ICE neben TGV
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Siemens – Alstom

Machtkampf um europäische Zugsfusion

Die vom Scheitern bedrohte Fusion der Zugssparte von Siemens mit dem französischen Konkurrenten Alstom geht in die heiße Phase. Die EU-Kommission sieht eine Zusammenführung zu einem europäischen Bahnriesen kritisch, neben den Konzernen selbst wollen Deutschland und Frankreich den Deal jedoch unbedingt retten. Man wolle sich gegen die chinesische Konkurrenz behaupten können, so die Argumentation.

Die Fusion des TGV-Herstellers Alstom mit dem ICE-Produzenten Siemens würde die Unternehmen gemeinsam an zweiter Stelle in der Branche platzieren – gleich hinter dem chinesischen Staatsunternehmen CRRC. Mit einem erwarteten Umsatz von 15 Milliarden Euro wäre der europäische Bahnkonzern damit dennoch nur halb so groß wie der Marktführer aus China.

Bedenken kommen jedoch von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Sie befürchtet, dass ein „Railbus“-Projekt (in Anspielung auf den Flugzeughersteller Airbus) zu viel Dominanz auf den Märkten der Mitgliedsländer hätte. Vor zwei Wochen sagte sie, sie sei prinzipiell dafür, „europäische Champions“ für einzelne Branchen zu schaffen. „Aber wir können diese Champions nicht bauen, indem wir den Wettbewerb unterminieren.“

Paris und Berlin erhöhen Druck auf EU

Das rief zuletzt auch Paris und Berlin auf den Plan. Erst am Montag sprach der französische Finanzminister Bruno Le Maire mit Vestager. „Die Fusion zwischen Alstom und Siemens abzulehnen wäre ein wirtschaftlicher Irrtum und ein politischer Fehler“, sagte der Politiker vor dem Gespräch.

Margrethe Vestager
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EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sieht die geplante Fusion skeptisch

Auch der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier erhöhte den Druck auf die EU-Kommission. Altmaier sagte, die Bedeutung für Arbeitsplätze und die künftige Weltmarktposition der Zugshersteller sei sehr, sehr groß. „Alle Beteiligten sollten wissen, dass sehr viel auf dem Spiel steht“, so Altmaier am Rande eines Treffens mit Siemens-Chef Joe Kaeser.

Kritik an „veralteten“ Wettbewerbsregeln

Kritik gibt es aber auch an den Wettbewerbsgesetzen der EU: Le Maire sagte zuletzt, dass die Regeln „komplett veraltet“ seien und angepasst werden müssten. Auch Altmaier sagte: „Wir können eine industrielle Entscheidung für das 21. Jahrhundert nicht mit den Wettbewerbsregeln des 20. Jahrhunderts fällen.“

Doch Vestager wies die Vorwürfe zurück: „Um international konkurrenzfähig zu werden, braucht es Wettbewerb zu Hause“, zitierte das deutsche „Handelsblatt“ ein Papier der Kommissarin. Man müsse auf Chinas Politik strategischer Subventionen mit anderen Mitteln reagieren, etwa mit strengeren Regeln für Übernahmen, so das „Handelsblatt“ weiter.

EU will mehr Zugeständnisse

Obwohl Vestager also eine Gefahr aus China sieht, berichtete die „Financial Times“ letzte Woche, dass Vestager nicht davon überzeugt ist, dass China in naher Zukunft Züge in Europa verkaufen werde. Doch bereits im Vorjahr kündigte etwa die Deutsche Bahn eine Zusammenarbeit mit CRRC an.

Die EU-Wettbewerbshüter verlangen von Siemens und Alstom mehr Zugeständnisse. Sie müssten etwa Teile ihres Geschäfts mit Hochgeschwindigkeitszügen und Signaltechnik abtreten, um eine Zustimmung für die Fusion zu bekommen. Beide Konzerne machten bereits Zugeständnisse, Siemens lehnt ein weiteres Entgegenkommen aber ab. „Dieses ‚Mach hier noch ein bisschen, und dann einigen wir uns da, mach dort noch ein bisschen‘, das ist kein Weg, der zu einem guten Ergebnis führt“, so Siemens-Chef Kaeser.

Am Dienstag sagte auch Frankreichs Finanzminister, dass sich die zwei Konzerne nicht mehr bewegen werden. „Alstom und Siemens werden keine weiteren Zugeständnisse machen, die die beiden Konzerne schwächen könnten“, sagte Le Maire im französischen Senat.

Spekulationen über Veto

Vestager wollte sich in Paris nicht über den Ausgang ihres Prüfverfahrens äußern. Sie signalisierte allerdings, dass ihr die Interessen der Kunden wichtiger seien als die Schaffung starker europäischer Konzerne. „Wir beschäftigen uns mit zwei europäischen Champions, wir beschäftigen uns mit Unternehmen, die sehr groß sind auf dem europäischen Markt und auf dem globalen Markt“, so Vestager.

Schon in den Tagen zuvor wurde darüber spekuliert, dass es vonseiten der EU keine Zustimmung zu dem Deal geben werde. Insidern zufolge könnte die Kommission bereits am 6. Februar ein Veto gegen die Fusion aussprechen.

Entscheidung bis Mitte Februar

Spätestens bis zum 18. Februar will die Kommission über eine Genehmigung entscheiden. Es ist damit zu rechnen, dass Frankreich und Deutschland bis dahin den Druck auf die EU weiter erhöhen werden, während sich Wettbewerbsbehörden in den Mitgliedsländern – selbst in Deutschland – gegen eine Fusion aussprechen, wie das Magazin „Politico“ schreibt. „Sollten sich die französische und deutsche Regierung gegen solche Vorbehalte durchsetzen, würden politische Entscheidungsträger die Neutralität der Kommission anzweifeln“, so das Magazin.