Designer Karl Lagerfeld
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Mode

Karl Lagerfeld ist tot

Die Mode- und Kunstwelt hat einen ihrer Größten verloren: Karl Lagerfeld ist tot. Das Allroundtalent, das mit dem Modehaus Chanel eng verbunden war, setzte in vielen Sparten der Kunst Zeichen und Trends. Lagerfeld war ein Mann, der – nicht zuletzt beim eigenen Alter – viele Geheimnisse hatte.

Am Dienstag starb er laut französischen Medienberichten in einem Krankenhaus in Neuilly-sur-Seine bei Paris. Später bestätigte das Modehaus Chanel die Berichte.

Zeitlebens hatte Lagerfeld aus seinem Geburtsjahr ein Mysterium gemacht. Damit begründete er unter anderem seinen Ruf als eitle Person. Es sei „keine Schande, eitel zu sein“, sagte er. Sein Leben bestand aus der Suche nach Schönheit, er betätigte sich neben der Modeschöpfung auch als Fotograf, gestaltete Inneneinrichtungen und Porzellan, brachte Parfüms und Bücher heraus. 20 Stunden am Tag arbeite er, gab Lagerfeld gern zu Protokoll – ein Workaholic mit tausend Talenten und Langeweile als größtem Feind.

Lagerfeld stammte aus einer Hamburger Industriellenfamilie, das Haus produzierte Dosenmilch mit dem Namen Glücksklee. Als Geburtsjahr gab Lagerfeld wiederholt 1938 an, später auch 1935. Verschiedene deutsche Medien recherchierten in Hamburg nach, dass eher 1933 stimmen dürfte. So wurde etwa das Taufregister entdeckt, das als Geburtstag den 10. September 1933 nannte.

Wegweisender Wechsel zu Chanel

Schon als Teenager schickte die Mutter ihn nach Paris, wo er 1954 den ersten Preis des Internationalen Wollsekretariats für den Entwurf eines Mantelmodells gewann. Nach einer Schneiderlehre bei Pierre Balmain übernahm er die künstlerische Leitung des Haute-Couture-Hauses Patou. 1963 wurde er künstlerischer Direktor vom Modehaus Chloe und schaffte 20 Jahre später den Sprung zur Luxusmarke Chanel, die damals weit weniger erfolgreich war. Er habe „Tote aufgeweckt“, sagte Lagerfeld zum damaligen Zustand des Modehauses. Mit einer Mischung aus Tradition und Trend brachte er das Haus wieder auf Erfolgskurs. Für Chanel entdeckte er Ende der 80er Jahre Models wie Claudia Schiffer und löste so auch einen bis heute andauernden Hype um Modelikonen aus.

Fotostrecke mit 7 Bildern

Archivbild aus dem Jahr 1987: Karl Lagerfeld blickt durch eine Schere
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Karl Lagerfeld 1987 ohne charakteristische Sonnenbrille. Der Designer blickte auf eine fast sieben Jahrzehnte dauernde Karriere zurück.
Archivbild von Karl Lagerfeld aus dem Jahr 1995 auf dem Laufsteg gemeinsam mit Claudia Schiffer, Linda Evangelista und Helena Christensen
AFP
Lagerfeld inmitten seiner Musen: Claudia Schiffer, Nadja Auermann und Helena Christensen gehörten zu den Laufsteggrößen der 1990er Jahre
Archivbild von Karl Lagerfeld mit Model Kimora Perkins aus dem Jahr 1989
AFP
Jung und dünn – so sollten Lagerfelds Models sein: 1989 lief Kimora Perkins im Alter von 14 Jahren für die Chanel-Schau
Archivbild von Karl Lagerfeld aus dem Jahr 1995
AFP
Auftritt am Ende der Präsentation: Seit Anbeginn seiner Arbeit für Chanel lief auch Lagerfeld selbst zum Schluss über den Laufsteg
Archivbild aus dem Jahr 2011 von Karl Lagerfeld mit Prinzessin Caroline von Monaco
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Mit Prinzessin Caroline von Monaco verband Lagerfeld eine lange Freundschaft. Ansonsten sah er zwischen sich und dem Rest der Welt „eine Glaswand“.
Karl Lagerfeld posiert neben einem Foto seiner Katze „Choupette“
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Sein liebstes Familienmitglied: Katze Choupette. Lagerfeld liebte das Tier – und machte es zur lukrativen Einnahmequelle.
Designer Karl Lagerfeld bei der Präsentation seiner Herbst/Sommer-Kollektion 2019
Reuters/Stephane Mahe
Geliebt und gehasst: Lagerfeld scheute keine Kontroverse. Mit Biss und Belesenheit überraschte er mitunter, mit Kreativität überzeugte er Kritiker und Fans. Doch ebenso provozierte er, gern auch durch politische Inkorrektheit.

Lagerfeld arbeitete für zahllose Marken und auch für den Massenmarkt. Nachdem er 1996 schon eine Kollektion für den Quelle-Katalog entwarf, folgte 2004 eine Linie für die schwedische Modekette H&M, bei der seine Kreationen in zwei Tagen ausverkauft waren. Viele Laufstegschauen gerieten zum Triumph, etwa sein Defilee 2017 in der Hamburger Elbphilharmonie, das als Rückkehr eines Sohnes der Stadt gefeiert wurde.

TV-Hinweis

ORF2 zeigt in memoriam am Mittwochabend um 23.25 Uhr die Dokumentation „Lagerfeld Confidential“.

Eigenes Bild

Seit 1987 war Lagerfeld auch ein umtriebiger Fotograf. Laut einer der vielen Legenden um den Modezaren war das eigene Fotografieren Resultat eines Streits mit dem Fotochef von Chanel. Dieser habe ihm gesagt: „Wenn Sie so schwierig sind, dann machen Sie’s doch selbst!“ Das führte zu einem großen Werk am Mode- und Architekturfotografie mit Ausstellungen auf der ganzen Welt.

Auch am eigenen Bild arbeitete Lagerfeld unerschöpflich. Zu Markenzeichen wurden seine schwarze Sonnenbrille und sein weißgepuderter Zopf. Später kamen Vatermörderkragen, Autofahrerhandschuhe und Fächer dazu – zur Abwehr von Paparazzi. Aus seinen Kapriolen machte er kein Hehl, er zelebrierte sie und fütterte damit den eigenen Mythos. Die Modejournalisten nahmen seine Anekdoten dankend an, etwa, dass er seine Schuhe stets zu klein kaufte oder seine Wäsche nach dem ersten Gebrauch wegwarf.

Debatte über „dicke Muttis“

In die Sonne ging er Jahrzehnte lang nicht, er wolle nicht aussehen, wie „eine alte Schildkröte“. Gern wurden auch Geschichten über Lagerfelds Katze Choupette verbreitet, die über eigene Facebook- und Twitter-Accounts verfügte. Die Katze reiste stets an Lagerfelds Seite mit um die Welt, „sie liebt Rom und New York“, so der Designer. Lagerfeld ließ sie für Opel und japanische Schönheitsprodukte werben. 2013 kam eine nach Choupette benannte Accessoire-Kollektion auf den Markt.

Eigen war Lagerfeld auch seine eiserne Disziplin, etwa als er sich 2001 gnadenlos mehr als 40 Kilogramm runterhungerte – nach eigenen Angaben aus modischen Gründen. Daher rührte auch die Kritik, die Lagerfeld immer wieder auf sich zog. Denn der Designer setzte
auf „Magermodels“. Er sprach sich auch gegen ein Laufstegverbot für zu dünne Models aus. „Da sitzen dicke Muttis mit der Chipstüte vorm Fernseher und sagen, dünne Models sind hässlich“, zitierte ihn 2009 das Nachrichtenmagazin „Focus“. Runde Frauen wolle da niemand sehen, so Lagerfeld.

Einer der reichsten Deutschen

Mit seinen international viel beachteten und verkauften Werken häufte sich Lagerfeld ein großes Vermögen an. Er zählte mit einem geschätzten Privatvermögen von etwa 350 Millionen Euro zu den 500 reichsten Deutschen. Er unterhielt Wohnungen und Häuser in Paris, Monte Carlo, Biarritz, Rom, Vermont und New York. Seit dem Tod seines 1983 an AIDS erkrankten Partners Jacques de Bascher im Jahr 1989 lebte Lagerfeld nach eigenen Angaben bevorzugt allein.

„König Karl“, wie ihn Fans nannten, hatte zuletzt mit Schlagzeilen über seine Gesundheit für Aufsehen gesorgt. Erstmals in seiner Zeit als Chanel-Kreativdirektor trat er etwa nicht am Ende der Modenschau seines Hauses auf – aus Erschöpfung, wie es hieß. Seinen weltweiten Erfolg schrieb Lagerfeld stets der Härte gegen sich selbst zu: „Wahrscheinlich bin ich durch Arbeit und mitleidlose, eiserne Entschlossenheit geworden, was ich heute bin“, so Lagerfeld 2013 im „Focus“. Für das allzu Menschliche konnte sich Lagerfeld selten erwärmen: „Zwischen mir und dem Rest der Welt steht eine Glaswand“, sagte er gegenüber der ARD.

„Eine große Inspiration“

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“Fashion and culture have lost a great inspiration.” Tribute to Karl Lagerfeld by Bernard Arnault, Chairman and CEO of LVMH: “With the passing of Karl Lagerfeld we have lost a creative genius who helped to make Paris the fashion capital of the world and Fendi one of the most innovative Italian houses. We owe him a great deal: his taste and talent were the most exceptional I have ever known. Artistic director of Jean Patou in 1959, creator of Fendi since 1965, member of the LVMH Prize jury since its creation in 2013, he honored the LVMH group with an extraordinarily stimulating creative and entrepreneurial friendship. I will always remember his immense imagination, his ability to conceive new trends for every season, his inexhaustible energy, the virtuosity of his drawings, his carefully guarded independence, his encyclopedic culture, and his unique wit and eloquence. The death of this dear friend deeply saddens me, my wife and my children. We loved and admired him deeply. Fashion and culture have lost a great inspiration.” _ « La mode et la culture perdent un grand inspirateur. » Hommage de Bernard Arnault à la suite de la disparition de Karl Lagerfeld. « Avec Karl Lagerfeld s’éteint un génie créatif qui a contribué à faire de Paris la capitale mondiale de la mode et de Fendi l’une des maisons italiennes les plus innovantes. Nous lui devons beaucoup : son goût et son talent étaient les plus exceptionnels qu’il m’ait été donné de connaître. Directeur artistique de Jean Patou en 1959, créateur de Fendi à partir de 1965, membre du jury du LVMH Prize depuis sa création en 2013, il a honoré le groupe LVMH d’une amitié créative et entrepreneuriale extraordinairement stimulante. Je retiens de lui son immense imagination, sa capacité à susciter chaque saison de nouvelles tendances, son énergie inépuisable, la virtuosité de ses dessins, son indépendance soigneusement gardée, sa culture encyclopédique, et la drôlerie des mots d’esprit dont il emporte le secret. Le décès de cet ami très cher m’attriste infiniment, ainsi que mon épouse et mes enfants. Nous l’aimions et l’admirions profondément. La mode et la culture perdent un grand inspirateur. » #KarlLagerfeld #Fendi

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Lagerfelds Tod rief am Dienstag große Trauer hervor. Der Chef des französischen Luxuskonzerns LVMH, Bernard Arnault, bezeichnete den Modeschöpfer als „große Inspiration“ für Mode und Kultur. Chanel gab unterdessen bekannt, dass Virginie Viard, engste Mitarbeiterin Lagerfelds und Vizekreativdirektorin, Lagerfeld im Konzern nachfolgen soll.