Oppositionspolitiker Juan Guaido
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Nach Ultimatum

Acht EU-Staaten erkennen Guaido an

Nach dem von Staatschef Nicolas Maduro abgelehnten Ultimatum haben mittlerweile acht europäische Staaten den Oppositionspolitiker Juan Guaido als venezolanischen Übergangspräsidenten anerkannt. Auch Österreich hat eindeutig Stellung bezogen.

„Das #Maduro Regime hat sich bis jetzt geweigert, freien und fairen Präsidentschaftswahlen zuzustimmen“, schrieb Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Daher betrachten wir von nun an Präsident @jguaido (Juan Guaido, Anm.) als legitimen Übergangspräsidenten in Einklang mit der venezolanischen Verfassung.“

Guaido habe „unsere volle Unterstützung bei seinen Bemühungen zur Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela, das schon viel zu lange unter sozialistischer Misswirtschaft und einem fehlenden Rechtsstaat leidet“, sicherte Kurz zu. Der oppositionelle Parlamentspräsident hatte sich vor fast zwei Wochen selbst zum Staatsoberhaupt ernannt und damit den amtierenden Präsidenten Maduro herausgefordert.

Beziehungen zur EU-Staaten vor „Prüfung“

Guaido bedankte sich, ebenfalls via Twitter, und schrieb: „Wir danken der Regierung Österreichs für die Anerkennung der Legitimität der Bemühungen, die wir gemeinsam mit der gesamten Bevölkerung Venezuelas unternehmen, um unsere Freiheiten und Rechte zu erlangen.“

Maduros Regierung kündigte an, die Beziehungen zu den EU-Staaten, die Guaido als Interimspräsidenten anerkennen, einer Prüfung zu unterziehen. Der Schritt würde „energisch“ zurückgewiesen, hieß es. Die betreffenden Länder wollten wie die EU die venezolanische Regierung stürzen, hieß es in einer Erklärung.

„Bis Wahlen abgehalten werden können“

Neben Österreich haben auch Spanien, Großbritannien, Frankreich, Schweden, Dänemark, Deutschland und die Niederlande Maduros Gegenspieler als Interimspräsidenten anerkannt, nachdem Maduro ein Ultimatum von den acht EU-Mitgliedsländern verstreichen hat lassen, die ihn aufgefordert hatten, bis zum Wochenende eine faire und freie Neuwahl des Präsidenten anzusetzen.

Der britische Außenminister Jeremy Hunt twitterte, Guaido solle so lange im Amt bleiben, „bis glaubwürdige Wahlen abgehalten werden können“. „Ich hoffe, das bringt uns einem Ende der humanitären Krise näher“, schrieb Hunt. Auch der dänische Außenminister Anders Samuelsen twitterte, sein Land erkenne Guaido so lange als Übergangspräsidenten an, „bis es eine freie und demokratische Neuwahl gibt“.

Spaniens Premierminister Pedro Sanchez
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Spaniens Ministerpräsident Sanchez hatte Guaido aufgerufen, schnell Neuwahlen auszurufen – dieser ist nun „offiziell“ als Übergangspräsident anerkannt

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez sagte am Montag in Madrid, die spanische Regierung habe den Parlamentspräsidenten Guaido nun „offiziell“ als Übergangspräsidenten des südamerikanischen Landes anerkannt. Er forderte Guaido auf, schnell Neuwahlen auszurufen. Schwedens Außenministerin Margot Wallström sagte dem schwedischen Rundfunksender SR: „In dieser Situation unterstützen wir Guaido und betrachten ihn als rechtmäßigen Interimspräsidenten.“

Immer mehr Unterstützung für Guaido

Immer mehr EU-Länder unterstützen den venezolanischen Oppositionsführer Guaido. Machthaber Maduro hat jedoch nach wie vor das Militär auf seiner Seite.

Dem schloss sich auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel an: „Bis gestern ist keine Wahl für eine Präsidentschaft ausgerufen worden. Deshalb ist jetzt Guaido die Person, mit der wir darüber reden und von der wir erwarten, dass sie einen Wahlprozess möglichst schnell initiiert“, sagte Merkel am Montag nach einem Gespräch mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe in Tokio.

Und für diese Aufgabe sei Guaido „der legitime Interimspräsident aus deutscher Sicht und aus Sicht vieler europäischer Partner“, sagte Merkel. Sie ergänzte: „Wir hoffen, dass dieser Prozess sich möglichst kurz und natürlich friedlich gestaltet.“

Macron: Guaido muss Neuwahlen organisieren

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron schrieb am Montag in Twitter, Guaido solle nun Neuwahlen organisieren. „Die Venezolaner haben das Recht, sich frei und demokratisch auszudrücken“, erklärte Macron. Frankreich unterstütze in der Übergangsphase die Kontaktgruppe, die gemeinsam mit der EU geschaffen worden sei.

Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian meinte, Guaido habe die Fähigkeit und die „Legitimität“, um Präsidentschaftswahlen zu organisieren, sagte er im Radiosender France Inter.

Zu guter Letzt haben auch die Niederlande Guaido anerkannt. Das teilte Außenminister Stef Blok am Montag dem Parlament in Den Haag mit. Die Niederlande sind von der Krise in Venezuela besonders betroffen, da die Inseln Aruba, Curacao und Bonaire direkt bei dem lateinamerikanischen Land liegen. Diese Inselstaaten gehören zum Königreich der Niederlande und haben bereits schätzungsweise mehrere tausend Flüchtlinge aufgenommen.

Keine einheitliche Linie der EU zu Venezuela

Die USA sowie mehrere Länder Lateinamerikas und aus anderen Weltregionen haben Guaido bereits anerkannt. Die EU hat bisher keine einheitliche Linie zu Venezuela. Doch wurde die Gründung einer Kontaktgruppe angekündigt. Diese soll helfen, die Krise durch freie Wahlen zu beenden. Kommenden Donnerstag werde die Gruppe erstmals in Uruguay mit lateinamerikanischen Ländern beraten, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Sonntag mit.

Guaido ruft Europa zu Geschlossenheit auf

Die Außenminister der Lima-Gruppe aus Kanada und 13 lateinamerikanischen Staaten werden hingegen bereits am Montag in Ottawa in einer Krisensitzung über die Lage in Venezuela beraten. US-Außenminister Mike Pompeo wird per Videokonferenz zugeschaltet. Auch die EU könnte in die Beratungen einbezogen werden.

Oppositionsführer Juan Guaido
Reuters/Carlos Garcia Rawlins
Guaido appellierte an die Regierung in Rom, ihn sofort anzuerkennen, wie es bereits viele andere EU-Länder getan hätten

Guaido hat indes Europa zu Geschlossenheit aufgerufen. Wenn die europäischen Regierungen dazu beitragen wollten, die Gewalt, Kriminalität, Repression und Verletzung der Menschenrechte in dem südamerikanischen Land zu stoppen, „müssen sie sich en bloc bewegen, damit die Kräfte, die Maduro noch unterstützen, das ganze Gewicht des diplomatischen und politischen Drucks aus Europa spüren“, sagte Guaido der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Montag-Ausgabe).

Mattarella rügt italienische Regierung

Guadio appellierte an die Regierung in Rom, dem Beispiel anderer EU-Länder zu folgen und ihn anzuerkennen: „Bei uns gibt es viele Italo-Venezolaner mit italienischem Pass, oder die das Recht haben, diesen zu erhalten“, erklärte Guaido. Rom sollte dies berücksichtigen und sich ihnen gegenüber verantwortungsbewusst zeigen, forderte er.

Auch Italiens Staatschef Sergio Mattarella rief am Montag in Bezug auf die Haltung Italiens gegenüber der Venezuela-Krise zu „Klarheit“ auf. „Es darf keine Ungewissheit bei der Wahl zwischen dem Willen des Volkes und der Forderung nach authentischer Demokratie einerseits und Gewalt andererseits geben“, so Mattarella in einer Stellungnahme. Er rügte somit die italienische Regierung, die in Sachen Anerkennung Guaidos gespalten ist.

Grafik zu Venezuela
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA, Fotos: APA/AFP

Scharfe Kritik Russlands

Scharfe Kritik an der Anerkennung Guaidos kommt indes vonseiten Russlands. „Aus unserer Sicht ist das sowohl direkt als auch indirekt eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau. Das Vorgehen fördere in keiner Weise eine friedliche Beilegung der Krise in dem lateinamerikanischen Land. „Nur die Venezolaner selbst können diese Krise lösen“, sagte er russischen Agenturen zufolge.

Russland zählt zu den wichtigsten Verbündeten Maduros. Der Kreml hatte dem Politiker des ölreichen Landes seine Unterstützung zugesichert. „Das ist kein Dialog. Hier legen Washington und Europa dem Land ihren Willen auf“, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Maduro habe sich bereits mehrmals bereit erklärt, mit der Opposition zu sprechen. Guaido habe dies jedoch abgelehnt.

„Bettler des Imperialismus“

Obwohl Venezuela über die größten bekannten Erdölreserven weltweit verfügt, fehlen inzwischen Lebensmittel und Medikamente. Hyperinflation macht Bargeld faktisch wertlos. Etwa drei Millionen Menschen sind bereits ins Ausland geflüchtet. Regierungskritiker und -kritikerinnen werden inhaftiert, Korruption ist weit verbreitet, Gewaltkriminalität grassiert. Die gewaltigen Unterschiede zwischen Arm und Reich destabilisieren Staat und Gesellschaft zusätzlich.

Guaido kündigte für den 24. Februar erste humanitäre Hilfslieferungen aus dem Ausland an. John Bolton, Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, teilte mit, die USA würden damit beginnen, Hilfslieferungen wie medizinische Geräte und Nahrungsmittel zu schicken. Wie sie gegen den Willen der Regierung Maduro ins Land kommen sollen, war unklar. Auch Deutschland hat sich dazu bereit erklärt, humanitäre Hilfsleistungen zur Verfügung zu stellen, sobald die politischen Rahmenbedingungen das zuließen.

Maduro bittet Papst um Hilfe

Denn Maduro lehnt solche Lieferungen ab. In seiner Rede am Samstag sagte er: „Wir waren keine Bettler und wir werden keine Bettler sein.“ Seine Gegner schmähte er hingegen als „Bettler des Imperialismus“. Venezuela nehme keine Almosen an. Zudem äußerte er die Befürchtung, vor allem im Gefolge von Hilfslieferungen der USA könnten auch US-Soldaten ins Land kommen.

In einem Brief bat Maduro Papst Franziskus, den Dialog in seinem Land zu fördern. Er selber handle mit seinem politischen Einsatz „im Dienst Christi“, so Maduro im Interview mit dem italienischen TV-Sender Sky Tg 24. „Ich bitte den Papst, sich einzusetzen, um uns auf dem Weg des Dialogs zu helfen. Wir hoffen auf eine positive Antwort“, so Maduro. Franziskus hatte sich wiederholt für eine friedliche Lösung der Krise und die Einhaltung der Menschenrechte in Venezuela ausgesprochen.