Polizeiauto am Tatort in Bottrop
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Deutschland

Haftbefehl nach Anschlag mit Auto

Nach einem mutmaßlich fremdenfeindlichen Anschlag mit einem Auto im deutschen Ruhrgebiet ist Haftbefehl wegen mehrfachen versuchten Mordes gegen einen 50-jährigen Mann aus Essen erlassen worden. Das haben Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitgeteilt. Er soll seinen Wagen auf seiner Fahrt in Bottrop und in Essen bewusst mehrfach auf feiernde Menschen zugesteuert haben.

Dabei verletzte der Täter in der Silvesternacht insgesamt acht Menschen – darunter Syrer und Afghanen. Staatsanwaltschaft und Polizei sprachen von einem „gezielten Anschlag“. „Es gab die klare Absicht von diesem Mann, Ausländer zu töten“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul nach den ersten Vernehmungen des Festgenommenen. „Bereits bei seiner Festnahme äußerte sich der Fahrer mit fremdenfeindlichen Bemerkungen.“

In mehrere Menschengruppen gefahren

Reul bestätigte, dass der Täter bewusst an vier verschiedenen Orten in insgesamt vier Menschengruppen gefahren sei, die größtenteils aus Ausländern bestanden. Der Fall müsse „sehr ernst genommen werden“, es werde mit Hochdruck ermittelt. Zudem sei offensichtlich, dass der aus Essen stammende Mann psychische Erkrankungen gehabt habe – er ist nach bisherigen Erkenntnissen polizeilich bislang nicht in Erscheinung getreten.

Eine 46-jährige Frau aus Syrien habe zeitweilig in Lebensgefahr geschwebt, wie es offiziell hieß. Aktuell bestehe nach einer erfolgreichen Notoperation aber keine Lebensgefahr mehr, teilten die Ermittler am Mittwoch mit. Der 48-jährige Ehemann der Frau und die beiden 16- und 27-jährigen Töchter wurden bei der Attacke ebenfalls verletzt. Weiterhin mussten ein Vierjähriger und seine 29-jährige Mutter aus Afghanistan sowie ein zehnjähriges Mädchen aus Syrien ärztlich behandelt werden.

Absperrung in Bottrop
APA/dpa/Marcel Kusch
Die Tatorte wurden von der Polizei weiträumig abgesperrt

Laut Zeugen langsam durch Innenstadt gefahren

Die Menschen hätten kurz nach Mitternacht ausgelassen den Jahreswechsel gefeiert, schilderte ein Augenzeuge am Dienstag die Ereignisse auf dem zentralen Berliner Platz von Bottrop. Dann zeigte er ein Video: Zu sehen ist das Auto, das in die Menschenmenge fährt. Es rollt vergleichsweise langsam, dadurch können sich noch relativ viele Menschen in Sicherheit bringen.

Ein erster Zeuge wurde nach Darstellung der Behörden um 0.03 Uhr auf ein silbernes Fahrzeug aufmerksam. Auf einer Zufahrtsstraße zur Bottroper Innenstadt sei das Auto plötzlich auf den Fußgänger zugefahren, berichten die Ermittler. Doch der Passant konnte sich retten.

„Stehen zusammen gegen rechte Gewalt“

Das Auto sei dann weiter in Richtung Stadtzentrum gefahren, und wenig später kam es zu dem folgenschweren Zwischenfall auf dem Berliner Platz. Wie genau die Tat dort abgelaufen ist, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Anschließend sei der 50-Jährige nach Süden in Richtung Essen geflüchtet. Dort habe er erneut versucht, gezielt in eine Menschengruppe zu fahren, die an einer Bushaltestelle stand. Verletzt wurde dabei niemand.

„Vielleicht sind Leute weggerannt, vielleicht hat das aus anderen Gründen nicht funktioniert. All das zu klären, ist jetzt unsere Aufgabe“, sagte eine Polizeisprecherin. Der Bottroper Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD) zeigte sich „entsetzt und tief getroffen“ von dem Vorfall. Er hoffe, dass die Verletzten bald genesen würden.

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erklärte anlässlich des Anschlags in Bottrop auf Twitter, der Kampf gegen den Hass auf andere Menschen werde mit allen Mitteln des Rechtsstaats engagiert fortgesetzt. „An diesem Neujahrstag gilt der Vorsatz für 2019 klarer denn je: Wir stehen zusammen gegen rechte Gewalt.“

Deutsche Regierung verurteilt Attacken

Die deutsche Regierung verurteilte die Attacken aus Fremdenhass im Ruhrgebiet scharf – ebenso wie die Prügelangriffe von Asylsuchenden in Amberg. Die Bundesregierung habe beide Taten „mit Bestürzung zur Kenntnis genommen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz am Mittwoch in Berlin.

Im bayrischen Amberg hatten vier Tatverdächtige im Alter von 17 bis 19 Jahren aus Syrien, Afghanistan und dem Iran am Samstagabend unter Alkoholeinfluss Passanten unvermittelt geschlagen. Zwölf Menschen wurden meist leicht verletzt, ein 17-Jähriger wurde wegen einer Kopfverletzung stationär ins Krankenhaus aufgenommen. Gegen vier Beschuldigte wurde Haftbefehl erlassen.

„Jede Art der Gewalt zu verurteilen“

Es gebe in Deutschland keinen Platz für Extremismus und Intoleranz, egal von welcher Seite ein solches Verhalten komme. Fietz argumentierte angesichts einer Diskussion darüber, wie diese Vorgänge zu bewerten seien, es sei „wenig sinnvoll“, auf Begrifflichkeiten einzugehen und semantische Debatten zu führen. Jede Art der Gewalt sei zu verurteilen, sagte Fietz.

Nach Darstellung eines Sprechers des Innenministeriums will Ressortchef Horst Seehofer (CSU) die von ihm angekündigten Gesetzesänderungen unter anderem zur Verbesserung der Abschiebung von straffälligen Asylwerbern in den nächsten Wochen vorlegen. Ob die Attacken eines Deutschen in Bottrop gesetzliche Änderungen erforderlich machten, sei nicht abzusehen.

Der Sprecher wollte die Tat in Bottrop nicht als Terrorakt bezeichnen. Es handle sich um die kriminelle Tat eines Einzelnen, deren Hintergrund die Ermittlungsbehörden noch weiter aufklären müssten. Nach den Prügelattacken hatte Seehofer seine Absicht bekräftigt, die Abschieberegeln zu verschärfen. Der Sprecher des deutschen Innenministeriums sprach von „verabscheuungswürdigen Taten“, die nicht toleriert werden könnten.