US-Präsident Donald Trump
AP/Jacquelyn Martin
Zur Lage der Nation

Trumps Rede im Schatten des „Shutdown“

Mit einer Woche Verspätung hält US-Präsident Donald Trump am Mittwoch seine Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress in Washington. Über den Inhalt gibt es eifrige Spekulationen, sie reichen vom Truppenabzug in Syrien und Afghanistan bis zur möglichen Notstandserklärung. Nancy Pelosi, Trumps mächtige Gegenspielerin, wird ihm dabei nicht nur sprichwörtlich im Genick sitzen.

Die Rede beginnt zur besten Sendezeit – um 21.00 Uhr Ortszeit. Trump spricht bei einer gemeinsamen Sitzung des Senats und des Abgeordnetenhauses, also der beiden Kammern des Kongresses.

Hinter ihm werden sein Vize Mike Pence, der zugleich Präsident des Senats ist, und die Demokratin Pelosi, Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Platz nehmen. Pelosi hat dieses Amt seit Anfang des Jahres inne und schwang sich kurzer Zeit zu Trumps fest entschlossenem Widerpart auf.

Demokraten: Kein Geld für Mauer

Verspätet findet die Rede deshalb statt, weil Pelosi von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und die Rede letzte Woche untersagt hatte, solange der partielle Stillstand der Regierung („Shutdown“) noch andauerte. Dieser wurde vorerst für drei Wochen ausgesetzt, ein Übergangshaushalt wurde von Republikanern und Demokraten beschlossen. Der rund um den „Shutdown“ vorherrschende Streit über Trumps Prestigeprojekt, die Mauer an der Grenze zu Mexiko, ist aber noch lange nicht gelöst.

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi
AP/J. Scott Applewhite
Pelosi hat Trump im Mauerstreit offen den Kampf angesagt. Ein Zugeständnis ihrerseits gilt als unwahrscheinlich.

Die Demokraten weigern sich nämlich nach wie vor, die Milliarden dafür lockerzumachen. Dass Trump also fürs Erste den Stillstand der Regierung ausgesetzt hatte, wird – in Kombination mit dem von Pelosi ausgesprochenen Redeverbot für den Präsidenten – als erster großer Sieg für die Demokraten im Repräsentantenhaus gewertet. Das analysierte selbst der Trump-freundlichen Sender Fox-News. Sollten sich die Republikaner und die Demokraten also bis zum 25. Februar nicht auf ein Budgetgesetz einigen, könnte es zu einem neuen „Shutdown“ kommen.

Das wäre allerdings ein weiteres enormes Debakel für den US-Haushalt. Beim bisher längsten „Shutdown“ der US-Geschichte von 22. Dezember bis 25. Jänner gingen den Vereinigten Staaten ganze elf Milliarden US-Dollar (ca. neun Mrd. Euro) verloren. Davon seien, so US-Analysen, mindestens drei Milliarden Dollar (rund 2,6 Mrd. Euro) nicht wieder zu holen.

Droht der Notstand?

Die Spekulationen rund um Trumps Auftritt gehen so weit, dass der US-Präsident ob seines größten Wahlversprechens – der Mauer – in der Rede den nationalen Notstand verhängen könnte, um ohne Zustimmung des Kongresses an Gelder für den Mauerbau zu kommen. Einen landesweiten Ausnahmezustand, bei dem Gesetze oder gar Grundrechte außer Kraft gesetzt werden, bedeutet das zwar nicht, die Maßnahme ist dennoch höchst umstritten und würde wahrscheinlich zu Klagen führen.

Trump betonte am Dienstag indes erneut den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. „Eine gewaltige Zahl an Menschen kommt durch Mexiko hoch in der Hoffnung, unsere Südgrenze zu überfluten“, schrieb Trump auf Twitter. Der Präsident verwies darauf, dass er zusätzliches Militär an die Grenze entsandt habe. „Wir werden eine menschliche Mauer bauen, falls nötig.“ Trumps Sprecherin Sarah Sanders sagte dem Sender CNN, in der Ansprache werde es auch um das Thema Grenzsicherung gehen.

Vermutung: Außenpolitischer Fokus

Außerdem wird gemutmaßt, ob Trump bei der Rede eine Einigung mit den radikalislamischen Taliban über die Zukunft Afghanistans und damit verbunden einen Abzug der internationalen Truppen verkünden könnte. Insidern zufolge werde sich etwa die Hälfte der Rede mit Außenpolitik beschäftigen. Demnach soll auch der geplante Truppenabzug aus Syrien Thema sein, sagte eine mit der Sache vertraute Person am Dienstag. Aus dem Weißen Haus hieß es indes, Trump wolle zu Einheit und Versöhnung aufrufen.

Grenzbefestigung zwischen Mexiko und den USA
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Die Demokraten wollen für Trumps Prestigeprojekt, die Grenzmauer zu Mexiko, kein Geld lockermachen

Ähnliches streute die Regierungszentrale schon letztes Jahr. Bei dem Auftritt selbst legte Trump dann zwar in der Tat in weiten Teilen einen milderen Ton an den Tag, als es sonst für ihn üblich ist. Eine gewisse Härte konnte er sich aber auch damals nicht verkneifen: Beim Thema Einwanderung etwa oder bei seiner Ankündigung, das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo weiter zu betreiben.

Kongress blockierte viele Vorhaben

Der US-Kommunikationswissenschaftler Aaron Kall glaubt, dass die Rede auch diesmal kaum etwas an den verhärteten Fronten ändern wird. Zwar werde Trump sicher mit einigen Punkten versuchen, Konsens zwischen Republikanern und Demokraten herzustellen – etwa was Investitionen in die Infrastruktur angehe. Das werde aber wahrscheinlich dadurch zunichte gemacht, dass das Thema Einwanderung einen großen Teil der Rede ausmachen werde, vermutet der Wissenschaftler von der Universität Michigan.

Trump gerät jedenfalls immer mehr unter Druck. Sein Versprechen von letztem Jahr, eine Reform des Einwanderungssystems, scheiterte kläglich. Im Kongress kam keine Mehrheit zusammen. Auch Trumps Appell an den Kongress, ein umfangreiches Infrastrukturpaket zu verabschieden, trug keine Früchte.

Donald Trump, Mike Pence, Chuck Schumer und Nancy Pelosi
Reuters/Kevin Lamarque
Mauer, ja oder nein? Pelosi, Pence, Trump und Chuck Schumer (Senatsvorsitzender der Demokraten) debattierten vor dem „Shutdown“ im Dezember im Weißen Haus

Dagegen kann er beim Thema Handel einen Erfolg vorweisen: In der Rede 2018 versprach er, „schlechte“ Abkommen zu ändern oder neu zu verhandeln. Mit Mexiko und Kanada haben die USA inzwischen das Nachfolgeabkommen für den Nordamerikanischen Freihandelspakt (NAFTA) unterzeichnet. Auch mit Südkorea einigte sich Trump auf einen überarbeiteten Deal.

Konter folgt von Demokraten

Im Anschluss an Trumps Rede folgt dieses Jahr eine Gegenrede der Demokraten – allerdings nicht im Kongress. Das ist eine Chance für die Partei, Trump Kontra zu geben und aufstrebende Politikerinnen und Politiker in Stellung zu bringen. Die Demokraten haben Stacey Abrams dafür ausgewählt, die im vergangenen November fast Geschichte geschrieben hätte.

Trump hält Rede zur Lage der Nation

Trumps Rede ist eine Art Rechenschaftsbericht und Ausblick des Präsidenten vor den Abgeordneten beider Parlamentskammern.

Abrams wollte Gouverneurin in Georgia werden – und damit als erste afroamerikanische Frau in der US-Geschichte den Chefposten in einem Bundesstaat übernehmen. Sie unterlag bei dem Rennen im Herbst aber knapp ihrem republikanischen Konkurrenten, Brian Kemp. Außerdem wird der kalifornische Justizminister Xavier Becerra eine Ansprache auf Spanisch halten.

Gigantisches Medienspektakel

Die Verfassung der USA sieht vor, dass der Präsident „den Kongress von Zeit zu Zeit über die Lage der Nation informiert“. Nicht festgelegt ist, in welcher Form das passieren soll. Der erste Präsident der USA, George Washington, trat 1789 persönlich vor die Abgeordneten des Senats und des Repräsentantenhauses. Andere Präsidenten schickten ihre Ansprachen schriftlich an den Kongress.

Wiederbelebt wurde die Tradition persönlicher Ansprachen 1913 von Präsident Woodrow Wilson. „State of the Union Address“ heißt die Rede offiziell aber erst seit 1947. Heute ist die Rede zur Lage der Nation ein gigantisches Medienevent, Millionen werden den Auftritt im Fernsehen sehen. 2018 verfolgten nach einer Schätzung des Informationsunternehmens Nielsen etwa 45,6 Millionen Menschen das Politspektakel.