Kamele in der Wüste von Saudi-Arabien
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Imageproblem

Saudi-Arabien in der Tourismusfalle

Saudi-Arabien hätte gerne mehr Gäste aus dem Ausland. Bisher kommen die fast nur aus religiösen Gründen. „Klassische“ Touristen sind eher in der Minderheit – und das, obwohl es genug zu sehen gäbe. Genug ist aber auch abschreckend, nicht nur das Image des Königreichs als ultraorthodoxes Land der Verbote.

Eine Tourismusoffensive wäre schon in den besten Zeiten nicht einfach, schrieb zuletzt die „Washington Post“. Saudi-Arabien müsste seine Skepsis gegenüber Ausländern ablegen. Noch mehr müssten die aber ihre Sicht des Landes revidieren, die Golfmonarchie dafür stark an ihrem Image arbeiten. Auch das dürfte zuletzt nicht einfacher geworden sein.

Kronprinz Mohammed bin Salman bemüht sich zwar um eine Modernisierung des Landes und sieht sich als Reformer, gleichzeitig gingen in den letzten Monaten jedoch mehrfach Berichte über willkürliche Festnahmen durch die Medien, die meisten Schlagzeilen machte der Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Kashoggi in der Türkei. Das Königshaus in Riad wurde verdächtigt, der Drahtzieher gewesen zu sein.

Kamele in der Wüste von Saudi-Arabien
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Nicht nur Naturtourismus soll eine Rolle spielen

Zuletzt meist negative Schlagzeilen

Nach dem Anschlag auf den Regimekritiker hätten sich einige ausländische Unternehmen und Organisationen von Prinz Mohammeds Initiativen in Kunst, Kultur und Tourismus distanziert, schrieb die „Washington Post“. Der Tourismus habe in Saudi-Arabien sehr großes Potenzial, nicht nur, weil er bisher unterentwickelt ist, zitierte die US-Zeitung Kristin Smith Diwan vom Arab Gulf States Institute in Washington, spezialisiert auf internationale Beziehungen und den Nahen Osten.

Hejaz Eisenbahn, Bahnhof Madain Saleh Al Ula, Saudi-Arabien
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Reste der alten Hedschasbahn von Damaskus in Syrien nach Medina in Saudi-Arabien

Aber: Es gebe „soziale Barrieren und Ängste zu überwinden“, möchte man internationale Gäste anlocken. Festnahmen von Frauenrechtsaktivistinnen und der Mord an Kashoggi hätten dabei nicht geholfen, Bilder in den westlichen Köpfen von Auspeitschungen und Hinrichtungen tun es sicher auch nicht. Zuletzt sorgte noch die Austragung des italienischen Fußball-Supercoppa-Finales in Saudi-Arabien für Differenzen. Thema waren vor allem die Frauenrechte.

Milliarden für Unterhaltungsbranche

Trotzdem macht die Regierung in Riad Tempo mit ihrer Tourismusoffensive. Milliarden Dollar sollen in den Aufbau eines staatlich kontrollierten Unterhaltungssektors fließen. Die dafür zuständige Behörde GEA gab am Dienstag eine Reihe von Veranstaltungen bekannt, die heuer präsentiert werden sollen. Dazu gehören Autorennen, Zaubershows und Theateraufführungen. Geplant sind ferner ein Spiel der nordamerikanischen Basketballliga NBA sowie ein Stierrennen nach spanischer Tradition.

„Ich hoffe, heimische Unternehmen, Banken, Geschäftsleute, Künstler und alle Sektoren tragen ihren Teil dazu bei. Es gibt einmalige Chancen“, sagte GEA-Chef Turki al-Scheich. Es könnten bis zu Hunderttausende von Arbeitsplätzen entstehen. Saudi-Arabien wolle zu einem der weltweit zehn führenden Ziele für Unterhaltungstourismus werden.

Reiches vorislamisches Erbe

Zudem soll das historische Erbe auf einer Fläche von etwa 23.000 Quadratkilometern – größer als Niederösterreich – für Touristen attraktiv gemacht werden. Im Zentrum steht dabei laut dem Bericht der „Washington Post“ die Oase al-Ula, einige hundert Kilometer nordwestlich der Stadt Medina an der historischen Weihrauchstraße gelegen, antike Hauptstadt des lihyanischen Reiches, mit den nabatäischen Monumentalgräbern von Mada’in Salih und dem alten osmanischen Bahnhof.

Nabatäische Grab in Madain Salih Ausgrabungsstätte, Saudi-Arabien
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Die Monumentalgräber von Mada’in Salih im Nordwesten des Landes

Auf all das könne man stolz sein, zitiert die US-Zeitung den Leiter der königlichen Kommission, Amr al-Madani. Dafür begeistern wolle man gleichermaßen „Ökotouristen“ aus dem Westen wie Besucher aus den anderen Golfstaaten und Saudis selbst, die ihr Wissen über das kulturelle Erbe ihres Landes vertiefen wollten.

Im Wesentlichen gehe es aber um die Wirtschaft, konkret die Zeit nach dem Erdöl. Bisher lebt das Königreich im Wesentlichen von seinen Rohstoffen und ist bemüht, sich wirtschaftlich auf breitere Beine zu stellen („Vision 2030“). Bisher habe das Königshaus den Tourismus nicht als wichtig erachtet, das vorislamische Erbe sei „marginalisiert“ worden. Die meisten Gäste sind bis dato Pilger aus dem Ausland, die die heiligen Stätten des Islam während der Pilgerfahrt, der Hadsch, besuchen.

Strenge Staatsreligion

Für Jahrzehnte habe sich das „vorherrschende historische Narrativ“ des Landes auf die islamische Geschichte ab dem 7. Jahrhundert und die Geschichte der Dynastie der al-Saud fokussiert, schrieb die US-Zeitung. Die Achtung vor vorislamischen Stätten und Kunstwerken gelte in dem streng islamisch-konservativen Königreich rasch als Götzendienst, dieses kulturelle Erbe wurde deshalb vernachlässigt, teils zerstört. Die dominante Lesart des Islam in Saudi-Arabien ist der puristisch-traditionalistische Wahhabismus, eine besonders strenge – Alkohol etwa ist strengstens verboten, es herrscht strikte Geschlechtertrennung.

Eigene Gesetze für Touristen

Etwas lockerer sollen die Regeln in einem riesigen Tourismusresort, gedacht für Gäste aus dem Ausland, an der Küste des Roten Meeres werden. Dort entsteht mit dem Red Sea Project eine Tourismusenklave, mit der Saudi-Arabien in Zukunft erfolgreich um zahlungskräftige Luxustouristen werben will. 70.000 Arbeitsplätze sollen dort entstehen, das Projekt eine „signifikante Rolle“ beim wirtschaftlichen Umbau des Landes spielen, hieß es erst im Dezember in einem Bericht der englischsprachigen „Arab News“.

In Betrieb gehen soll das Resort ab 2022. Wichtig: Die Enklave solle eine „semiautonome“ Region werden, in der Gesetze nach internationalem Vorbild gelten, hatte es nach der Präsentation des Mammutprojekts 2017 geheißen.