US-Präsident Donald Trump
APA/AFP/Doug Mills
„Werde sie gebaut bekommen“

Trump beharrt in Kongressrede auf Mauer

Große Emotionen, eine Menge Pathos – und nicht viel Neues: Der Versuch von US-Präsident Donald Trump, mit seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstagabend (Ortszeit) die politischen Lager wieder zu einen, dürfte fehlgeschlagen sein. Dafür erneuerte Trump seine altbekannten Positionen – allen voran zur Grenzmauer. „Ich werde sie gebaut bekommen“, sagte Trump und warb erneut um Zustimmung der Demokraten.

„Mauern funktionieren und Mauern retten Leben“, so Trump vor Senat und Repräsentantenhaus. Dafür forderte er vom Kongress 5,7 Milliarden Dollar. „Toleranz für illegale Migranten ist nicht mitfühlend, sie ist grausam“, sagte der US-Präsident weiter. Die Menschen aus Südamerika müssten von der gefährlichen und beschwerlichen Reise in die USA abgehalten werden. Am Tag der Rede kamen rund 1.700 Menschen, überwiegend aus Honduras, in die mexikanische Grenzstadt Piedras Negras, die nahe der texanischen Stadt Eagle Pass liegt.

Trump warnte vor „großen, organisierten Karawanen“, die von Zentralamerika aus auf dem Weg in die USA seien. „Ich bitte Sie, unsere sehr gefährliche Südgrenze aus Liebe und Hingabe zu unseren Mitbürgern und unserem Land zu schützen“, sagte Trump. Republikaner und Demokraten müssten der „drängenden nationalen Krise“ an der Grenze zu Mexiko mit vereinten Kräften entgegentreten. Die Demokraten, auf deren Stimmen im Kongress Trump angewiesen ist, lehnen die Finanzierung einer Mauer strikt ab.

US-Präsident Donald Trump
APA/AFP/Doug Mills
Trump plädierte für einen Kompromiss mit den Demokraten, zeigte aber keinen Weg auf

Zaun statt Mauer?

Trump betonte, Millionen Amerikaner hofften, „dass wir nicht als zwei Parteien regieren, sondern als eine Nation“. Der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, schrieb noch vor Trumps Ansprache auf Twitter: „Noch leerer als seine Politikversprechen sind Präsident Trumps jährliche Aufrufe zur Einheit.“

Es wurde aber auch deutlich, dass Trump inzwischen von seiner einstigen Forderung nach der Errichtung einer durchgehenden Mauer über die Distanz von 2.000 Meilen (rund 3.219 Kilometer) weit abgerückt ist. Er sprach von Zäunen, die dort errichtet werden sollen, wo nötig. Kritische Stimmen führten wiederholt an, dass illegale Einwanderinnen und Einwanderer mehrheitlich nicht über die grüne Grenze einreisen, sondern meist durch die Grenzübergänge in die USA kommen.

Eklats gab es indes keine, auch der von manchen befürchtete Notstand, den Trump ausrufen hätte können, wurde nicht verhängt. Zuvor hatte der US-Präsident damit gedroht, sollte er das Geld für die Mauer nicht erhalten. Einen landesweiten Ausnahmezustand, bei dem Gesetze oder gar Grundrechte außer Kraft gesetzt werden, hätte das zwar sowieso nicht bedeutet, die Maßnahme ist dennoch höchst umstritten und würde wahrscheinlich zu Klagen führen.

Konter folgte von Demokraten

In der traditionellen Gegenrede wischte die Demokratin Stacey Abrams Trumps Argumente beiseite: „Amerika wird gestärkt durch die Anwesenheit von Migranten, nicht durch Mauern“, sagte Abrams. Sie ist die erste Frau mit afro-amerikanischen Wurzeln, die die Gegenrede hielt. Abrams kritisierte auch den „Shutdown“, der die USA für mehr als einen Monat in Atem gehalten hatte. Trumps Prestigeprojekt Grenzmauer bzw. deren Finanzierung war Auslöser dafür gewesen.

Demokratin Stacey Abrams
Reuters/Reuters TV
Abrams wollte Gouverneurin in Georgia werden, unterlag bei dem Rennen im Herbst aber knapp ihrem republikanischen Konkurrenten Brian Kemp.

Mehrere hunderttausende Regierungsangestellte mussten ohne Bezahlung arbeiten oder im Zwangsurlaub ausharren. Es sei eine Schande, mit dem Lebensunterhalt von Menschen politische Spiele zu spielen, so Abrams in Atlanta im Anschluss zu Trumps Rede.

Derzeit ist der Regierungsstillstand zwar ausgesetzt, sollten sich die Republikaner und die Demokraten aber bis zum 15. Februar nicht auf ein Budgetgesetz einigen, könnte es zu einem neuen „Shutdown“ kommen. Beim bisher längsten „Shutdown“ der US-Geschichte vom 22. Dezember bis zum 25. Jänner gingen den Vereinigten Staaten ganze elf Milliarden US-Dollar (ca. neun Mrd. Euro) verloren. Davon seien, so US-Analysen, mindestens drei Milliarden Dollar (rund 2,6 Mrd. Euro) nicht wieder zu holen.

Auch Abtreibungen und HI-Virus als Thema

Auch viele andere Demokraten und Demokratinnen machten deutlich, dass Trump mit seinem Versuch, ohne größere eigene Zugeständnisse den politischen Gegner auf seine Seite zu ziehen, scheitern dürfte. Der Parteichef der Demokraten, Tom Perez, sprach von einer „himmelschreiend spaltenden Agenda“ Trumps. Unter anderem rief Trump beide Parteien zur Verabschiedung eines Gesetzes gegen späte Abtreibungen auf – und nutzte die Gelegenheit, um dem Demokraten Ralph Northam vorzuwerfen, er habe mit seiner liberalen Sicht zur Abtreibung zur „Hinrichtung“ von Babys aufgerufen.

In puncto Gesundheitspolitik appellierte Trump an die Demokraten, die HIV-Epidemie zu bekämpfen. Er warb für einen Plan, mit dem die Zahl der HIV-Infektionen bis 2030 reduziert werden soll. Das Nachrichtenportal „Politico“ hatte zuvor berichtet, das US-Gesundheitsministerium wolle noch im Laufe der Woche Einzelheiten zu der Strategie vorlegen. Laut einer Schätzung der Gesundheitsbehörde CDC sind rund eine Million Menschen in den USA mit dem HI-Virus infiziert. 2017 kam es zu rund 39.000 Neudiagnosen.

Treffen mit Kim Jong Un Ende Februar geplant

Trump will in der Außen- und Sicherheitspolitik den Versuch einer Einigung mit Nordkorea über die atomare Abrüstung der koreanischen Halbinsel fortsetzen und sich am 27. und 28. Februar in Vietnam erneut mit Nordkoreas Machthaber treffen. Trump und Kim hatten sich im Juni vergangenen Jahres zu einem historischen Gipfel in Singapur zusammengefunden.

Trump bleibt bei altbekannten Forderungen

Trump rief die Demokraten zur Zusammenarbeit auf. In erster Linie fordert er Milliarden vom Kongress für eine Mauer zu Mexiko.

„Unsere Geiseln sind nach Hause gekommen, Nukleartests haben aufgehört, und es hat 15 Monate lang keinen Raketenstart gegeben“, sagte Trump. „Wenn ich nicht zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden wäre, wären wir meiner Meinung nach in einen großen Krieg mit Nordkorea verwickelt, mit potenziell Millionen getöteten Menschen.“ Es sei noch viel Arbeit zu tun, aber sein Verhältnis zu Kim sei gut.

Trump: „Große Nationen kämpfen keine endlosen Kriege“

In der Afghanistan-Politik hofft Trump auf Fortschritte in den Verhandlungen mit den radikalislamischen Taliban. „Ich habe auch unsere Verhandlungen beschleunigt, um – wenn möglich – eine politische Lösung in Afghanistan zu finden“, sagte Trump. Die Gespräche mit der Miliz liefen „konstruktiv“. Er wisse zwar nicht, ob sie zu einem Ergebnis führen werden, „aber nach zwei Jahrzehnten des Kriegs sollten wir zumindest versuchen, Frieden zu schaffen“.

„Große Nationen kämpfen keine endlosen Kriege“, so der Präsident mit Blick auf den 18 Jahre währenden Afghanistan-Einsatz. „Indem wir Fortschritte bei diesen Verhandlungen erzielen, werden wir in der Lage sein, unsere Truppenpräsenz zu reduzieren und uns auf Terrorismusbekämpfung zu konzentrieren.“ Zuvor hatte es Spekulationen gegeben, Trump könnte sogar einen abrupten Abzug der US-Soldaten vom Hindukusch im Schilde führen.

US-Wirtschaft „ökonomisches Wunder“

Außenpolitisch wiederholte Trump ansonsten bekannte Positionen. Er will den Iran genau beobachten, weil die Regierung in Teheran Amerika den Tod wünsche und Israel bedrohe. Er erneuerte seine Unterstützung für die venezolanische Opposition um den Gegenpräsidenten Juan Guaido, den die USA und inzwischen viele weitere Länder als den legitimen politischen Führer in dem lateinamerikanischen Land anerkennen. Und er verteidigte erneut den Ausstieg der Amerikaner aus dem Atomabrüstungsvertrag INF.

Alexandria Ocasio-Cortez und andere Demokratinnen
APA/AFP/Getty Images/Alex Wong
Viele Demokratinnen trugen zum Protest gegen Trump weiße Kleidung, unter ihnen auch die demokratische Nachwuchshoffnung und New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez (erste Reihe, Mitte).

Der US-Präsident bekräftigte sein Lob auf die US-Wirtschaft. Die konjunkturelle Entwicklung komme einem „ökonomischen Wunder“ gleich, sagte der Präsident. Die positive Entwicklung könne nur aufgehalten werden, wenn unnötige Kriege geführt würden und wenn es zu parteipolitisch motivierten „lächerlichen Untersuchungen“ gegen seine Person komme. Damit zielte Trump auf die Ankündigung der US-Demokraten, ihre Mehrheit im Kongress dazu zu nutzen, Untersuchungen gegen Trump einzuleiten.

China warf der Präsident abermals den Diebstahl geistigen Eigentums vor. Die Volksrepublik habe die US-Industrie angegriffen. Doch der Diebstahl von amerikanischen Arbeitsplätzen und Wohlstand sei zu Ende. Ein neues Handelsabkommen mit China müsse unfaire Handelspraktiken beenden, das chronische Handelsdefizit der USA beenden und amerikanische Arbeitsplätze schützen.

Demokratinnen setzten mit Kleidung Zeichen

Die Rede Trumps war gespickt mit emotionsgeladenen Auftritten von Gästen, die an den Patriotismus der Amerikaner appellieren und die Größe der Nation sowie die Erfolge der Trump’schen Politik dokumentieren sollten. So war nicht nur der letzte lebende Mondfahrer Buzz Aldrin im Saal des Kongresses, sondern auch ein zehnjähriges Mädchen, das erfolgreich gegen den Krebs kämpfte sowie Weltkriegsveteranen. Mit dem Auftritt einer nach 22 Jahren Haft wegen Drogendelikten von Trump begnadigten Frau stützte er seine Politik im Strafvollzug.

Washington-Korrespondentin Hannelore Veit analysiert Trumps Rede

Hin und wieder habe es doch Überraschungen in Trumps Rede gegeben, berichtet die ORF-Washington-Korrespondentin in der „Zeit im Bild“.

Viele Frauen auf demokratischer Seite setzten mit ihrer Kleidung ein Zeichen – sie traten ganz in Weiß auf – darunter auch die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Es sollte ein Zeichen in Anlehnung an die Suffragettenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA sein, als Frauen für ihr Wahlrecht demonstrierten.

Als Trump seine Arbeitsmarktpolitik lobte, jubelte eine Gruppe Demokratinnen – als Zeichen, dass im November viele Frauen neu in den Kongress gewählt worden waren. Auf das Abgeordnetenhaus dürfte Trump aber kaum angespielt haben: Für die Demokraten – die die Kammer seit Jänner kontrollieren – sitzen dort nun 89 Frauen, für die Republikaner nur 13.

Gigantisches Medienspektakel

Die Verfassung der USA sieht vor, dass der Präsident „den Kongress von Zeit zu Zeit über die Lage der Nation informiert“. Nicht festgelegt ist, in welcher Form das passieren soll. Pelosi untersagte Trump zuerst seine Rede zur Lage der Nation im Kongress, indem sie von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht hatte. Grund war der „Shutdown“.

Heutzutage wird bei der Rede zur Lage der Nation jedes Jahr ein gigantisches Medienevent erwartet. Millionen sahen den Auftritt im Fernsehen. Zwölf amerikanische TV-Sender waren live mit dabei und übertrugen die 82 Minuten lange Rede, die immer wieder von „USA, USA, USA“-Sprechchören und tosendem Applaus unterbrochen wurde.