Bundespräsident Alexander Van der Bellen
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Van der Bellen in Israel

Österreich mitverantwortlich für Schoah

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei einem Treffen mit Israels Präsident Reuven Rivlin Österreichs Mitverantwortung für die Schoah betont. Jüdisches Leben müsse überall unbehelligt möglich sein, es dürfe keine Toleranz gegenüber Antisemitismus geben, sagte Van der Bellen anlässlich seines Staatsbesuchs im Präsidentenpalast in Jerusalem.

„Zehntausende jüdische Österreicherinnen und Österreicher wurden vom Nazi-Regime ermordet – und noch mehr wurden vertrieben. Viele Vertriebene fanden hier in Israel eine neue Heimat. Sie bauten das Land auf und verteidigten es in mehreren Kriegen“, so Van der Bellen.

„Lassen Sie mich unmissverständlich sagen: Österreich ist mitverantwortlich für die Schoah. Viele Österreicherinnen und Österreicher waren unter den Täterinnen und Tätern“, sagte der Bundespräsident. „Darum verbeugen wir uns in Demut vor den Opfern. Zu dieser Mitverantwortung hat sich Österreich erst spät, sehr spät bekannt. Das hat unser Verhältnis lange Zeit schwierig gemacht.“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen reicht Israels Staatspräsident von Reuven Rivlin die Hand
APA/AFP/Gali Tibbon
Bundespräsident Alexander Van der Bellen und sein israelischer Amtskollege Reuven Rivlin

„Keine Toleranz gegenüber Antisemitismus“

Der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus sei ihm persönlich immer ein starkes Anliegen gewesen. „Der Antisemitismus der Nationalsozialisten ist nicht vom Himmel gefallen. Er war schon zuvor in der österreichischen Gesellschaft sehr stark präsent. Die Schoah war der grausame Höhepunkt. Es darf daher keine Toleranz gegenüber Antisemitismus geben“, sagte Van der Bellen.

„Unser Ziel ist es, dass jüdisches Leben überall, ob in Israel, ob in Europa oder sonst wo, sicher und unbehelligt möglich ist. Das ist unsere Verantwortung. Das sind wir den Opfern der Schoah schuldig. Israel muss in Frieden leben können. Das ist in Österreich Konsens und ein nationales Anliegen.“

Herzlicher Empfang in Jerusalem

Von Rivlin gab es für Van der Bellen einen äußerst herzlichen Empfang mit militärischen Ehren. „Sie sind ein wahrer Freund des Staates Israel und des jüdischen Volkes“, begrüßte der Staatspräsident den Gast aus Österreich in Jerusalem, „der Hauptstadt Israels“, wie Rivlin betonte.

Auch Rivlin legte den Fokus in seiner Rede auf den Kampf gegen den Antisemitismus. Er erwähnte 50 antisemitische Vorfälle in Österreich im vergangenen Jahr und lobte zugleich das Engagement der von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geführten österreichischen Regierung im Kampf gegen den Antisemitismus. Man müsse „kompromisslos gegen jede Form von Antisemitismus vorgehen“, sagte Rivlin.

Heftige Kritik übte der israelische Präsident am Iran. „Der Iran ist die Hauptursache für Instabilität und Terror in Europa und im Nahen Osten. Für uns ist der Iran ein Feind, der die Vernichtung Israels anstrebt, eine ernsthafte Bedrohung.“ Rivlin forderte den Stopp der Aggression der vom Iran unterstützten Hisbollah-Milizen, „damit es nicht zu einem Krieg kommt“. Der Staatspräsident hofft auf einen „dauerhaften Frieden“, Israel werde aber „keine Kompromisse in Bezug auf seine Sicherheit eingehen“.

Weiter Boykott von FPÖ-Regierungsmitgliedern

Israel hält laut Van der Bellen am Boykott von Regierungsvertretern der FPÖ fest, wie er vor Journalisten sagte. Israel boykottiert die FPÖ-Minister seit Amtsantritt der Regierung unter Bundeskanzler Kurz Ende 2017. Van der Bellen hatte sich nach APA-Angaben zuletzt bei Rivlin dafür eingesetzt, zumindest mit der parteilosen Außenministerin Karin Kneissl Kontakte zu pflegen. Kneissl wurde von der FPÖ nominiert.

TV-Hinweis

Der „Report“ berichtet am Dienstag um 21.05 Uhr in ORF2 über die Israel-Reise Van der Bellens.

Staatspräsident Rivlin gilt als Hardliner in Sachen FPÖ-Boykott und begründete diesen zuletzt mit den „antisemitischen Wurzeln“ der FPÖ und Bedenken der jüdischen Community in Österreich. FPÖ-Ministerinnen und -Minister nehmen am Staatsbesuch denn auch nicht teil. Der Bundespräsident wird von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann und einer Wirtschaftsdelegation begleitet.

Gespräche rund um Boykott von FPÖ-Ministern

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei seinem Israel-Besuch versucht, den israelischen Boykott von FPÖ-Ministern zu lockern bzw. die parteilose Außenministerin davon auszunehmen.

Treffen mit Netanjahu und Abbas

Ein für Montagnachmittag angesetztes Treffen Van der Bellens mit Premierminister Benjamin Netanjahu wurde wegen anderer terminlicher Verpflichtungen Netanjahus – Israel steckt mitten im Wahlkampf – auf Dienstagvormittag verlegt.

Am Dienstag besucht Van der Bellen die orthodoxe Gemeinde Kyriat Mattersdorf in Jerusalem, die nach der ehemaligen jüdischen Gemeinde Mattersdorf – heute Mattersburg – benannt ist. Danach trifft das Staatsoberhaupt in Ramallah Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Van der Bellen will sich von beiden Seiten ein Bild machen und sich über den Stand des Friedensprozesses informieren. Auf dem weiteren Programm der bis Donnerstag dauernden Visite stehen die Teilnahme am österreichisch-israelischen Wirtschaftsforum, Start-up-Besuche und Gespräche mit Schülern, österreichischen Auswanderern und Holocaust-Überlebenden.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Gattin Doris Schmidauer während eines Besuchs der Grabeskirche in Jerusalem
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Mit Gattin Doris Schmidauer besuchte Van der Bellen die Grabeskirche in Jerusalem

„Jerusalem ist ein Mikrokosmos“

Für Van der Bellen ist es bereits der dritte Besuch in Israel. Am Sonntag besichtigte der Bundespräsident die Altstadt von Jerusalem: Grabeskirche, Erlöserkirche, Klagemauer, Via Dolorosa und ein Empfang im österreichischen Hospiz standen auf dem Programm.

Bundespräsident Van der Bellen in Israel

Bundespräsident Alexander Van der Bellen besucht für fünf Tage Israel. In Jerusalem betonte der Präsident am Sonntag die Verbundenheit zwischen Österreich und Israel.

Das bei Staatsbesuchen übliche Ritual an der Klagemauer absolvierte Van der Bellen gemeinsam mit Oskar Deutsch, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Beim Empfang im österreichischen Hospiz brach Van der Bellen eine Lanze für Frieden und Verständigung im Nahen Osten.

„Jerusalem, das ist ein Mikrokosmos, das ist eine Stadt die Juden, Christen und Muslimen heilig ist. Als Österreicher sind wir mit dem Satz ‚Österreich, das ist die kleine Welt, in der die Große ihre Probe hält‘ sehr vertraut. Jerusalem ist auch so eine Welt. Es wäre doch etwas Wunderbares, wenn es gerade hier in Jerusalem, dem Ort, der drei Weltreligionen heilig ist, gelänge, Frieden zu schaffen“, so Van der Bellen.

Oskar Deutsch zum Antisemitismus in Österreich

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), begleitet den Bundespräsidenten auf seiner Israel-Reise. In der ZIB2 sprach er über das in Österreich herrschende Antisemitismusproblem.

Israels Politik im Wahlkampfmodus

Der Besuch fällt in politisch bewegte Zeiten: In Palästina trat vergangene Woche Ministerpräsident Rami Hamdallah zurück, wodurch auch ein vorläufiger Schlusspunkt unter die jahrelangen erfolglosen Bemühungen um eine Aussöhnung mit der im Gazastreifen regierenden radikalislamischen Hamas gesetzt wurde. Israel steckt wiederum mitten im Wahlkampf. Am 9. April wird ein neues Parlament gewählt.