Beratungsgespräch beim AMS
ORF.at/Birgit Hajek
Aggressive Kunden

AMS will Grenzen abstecken

Trainerinnen und Trainer bei Kursen des Arbeitsmarktservice (AMS) müssen bis zu einem gewissen Grad mit Störenfrieden umgehen können, diese müssen laut einem aktuellen Gerichtsurteil auch nicht gleich automatisch mit Sanktionen rechnen. Nun steht allerdings die Frage im Raum, ab wann es zu viel ist.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hatte am Mittwoch entschieden, dass aggressives Verhalten den Kursleitern zumutbar ist und nicht zwangsläufig etwa zu einer Sperre des Arbeitslosengeldes führen muss. Ein Mann, dem das Geld aus ebendiesem Anlass gestrichen worden war, hatte geklagt – und recht bekommen.

Das AMS zeigt zwar prinzipiell Verständnis für die oft schwierige Lebenslage der Klienten, dennoch: Aggressives Verhalten sei absolut inakzeptabel, sagte AMS-Vorstand Johannes Kopf am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal. Es gehe aber nicht nur darum, was akzeptabel sei und was nicht, sondern um die Grenze. Es sei relevant, was an juridisch relevantem Verhalten vorliegt, das eine Sperre der Bezüge nach sich ziehen kann. Das sei schließlich keine „kleine“ Strafe, so Kopf, sondern oft eine existenzielle Frage – Audio dazu in oe1.ORF.at.

„Fast alles“ kommt vor

Laut Paragraf 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) kann – verkürzt – nicht nur jemandem, der eine zumutbare Arbeit nicht annimmt, sondern auch jemandem, der den Erfolg einer Weiterbildungsmaßnahme stört, das Geld für eine gewisse Zeit gestrichen werden.

Darüber, wie viele Fälle aggressiven Verhaltens es in Kursen gibt, liegen laut Ö1 keine Zahlen vor. Ungebührliches Verhalten, Drohungen, Herumschreien gebe es immer wieder. „Bei der Menge an Kundinnen und Kunden, die wir haben“, so Kopf, komme „fast alles vor.“ Aber es seien nicht Hunderte Fälle.

„Welches Verhalten zu viel ist“

Trotzdem gehe es darum, Mitarbeiter und Kursteilnehmer zu schützen, deshalb werde man sehr wahrscheinlich in Berufung gehen, nicht zuletzt, weil man Klarheit wolle. „Ich gehe davon aus, dass wir uns dagegen noch wehren werden, um einfach hier auch Klarheit zu bekommen beim Höchstgericht“, sagte Kopf. Es sei „nicht ganz klar, wie das ausgehen wird. Also siegessicher sind wir nicht, das möchte ich sagen.“ Es gehe „nun um die Frage, welches Verhalten zu viel“ sei, so Kopf in Ö1.

Drohungen in AMS-Kurs

Zum Hintergrund: In dem konkreten, vom BVwG behandelten Fall war ein Mann von einer Fortbildung ausgeschlossen worden, seine Bezüge wurden ihm gesperrt. Er hatte den Kurs mit Drohungen gestört. Er legte Beschwerde ein und bekam recht. In der Entscheidung des Gerichts sei von einer übereilten Maßnahme die Rede, hatte die APA am Mittwoch zitiert. Trainer müssten mit solchen Personen bzw. Situationen „umzugehen vermögen“.

Beratungsgespräch beim AMS
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Beraterinnen und Berater brauchen Verständnis für die Situation ihrer Klienten

Oft ein schwieriger Job

AMS-Vorstand Kopf hatte erst angekündigt, er wolle das Urteil „im Detail prüfen“, plädierte aber auch für Verständnis. Die Klienten seien mitunter in schwierigen Lebenssituationen, die Arbeit von Beratern und Trainern oft „psychisch sehr herausfordernd“, schrieb Kopf auf Facebook.

Das Berufsförderungsinstitut (BFI) will Drohungen und aggressives Verhalten in Kursen nicht hinnehmen, wie es bereits am Mittwoch hieß. Man lege Wert auf ein Klima der Wertschätzung und ein friedliches Mit- und Nebeneinander, daher werde man auch weiter die Hausordnung durchsetzen und im äußersten Fall auch Hausverbote aussprechen.

Über 133.000 Strafen

Die Zahl der Sperren von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe stieg im Jahr 2018 um knapp ein Fünftel. Das AMS verhängte 133.420-mal Sanktionen, um 21.969 oder 19,7 Prozent mehr als 2017. Knapp 56.000 Strafen (plus ein Prozent) gab es wegen unentschuldigten Versäumens eines AMS-Termins gemäß Paragraf 49 AlVG, 32.000-mal (plus 5,8 Prozent) gab es eine Wartefrist beim Arbeitslosengeld wegen selbst verschuldeten Arbeitsendes (Paragraf 11).

Grafik: Arbeitslosengeld-Sperren in Österreich, Bescheide nach Bundesländern und Begründung 2018, Veränderung zu 2017
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/AMS

Nur wenige wollen gar nicht arbeiten

Das AMS verzeichnete 521 Fälle (plus 119 Prozent) von gänzlicher Arbeitsunwilligkeit (Paragraf 9), und knapp 45.000 Sanktionen (plus 76 Prozent) wurden verhängt, weil eine zumutbare Arbeit oder eine AMS-Schulung nicht angenommen oder eine Maßnahme unentschuldigt nicht besucht wurde (Paragraf 10).

Der Anstieg der Sperren nach Paragraf 10 führt das AMS darauf zurück, „dass es durch den hohen Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft und auch durch unsere verstärkten Bemühungen um überregionale Vermittlung deutlich mehr Stellenvorschläge und auch Rückmeldungen der Unternehmen gab, die Ausgangspunkt der Sanktionen wegen Missbrauchs von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe waren“, so AMS-Chef Kopf am Donnerstag in einer Aussendung. Einen besonders starken Anstieg der Job- und Kursverweigerungen gab es in Wien. Die Zahl der Sperren nach Paragraf 10 schnellte von 3.803 im Jahr 2017 auf 14.714 im Jahr 2018 hinauf.