Wartehäuschen einer Bushaltestelle mit Schneehaube in Untertauern
Reuters/Leonhard Foeger
Bis zu vier Meter

Neuschneemengen erreichen extreme Werte

Von der Außenwelt abgeschnittene Orte, gesperrte Straßen, zerstörte Stromleitungen und die höchste Lawinenwarnstufe in den Bergen – die Neuschneemengen haben bereits extreme Werte erreicht, die selbst Experten als ungewöhnlich einstufen.

In Hochfilzen in Tirol etwa kamen in zehn Tagen 311 Zentimeter Neuschnee zusammen, in Bad Mitterndorf in der Steiermark rund 280 Zentimeter. Mit einem Hubschrauber ist am Donnerstagnachmittag der Schnee entlang der Inntalautobahn von den Bäumen geblasen worden. In St. Johann räumten Soldaten des Bundesheeres Schnee von den Dächern – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Diese Neuschneemengen kommen selbst im klassischen Nordstau oberhalb von etwa 800 Metern nur alle 30 bis 100 Jahre vor, erläuterte Alexander Radlherr von der ZAMG am Donnerstag. Die größten Schneehöhen lagen nördlich des Alpenhauptkamms. Drei bis vier Meter dick war die Schneedecke am Freitag stellenweise auf den Bergen im Gebiet von Arlberg über Hochkönig und Dachstein bis Hochkar. Durch die starke Windverfrachtung entstanden jedoch stellenweise extreme Unterschiede in der Schneehöhe. Es fanden sich laut ZAMG völlig abgeblasene Bergrücken genauso wie meterhohe Schneeverwehungen.

Keine Änderung der Schneesituation in Sicht

Die großen Schneemengen führten auch zu steigenden Schneelasten auf Häusern. „Bei normgerecht gebauten Gebäuden besteht aber noch keine Gefahr“, betonte Schneelast-Experte Michael Winkler von der ZAMG in Innsbruck. „In den schneereichen Regionen Österreichs sind zum Beispiel momentan 30 bis 40 Prozent der Normschneelasten erreicht. Bis Dienstag dürften es dann 50 bis 60 Prozent, vereinzelt bis 80 Prozent sein. Das ist so früh im Jahr sehr beachtlich.“ In Rosenau in Oberösterreich etwa ist Donnerstagnachmittag das Dach einer Produktionshalle unter der Last des Schnees eingestürzt – mehr dazu in ooe.ORF.at.

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Eingeschneiter Kinderspielplatz in Ramsau am Dachstein
APA/Harald Schneider
Reichlich Neuschnee gibt es in der Ramsau am Dachstein – hier am Kinderspielplatz
Haltestellenschild in Obertauern
Reuters/Leonhard Foeger
Zu viel Schnee in Obertauern – nur knapp die Hälfte der Skilifte ist derzeit in Betrieb
Ein Mann vor einer Hütte in Ramsau am Dachstein
APA/Harald Schneider
Die extremen Schneemengen führen auch zu steigenden Schneelasten auf Häusern
Zwei Männer beim Schneeschaufeln in Obertauern
Reuters/Leonhard Foeger
Sicherheitskräfte und freiwillige Helfer arbeiten dieser Tage auf Hochtouren – wie hier beim Schneeschaufeln in Obertauern
Luftaufnahme der verschneiten Pass Thurn-Bundesstraße
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Die verschneite Pass-Thurn-Bundesstraße in den Kitzbüheler Alpen
Schneeräumzug der ÖBB in Hopfgarten
APA/EXPA/Jfk
Ein Schneeräumzug der ÖBB im Einsatz – wegen der Lawinengefahr sind einige Strecken derzeit nicht befahrbar
Schneewechte auf einem Hausdach in Vordernberg
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Auch in Vordernberg in der Steiermark gibt es Unmengen an Neuschnee
Ein Mann in Salzburg schaufelt sich den Weg frei
APA/Barbara Gindl
Schneeschaufeln und Eiskratzen – Autofahrer und Autofahrerinnen brauchen derzeit gute Nerven
Ein Mann steht auf seinem gräumten Hausdach in Eisenerz
Reuters/Lisi Niesner
Beim Schneeschaufeln auf dem Hausdach ist Vorsicht geboten
Feuerwehr räumt Hausdach in der Gemeinde Radmer (Steiermark)
APA/Gemeinde Radmer/Bgm. Ludwig Gottsbacher
Da vor allem Nassschnee Dächer zum Einbrechen bringen kann, hilft hier die Feuerwehr

Die Situation wird sich voraussichtlich bis Dienstag nicht entspannen. Bis dahin werden erhebliche Schneemengen erwartet, so die ORF-Wetterredaktion. Bis Freitagfrüh schneit es in Vorarlberg, Nordtirol, Salzburg, der Obersteiermark und in den Alpen Ober- und Niederösterreichs weiter. Der Freitag verspricht nur eine kurze Verschnaufpause, spätestens am Sonntag ist erneut mit kräftigem Schneefall zu rechnen – mehr dazu in wetter.ORF.at.

Schneemassen halten Österreich in Schach

In den vergangenen zwei Wochen hat es in vielen Teilen Österreichs so viel geschneit wie sonst im ganzen Winter. Freiwillige Helfer, Feuerwehr und Soldaten kommen mit dem Schaufeln nicht mehr nach.

Durch den Schnee ohne dauerhafte Straßenverbindungen eingeschlossen waren Donnerstagnachmittag im Land Salzburg rund 9.600 Menschen. Zudem waren am Nachmittag gut 900 Haushalte ohne Strom – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Klimakrise: Schneemengen könnten zunehmen

„Die Schneemengen im Alpenraum schwanken von Jahr zu Jahr stark. Es ist daher schwierig, langfristige Trends herauszufiltern“, erläuterte Marc Olefs, Leiter der ZAMG-Abteilung für Klimaforschung, zu möglichen Zusammenhängen der aktuellen Situation mit der Klimakrise.

„In tiefen Lagen, unterhalb von etwa 1.500 Meter Seehöhe, sehen wir seit den 1960er Jahren eine langfristige Abnahme der Schneemengen, die vor allem durch die Klimaerwärmung verursacht wird und mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahrzehnten anhält. In Lagen von 1.500 Meter bis ins Hochgebirge könnten die Schneemengen in Zukunft hingegen zunehmen, allerdings gibt es in den Klimamodellen große Unsicherheiten bei den Niederschlagsszenarien.“

Langsamerer Wechsel von Großwetterlagen

Ein spannender Aspekt sei die Änderung der Dauer von Großwetterlagen. „Es gibt Anzeichen, dass Wetterlagen länger anhalten. Eine extreme Wetterlage, wie der Nordstau jetzt oder eine Hitzewelle im Sommer, hat somit größere Auswirkungen“, sagte Olefs. „Der Grund für den langsameren Wechsel von Großwetterlagen könnten Änderungen der Temperaturunterschiede auf der Nordhalbkugel sein.“

„Durch das Schmelzen des arktischen Eises ist der Nord-Süd-Temperaturunterschied geringer geworden. Das wirkt sich auf die Dynamik der Hoch- und Tiefdruckgebiete aus“, so Olefs. Einzelne Ereignisse wie die aktuelle Schneesituation in Alpen ließen sich jedoch mit dem aktuellen Wissen nicht direkt mit diesen Mechanismen begründen. Laut Olefs gibt es „noch viel Forschungsbedarf“.

Lage bleibt angespannt

Die Lage in den Alpen bleibt jedenfalls angespannt. Zahlreiche Orte sind von der Außenwelt abgeschnitten. In Tirol waren Orte wie Kühtai, Ginzling und Hochfügen auch am Donnerstag nicht erreichbar – die Straßensperren wurden am Abend jedoch aufgehoben. Galtür ist seit dem Vormittag wieder erreichbar – mehr dazu in tirol.ORF.at. Neu hinzu kamen nach Angaben des Landes einzelne Weiler in den Gemeinden Alpbach, Söll und Ellmau.

In Oberösterreich ist Gosau zwar nicht mehr abgeschnitten, Hallstatt und Obertraun bleiben momentan jedoch nur mit dem Zug erreichbar. Mehrere Schulen blieben aufgrund der Schneemassen geschlossen, ebenso fünf Skigebiete. Das Bundesheer ist stellenweise zur Unterstützung angerückt – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Nach dem vielen Neuschnee und den damit verbundenen Pistensperren befürchten Liftbetreiber nun ein Umsatzminus von bis zu 20 Prozent. In Obertauern in Salzburg haben diese Woche laut Wirtschaftskammer 15 Prozent der Urlauber ihren Aufenthalt bereits storniert – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Schnee hält Österreich in Atem

Die Lawinengefahr entlang der Nordalpen ist nach wie vor groß. In Salzburg, Oberösterreich und der Obersteiermark gilt die höchste Lawinenwarnstufe fünf.

Evakuierungsplan für steirische Gemeinde

Auch in der Steiermark im Bezirk Liezen mussten zig Bewohner und Bewohnerinnen in Sicherheit gebracht werden. Denn Liezen ist der am stärksten von Lawinen bedrohte Bezirk in der Steiermark. Zwei Drittel der steirischen Lawinenhänge befinden sich hier. Von den 29 Gemeinden sind – mit Ausnahme von Lassing – 28 Gemeinden akut von Lawinen bedroht – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Für die abgeschnittene obersteirische Gemeinde Hohentauern haben sich die Lawinenexperten und die Behörden zwei mögliche Szenarien für Freitag überlegt: Entweder werden Schneemassen kontrolliert abgesprengt, damit vor allem Urlauber die Ortschaft verlassen können, oder Plan B kommt zum Einsatz. Dieser sieht Einzelfahrten durch die Gefahrenzone vor.

Höchste Lawinenwarnstufe

Und: Die Lawinengefahr bleibt enorm: Für die nördliche Obersteiermark – vom Dachstein bis zum Hochschwab – gab der Lawinenwarndienst am Donnerstag weiterhin mit Warnstufe fünf die höchste Stufe an. Auch in Salzburg gab es für einen schmalen Streifen im Bereich der Nordalpen vom nördlichen Pinzgau über das Hagen- und Tennengebirge bis zum Gosaukamm erneut die höchste Warnstufe.

Der Warndienst Niederösterreich hat die Lawinengefahr für die Ybbstaler Alpen auch am Donnerstagabend als „sehr groß“ eingeschätzt. Zumindest in der Nacht auf Freitag bleibt damit die Gefahrenstufe fünf auf der fünfteiligen Skala aufrecht. Die Situation sei von ergiebigen Neu- und Triebschneezuwächsen geprägt und daher angespannt.

Gefahr von spontanen Lawinenabgängen

„Zum einen besteht die Gefahr von spontanen Lockerschnee- und Schneebrettlawinen, die aufgrund der enormen Schneemengen auch größere Ausmaße annehmen können“, heißt es im Lagebericht. Andererseits seien Gleitschneeabgänge aus steilen Wiesenhängen sowie aus dem Waldbereich möglich. Von spontanen Entladungen könnten demnach auch Straßen betroffen sein.

Grafik zur Lawinengefahr
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/lawinen.at

In Vorarlberg sind die Gemeinden Stuben, Lech, Zürs, Warth und Schröcken und Gargellen vorübergehend wieder zugänglich – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Das Ebnit bei Dornbirn ist noch von der Außenwelt abgeschnitten, ebenso der Ortsteil Baad im Kleinwalsertal. Auch auf Vorarlbergs Straßen kam es zu teils chaotischen Zuständen – vorarlberg.ORF.at.

Teile der Weststrecke unterbrochen

Am Donnerstagvormittag musste auch der Verkehr auf einem Stück der Bahnverbindung in den Westen unterbrochen werden. Wegen eines Lawinenabgangs zwischen den Bahnhöfen Golling-Abtenau und Werfen in Salzburg sind bis Freitagnachmittag keine Fahrten möglich, wie es von den ÖBB hieß – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Die ÖBB richteten für die Salzburg-Tiroler-Bahn einen Schienenersatzverkehr ein. Weil die parallel zu den Gleisen verlaufende Salzachtalstraße (B159) ebenfalls schon seit Tagen wegen Lawinengefahr gesperrt ist, müssen die Ersatzbusse über die Tauernautobahn (A10) geführt werden.

Wegen der angespannten Verkehrslage und der winterlichen Fahrbahnverhältnisse – und weil auch Bahnverbindungen im Ennstal und Richtung Tirol gesperrt sind – ist laut Bundesbahnen mit teils erheblichen Reisezeitverlängerungen zu rechnen. „Wir empfehlen darum, nicht unbedingt notwendige Reisen in den betroffenen Gebieten nach Möglichkeit zu verschieben“, sagte ÖBB-Sprecher Christoph Gasser-Mair.