BVT-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
BVT-U-Ausschuss

ÖVP-Datenbank wirft neue Fragen auf

Noch am Vortag haben sich die Oppositionsparteien über die Ladungen im BVT-U-Ausschuss aufgeregt und bewusste Verzögerung durch ÖVP/FPÖ geortet, am Mittwoch hat ein Zeuge dann aber völlig unerwartet aufsehenerregende Details geliefert. Ein Ermittler aus dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung berichtete von einer ÖVP-Datenbank, die beim mittlerweile entlassenen BVT-Spionagechef Bernhard P. gefunden wurde. Die ÖVP sieht keinen Skandal und sagt, dass keine Daten aus dem BVT in die ÖVP gelangten. Auch wird dementiert, dass der Ex-Spionagechef Zugriff auf die Datenbank hatte.

Werner B., der von der Korruptionsstaatsanwaltschaft für die BVT-Ermittlungen angefordert wurde, führte aus, dass es sich um eine Datenbank handle, zu der ÖVP-Mitglieder mittels Log-in Zugang gehabt hätten. Aufrufbar war die Datenbank über eine Suchmaske auf einer Subdomain der ÖVP-Website. Nicht beantworten konnte B. freilich, ob P., der inzwischen gefeuert wurde und gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt, auch selbst etwas zu der Datenbank beigetragen hat.

Es wird vermutet, dass P. – wie gesagt ehemaliger Spionagechef im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung – Infos eingespeist haben könnte. Auch gibt es die Annahme, dass P. Infos aus der Datenbank entnommen haben könnte. Enthalten hat die Datenbank Informationen aus der Wählerevidenz. Diese ist für Parteien zwar frei zugänglich, doch war sie in diesem Fall um zusätzliche Daten wie Telefonnummern und E-Mail-Adressen ergänzt.

Werner Biller
ORF.at/Peter Pfeiffer
Ermittler B. erzählte recht offen über die laufenden Ermittlungen

Daten aus ÖVP-Landesorganisation oder ÖAAB

Gekommen waren die Daten laut dem Ermittler ursprünglich wohl aus einer ÖVP-Landesorganisation oder dem Österreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund (ÖAAB). Der Ermittler beschrieb P. im Ausschuss jedenfalls als den „Datensammler schlechthin“ – er sei über das „normale Maß hinausgehend“ aktiv gewesen. Bei der Durchsuchung der Datenbestände von P. auf dessen Dienstrechner sei man auf Hunderte, Tausende Datensätze gestoßen. Auch waren Ordner laut dem Ermittler mit dem Anschein nach unverfänglichen Bezeichnungen versehen – etwa „Weihnachten“.

Eingetragen waren laut B. Führungskräfte unter anderem auch aus der Justiz, der Exekutive und ehemalige Minister und auch unbeteiligte Bürger. Warum die ÖVP diese Domain betrieben hat, ist noch Gegenstand der Ermittlungen – auch mit welchem Ziel die Datenbank betrieben wurde, ist laut Ermittler B. noch nicht klar.

Amon sieht „großen Skandal nicht“

Werner Amon, ÖVP-Fraktionsführer im BVT-Ausschuss, erklärte, die Darstellung von Jetzt-Fraktionsführer Peter Pilz, wonach die ÖVP mit Hilfe eines BVT-Mitarbeiters ihre Datenbank aufgefettet habe, sei falsch. „Das Gegenteil ist der Fall“, meinte Amon: Es seien auf dem Computer des früheren Spionagechefs Daten gefunden worden, „die offensichtlich aus der Personaldatenverarbeitung der ÖVP stammen“.

Werner Amon (ÖVP) zu Gast in der ZIB2

ÖVP-Fraktionsführer im BVT-U-Ausschuss Werner Amon sprach am Mittwochabend über die bekanntgewordene ÖVP-Datenbank.

„Ich sehe da den großen Skandal nicht“, so Amon. Jede Partei habe Zugriff auf die Wählerevidenz. Wie der BVT-Beamte dazu gekommen sei, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Man könne ausschließen, dass P. auf die ÖVP-Datenbank Zugriff hatte oder Daten eingespeist habe, so Amon. Offenbar seien – auf welchem Weg auch immer – Daten zum BVT-Referatsleiter P. geflossen. Das müsse man sich anschauen, es sei sogar fraglich, ob das überhaupt illegal sei.

Vorfall jedenfalls „aufklärungswürdig“

Pilz hingegen fragte sich nach der Befragung gegenüber Journalisten, wie und warum die Wählerevidenzdaten beim „ÖVP-Vertrauensmann“ im BVT gelandet seien. „Wozu sind diese Daten ans BVT weitergeleitet worden?“, fragte er. Man könne zwar nicht wissen, was bei den Untersuchungen herauskomme, aber der Vorfall sei jedenfalls „aufklärungswürdig“. Gleichlautend äußerte sich SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer. Die Bürger hätten ein Recht darauf zu erfahren, was die ÖVP mit ihren Daten mache.

Peter Pilz
ORF.at/Peter Pfeiffer
Pilz vor Journalisten: „Wieso sind Wählerevidenzdaten ans BVT weitergeleitet worden?“

„Alte ÖVP hat massiven Aufklärungsbedarf“

FPÖ-Fraktionsführer Hans-Jörg Jenewein wiederum sah das nun FPÖ-geführte Innenministerium bei dessen robuster Vorgangsweise entlastet – nämlich dadurch, dass B. betont hatte, dass es zur Manipulation eines Akts im BVT gekommen sei. Genau das – dass so etwas möglich sei – sei jedoch immer bestritten worden. Via Twitter teilte Jenewein mit, die Erkenntnisse für so schwerwiegend zu halten, „dass die alte ÖVP hier massiven Aufklärungsbedarf hat“.

Für NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper hat Befragung ein weiteres interessantes Detail hervorgebracht, nämlich, dass von den Ermittlern die Postenbesetzung des ÖVP-nahen P. zum BVT-Spionagechef geprüft werde.

ÖVP: P. hatte keinen Zugriff auf Adressdatenbank

Aus der ÖVP wurde bestätigt, dass die Partei ihre Personendatenbank (PDV) mit der Wählerevidenz abgleicht. Wie Kommunikationschef Jochen Prüller sagte, sei diese Vorgehensweise allerdings laut Wählerevidenzgesetz zulässig und stehe auch den anderen Parteien offen. Außerdem betonte Prüller, dass der frühere BVT-Mitarbeiter P. keinen Zugriff auf diese Daten gehabt habe.

Die ÖVP habe angesichts der Aussagen im U-Ausschuss überprüft, ob der frühere BVT-Spionagechef zum Zugriff auf die Personendatenbank der ÖVP berechtigt war. „P. hatte nie die Berechtigung für die Adressverwaltung“, versicherte Prüller. Auch habe P. keine Möglichkeit gehabt, Daten in das System einzuspeisen.

Private Personenliste gefunden

Beim beschuldigten Ex-BVT-Spionagechef habe man eine geheime Liste mit Hunderten Personendaten von Politikern, Staatsanwälten und Privatpersonen gefunden, berichtet der Chefermittler im U-Ausschuss.

Dass der mit dem ÖVP-Abgeordneten Werner Amon befreundete frühere BVT-Mitarbeiter den Account eines zum Zugriff auf die Datenbank berechtigten ÖVP-Funktionärs mitbenutzt haben könnte, konnte Prüller zwar nicht ausschließen. Er habe aber keine Informationen darüber, sagte der Parteisprecher. Außerdem stehe der Zugriff auf die Wählerevidenz auch den anderen Parteien offen, so Prüller.

„Akt im BVT elektronisch manipuliert“

Doch auch in einer weiteren Angelegenheit unterstützte der Ermittler Vermutungen über ein „schwarzes Netzwerk“ im BVT: Besprochen wurde dazu eine Angelegenheit, in der auch die Staatsanwaltschaft noch ermittelt, und zwar gegen den langjährigen Kabinettschef mehrerer ÖVP-Minister, Michael Kloibmüller. Dieser soll gegenüber einer Luxemburger Bank ein Gefälligkeitsschreiben für einen angeblichen Geheimagenten aus Deutschland übermittelt haben.

Nach entsprechenden Nachfragen der Luxemburger Behörden in Wien, unter anderem im BVT, stellte sich heraus, dass Kloibmüller im Gegensatz zu ursprünglichen ersten Aussagen diesen Brief tatsächlich verfasst hatte. Ermittler B. legte aber im U-Ausschuss nach und sagte, dass der entsprechende Akt im BVT elektronisch manipuliert worden sei.

Anwalt P.s weist Vorwürfe zurück

Der Anwalt des ehemaligen Spionagechefs im BVT weist alle gegen seinen Mandanten gerichteten Verdachtsmomente zurück. P. habe weder Informationen in eine ÖVP-Datei eingespeist noch eine betrieben noch Akten manipuliert. Es gebe dafür auch keine Beweise, sondern nur in die Öffentlichkeit getragene Interpretationen und Wertungen eines Ermittlers, der dem Ausschuss auch mitgeteilt habe, dass Ermittlungen ohnehin noch laufen würde, schreibt Anwalt Otto Dietrich in einer Stellungnahme an die APA. Überdies seien die Vorwürfe nicht neu, sondern bereits 2017 erhoben worden.

Pilz stellt Vorwürfe gegen Sobotka in den Raum

Auch der frühere Innenminister Wolfgang Sobotka, heute Nationalratspräsident, kam am Mittwoch ins Visier des Ausschusses. Pilz legte nahe, dass dieser, nachdem er einen Ermittlungsakt aus dem Staatsarchiv angefordert habe, das Dokument seinem früheren Spitzenbeamten Kloibmüller zur Verfügung gestellt habe. Beweisen konnte Pilz das freilich nicht. Allerdings wurde von B. bestätigt, dass Kloibmüller Zugriff auf einen ihn betreffenden Akt gehabt habe, obwohl er bereits aus dem Bundesdienst ausgetreten war.

Sobotka wollte Pilz’ Mutmaßungen nicht kommentieren. Er äußere sich auch weiterhin nicht zu Inhalten, sagte der ehemalige Innenminister zur APA, aber: „Was von Ausschüssen angefordert wird, wird übergeben.“ Bei der Übermittlung des Akts an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) habe es sich um einen „ganz normalen Vorgang“ gehandelt. Im Sommer sei von dort die Aufforderung gekommen, ein bestimmtes Schriftstück aus den Kabinettsakten, die sich im Staatsarchiv befinden, vorzulegen. Diesem Auftrag sei auch „umgehend ordnungsgemäß entsprochen“ worden.

Zweite Befragung ging ins Leere

Für die Untersuchung gänzlich unbedeutend verlief die Befragung einer Mitarbeiterin der Rechtsabteilung des BVT im U-Ausschuss. Warum sie eigentlich da war, erschloss sich aus ihrem Auftritt nicht: Sie gab zu den meisten Fragen an, keine Wahrnehmung dazu zu haben, oder weigerte sich überhaupt, Fragen zu beantworten, die ihrer Meinung nach nicht zu ihrer Ladung passten.