milizen eine Rolle. Die Kurden im Norden Syriens fürchten nach dem Abzug der US-Truppen eine weitere Offensive der Türkei. Außerdem solle der Iran nicht der „große Gewinner“ des Rückzugs der USA werden.

Der US-Präsident hatte am 19. Dezember den vollständigen Abzug der rund 2.000 US-Soldaten aus Syrien angekündigt und erklärt, der IS sei „weitgehend besiegt“. Die überraschende Ankündigung stieß nicht nur bei den Verbündeten Washingtons im Kampf gegen den IS auf Unverständnis, sondern löste auch in den USA scharfe Kritik aus. Trumps Vorgangsweise hat auch Auswirkungen auf sein Kabinett: US-Verteidigungsminister James Mattis scheidet unter anderem wegen unterschiedlicher Auffassung in der Syrien-Frage zum Jahreswechsel aus seinem Amt aus.

Graham: Entscheidung ist „großer Fehler“

Graham hatte Trump vor dem Treffen aufgefordert, den Truppenabzug zu überdenken. Im Fernsehsender CNN sagte Graham, der IS sei noch nicht besiegt. Es müsse sichergestellt werden, dass die Dschihadistenmiliz „niemals“ zurückkehre. Er wollte Trump auffordern, darüber mit seinen Generälen zu beraten. Graham hatte Trumps Entscheidung bereits zuvor als „großen Fehler“ bezeichnet.

US-Senator Lindsey Graham gibt nach dem Treffen mit US-Präsident Donald Trump eine Stellungnahme ab
AP/Pablo Martinez Monsivais
War Graham vor dem Treffen mit Trump den Abzugsplänen noch skeptisch gegenüber, zeigte er sich danach zuversichtlicher

Wenn die US-Truppen jetzt abzögen, würden die Kurden „massakriert“, sagte der Senator. Und „wenn wir die Kurden im Stich lassen und sie massakriert werden, wer wird uns künftig helfen?“, fügte er hinzu. Der frühere Kritiker Trumps, der jetzt als sein Vertrauter gilt, warnte außerdem davor, Syrien den Iranern zu „übergeben“. Nach seinen Worten wäre das für Israel ein „Albtraum“.

Trump will „Überbleisel des IS bekämpfen“

Trump verteidigte am Montag unterdessen seine Entscheidung. Er habe damit Wahlkampf gemacht, die Soldaten aus Syrien und anderen Orten abzuziehen, schrieb Trump auf Twitter. Er tue das, was er gesagt habe. „Wenn irgendjemand anderes als Donald Trump das getan hätte, was ich in Syrien getan habe, (…) wäre er ein nationaler Held“, erklärte der Präsident.

Dem US-Präsidenten zufolge sei der IS „weitgehend verschwunden“. Aus diesem Grund werde er nun langsam auch die US-Soldaten heim zu ihren Familen schicken, „während wir gleichzeitig Überbleibsel des IS bekämpfen“. Einen Zeitplan dafür gibt es noch nicht – in Medienberichten war bisher von wenigen Monaten die Rede.

„USA können nicht weiter Weltpolizist sein“

Bei seinem Besuch im Irak verteidigte Trump die Syrien-Entscheidung noch. „Die Vereinigten Staaten können nicht weiter der Weltpolizist sein“, sagte er am Mittwoch. Es sei nicht fair, wenn allein die Vereinigten Staaten diese Last trügen.

Um das, was in Syrien noch vom IS übrig sei, müssten sich nun die Türkei und andere Länder der Region kümmern. Auch in Afghanistan will Trump die Truppenstärke wohl stark reduzieren, was ebenfalls auf viel Unverständnis und Kritik stößt.

Abstimmung zwischen Russland und Türkei

Der angekündigte US-Rückzug könnte ein Machtvakuum vor allem im Norden Syriens hinterlassen. Dort sind kurdische Milizen aktiv, welche die Regierung in Damaskus aus Furcht vor einer türkischen Offensive nach dem geplanten Abzug der US-Truppen um Hilfe gebeten haben. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) hatten den IS bisher mit Unterstützung des US-Militärs bekämpft.

Angesichts der Abzugspläne Washingtons hatten sich Russland und die Türkei am Samstag zu einer engen Abstimmung ihrer künftigen Einsätze in Syrien abgesprochen. In die Kooperation soll auch der Iran einbezogen werden.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aber zu einem besonnenen Vorgehen im Nachbarland Syrien aufgerufen. Merkel habe in einem Telefonat mit Erdogan die Erwartung geäußert, „dass die Türkei mit Zurückhaltung und Verantwortung auf den angekündigten Rückzug der US-Truppen aus Syrien reagieren werde“, erklärte Vizeregierungssprecherin Martina Fietz am Sonntag in Berlin.

Irak deutet größere Rolle in Syrien an

Indes will der Irak im Nachbarland eine größere Rolle bei der Bekämpfung von Islamisten spielen. Der irakische Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi sagte am Sonntag, dass sich Vertreter aus Bagdad mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in Damaskus getroffen hätten.

„Sollte es in Syrien zu einer negativen Entwicklung kommen, würde uns das betreffen. Wir haben eine 600 Kilometer lange Grenze mit Syrien, und der IS ist dort“, sagte Abdel Mahdi. Der Irak wolle mit dem Gespräch die Initiative ergreifen und nicht die Folgen des US-Abzugs ausbaden müssen. Medienberichten zufolge soll der Besuch bereits am Samstag stattgefunden haben.

Der Irak könnte nach Worten von Abdel Mahdi über die bisherige Vereinbarung mit Syrien hinausgehen, wonach das Land Luftangriffe gegen IS-Extremisten auf syrischen Gebiet führe. Details nannte er zunächst nicht. Sein Land könne am besten mit den Gruppen fertig werden, die in Syrien agierten.