AKW in Dauphin County
Reuters/Carlo Allegri
Seuchen, AKWs und Giftgas

USA für große Katastrophen nicht gerüstet

US-Präsident Donald Trump befindet sich im selbst gewählten Kampf gegen seine Behörden. Laut dem Buch „The Fifth Risk“ (deutscher Titel: „Erhöhtes Risiko“) des US-Journalisten Michael Lewis will Trump damit den von ihm bereits im Wahlkampf permanent attackierten Staat schwach dastehen lassen. Doch die USA machen dabei eine gefährliche Flanke weit auf.

Das Land ist nicht mehr für große Krisen und Katastrophen gerüstet, wie Lewis in seinem Buch zeigt. Die Aufgaben von Regierungen sind vielfältig und die Bürokratie sehr komplex, doch neben anderen kristallisiert sich dabei eine grundsätzliche Aufgabe heraus: die Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen und vor möglichen Katastrophen, Anschlägen und anderen Notfällen zu schützen. Und Lewis attestiert der US-Regierung von Trump, gerade dafür in keiner Weise gerüstet zu sein.

So seien die US-Regierung und dadurch auch die Behörden etwa nicht auf die Verbreitung von Atomwaffen, große, weiterreichende Unfälle etwa in Atomkraftwerken, Verbreitung von Seuchen und große Naturkatastrophen sowie die Verteilung von Hilfe an Bedürftige in eben derartigen Notfällen und Katastrophen schlecht bis gar nicht gerüstet, wie Lewis schreibt.

US-Präsident Donald Trump
Reuters/Kevin Lamarque
US-Präsident Trump richtet laut Lewis mehr an, als man auf den ersten Blick erkennen kann

Von Seuchen bis Giftgasattacken

Doch auch alltägliche dauerhafte Aufgaben wie etwa die Verteilung von Essensmarken und die Durchsetzung von Qualitätskriterien bei Schulessen funktioniere nicht in dem gewohnten Maße, wie Lewis schreibt. Er unterstellt der Regierung unter Trump auch einfach Desinteresse an den staatlichen Aufgaben und Was-wäre-wenn-Szenarien wie eben etwa einem Plutoniumaustritt von einem der US-AKWs in einen Fluss, dem Verfall des US-Wetterservices mit seinen Warnungen für die Bevölkerung oder auch einer Giftgasattacke, wie die US-Website Vulture schreibt.

In seiner Aushebelung von staatlichen Aufgaben setze Trump teils auf Nichtbesetzung hochrangiger Posten oder mache den Bock zum Gärtner – beides Taktiken, um Behörden zu lähmen, wie Lewis anhand von Beispielen aufzeigt. So wurden einige hundert Schlüsselpositionen in den zuständigen Behörden teils absichtlich nicht oder noch nicht besetzt, verweist etwa das National Public Radio (NPR) in einem Onlineartikel zu Lewis’ Buch auf Zahlen vom Oktober. Trump ist allerdings bereits seit Jänner 2017 im Amt.

Besonderheit im US-System

Dass das Vorgehen von Trump gegen die eigenen Behörden überhaupt funktioniert, liegt an Besonderheiten des US-Systems. Es sei auf einzigartige Weise verletzbar durch diese Manöver, so die „New York Review of Books“. Die meisten demokratischen Staaten haben funktionierenden Behörden mit einem permanenten Stab an Beamten und Beamtinnen an der Spitze, die mehr oder weniger politisch neutral sind. In den USA hingegen gibt es zwar rund zwei Millionen angestellte Beamte und Beamtinnen.

Die Spitzenpositionen in den Abteilungen und Institutionen – und damit deren Ausrichtung – werden allerdings politisch vom US-Präsidenten bestimmt. Insgesamt handelt es sich dabei laut der „New York Review of Books“ um rund 4.000 handverlesene Posten. Daraus ergibt sich, dass es keine Kontinunität beim Managen der Behörden gibt.

Nichtstun als „Möglichkeit des Machtmissbrauchs“

Auch Chaos lasse sich dadurch leicht erzeugen, so die Zeitschrift weiter. Alles, was es dazu brauche, sei ein Präsident, der Leute ins Amt setzt, denen sonst nicht einmal erlaubt werden sollte, einem derartigen Amt nahe zu kommen, so die Zeitschrift weiter. Oder den Posten einfach nicht zu besetzen. Es gebe im US-System eine Möglichkeit des Machtmissbrauchs, indem die zugestandene Macht nicht angewandt wird, so die „New York Review of Books“ weiter.

Lewis zeigt in seinem von der US-Presse vielgelobten Werk auch auf, dass der Schaden, einmal angerichtet, so leicht nicht mehr wiedergutgemacht werden kann und dadurch permanent bleiben könnte.

Der Ausverkauf des Wetterdienstes

Lewis erörtert das anhand des Beispiels des US-Wetterdienstes. So wurde die Leitung der wissenschaftlichen Einrichtung erstmals an einen Nichtwissenschaftler vergeben. Der von Trump ausgewählte Barry Myers leitete den bekannten privaten Wetterdatenanbieter AccuWeather.

Laut Lewis verwendet AccuWeather für seine Apps, Websites und ein TV-Wetter-Netzwerk allerdings die öffentlich zugänglichen, unter teils erheblichem Aufwand erstellten Daten des staatlichen US-Wetterdienstes National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und schneidet sie auf seine private Kundschaft, darunter etwa Zeitungen, Tourismusressorts und Ähnliches, zu. Der Bock wird nun zum Gärtner gemacht, so die Lewis’ Mutmaßung. Die Frage ist auch, wie lange die bisher kostenlosen öffentlichen Wetterdaten in dieser Form noch zugänglich sein werden.

Auch andere Daten von großem Interesse

Bisher wurden zahlreiche Daten von Wissenschaftlern und Technikern ausgewertet, um die US-Bevölkerung zu schützen, schreibt NPR mit Verweis auf Lewis auf seiner Website. Laut Lewis verschwindet jedoch immer mehr Offizielles und damit kostenloses Datenmaterial von den Websites der US-Behörden und -Ministerien.

Buchhinweis

  • Michael Lewis: Erhöhtes Risiko – Auf den Fluren der US-Regierung, Campus Verlag, 224 Seiten, 25,70 Euro. Erscheinungsdatum: 13. Februar
  • US-Originalausgabe: Michael Lewis: The Fifth Risk, 224 Seiten, Allen Lane, 12,99 Euro

Darunter etwa Daten über den Klimawandel auf der Website der Umweltbehörde (EPA), über Misshandlung von Tieren auf der Website des Landwirtschaftsministeriums und auch über Gewaltverbrechen auf der Website des Justizministeriums. Laut Lewis liegen hinter jedem Fall der Datenunterdrückung in der Regel kleinliche wirtschaftliche Motive „eines Waffenlobbyisten, eines Kohleunternehmens und eines großen Geflügelzüchters“.

Ein weiteres Beispiel betrifft den Interimschef der EPA, den früheren Kohlelobbyisten Andrew Wheeler, der von Trump als dauerhafter Behördenchef nominiert ist. Der US-Präsident hatte im November Wheelers Arbeit als „fantastisch“ gelobt und angekündigt, ihn dauerhaft mit dem EPA-Chefposten zu betrauen. Wheeler leitet die EPA, seitdem der vorherige Behördenchef Scott Pruitt im Juli wegen einer Reihe von Skandalen zurückgetreten war. Wie zuvor Pruitt wirkt Wheeler systematisch darauf hin, eine Reihe von Umweltauflagen rückgängig zu machen, die unter Trumps Amtsvorgänger Barack Obama beschlossen worden waren.

Obamas wollen Serie daraus machen

Lewis’ Buch fußt auf zwei von ihm zuvor veröffentlichten Artikeln in „Vanity Fair“. Barack und Michelle Obama sollen sich dem Vernehmen nach bereits die Rechte an dem Buch zur Entwicklung einer Serie für den Streamingdienst Netflix gesichert haben, wie der „Hollywood Reporter“ auf seiner Website berichtete.

Lewis selbst ist auch kein Unbekannter. Bereits mehrere Sachbücher des Wirtschaftsjournalisten wurden fiktionalisiert verfilmt. So der Baseball-Film „Die Kunst zu gewinnen – Moneyball“ mit Brad Pitt und Philip Seymour Hoffman und „The Blind Side – die große Chance“ nach einer Biografie über den Football-Spieler Michael Oher mit Sandra Bullock.