Prozessauftakt in Spanien
Reuters/Emilio Naranjo
Katalonien-Konflikt

Madrid urteilt über Separatisten

Unter starken Sicherheitsvorkehrungen hat am Dienstag vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid ein für Spanien bisher beispielloser Prozess begonnen. Auf der Anklagebank sitzen zwölf führende Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Der auf drei Monate anberaumte Prozess wird live im Fernsehen übertragen. Rund 600 Journalisten aus dem In- und Ausland sind akkreditiert.

Der Prozess dient der juridischen Aufarbeitung eines politischen Dramas, das Spanien vor rund anderthalb Jahren in eine Staatskrise geführt hatte. Nach einem umstrittenen Referendum hatte die damalige Regionalregierung am 27. Oktober 2017 einseitig Kataloniens Unabhängigkeit ausgerufen. Spaniens Zentralregierung reagierte mit aller Härte. Die Unabhängigkeitsführer von damals sind im Gefängnis oder im Exil.

Ex-Vizepremier drohen bis zu 25 Jahre Haft

Auf der Anklagebank sitzen nun der ehemalige Vizeregierungschef Oriol Junqueras sowie sieben weitere ehemalige Minister der Konfliktregion und zwei Aktivisten, die eine führende Rolle beim katalanischen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 spielten. Neben Aufwiegelung der Massen und der Veruntreuung staatlicher Gelder sehen sich mehrere Angeklagte auch mit dem Vorwurf der Rebellion konfrontiert.

Katalanische Separatisten auf der Anklagebank

In Madrid hat der Prozess gegen Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien begonnen. ORF-Korrespondent Josef Manola berichtet vom ersten Prozesstag.

Junqueras droht mit bis zu 25 Jahren die höchste Gefängnisstrafe. 17 Jahre Haft fordert die spanische Staatsanwaltschaft zudem für die ehemalige Präsidentin des katalanischen Regionalparlaments, Carmen Forcadell, sowie für die „beiden Jordis“ – Jordi Sanchez war Chef der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) und Jordi Cuixart Leiter der Kulturvereinigung Omnium Cultural.

Protest vor Gerichtsgebäude

Vor dem Gericht versammelten sich Anhänger der Separatisten und hielten Plakate mit der Forderung „Freiheit für die politischen Gefangenen“ in die Höhe. Ihnen stand eine kleinere Gruppe von Gegendemonstranten gegenüber, die „Putschisten“ und „Verschwörer“ riefen. Am ersten Prozesstag ging es vor allem um Verfahrensfragen und nicht um die eigentlichen Vorwürfe. Mit Urteilen wird nicht vor Juni gerechnet.

Für Separatisten „politischer Prozess“

Die Separatisten sprechen dem Verfahren die Legitimität ab und von einem politischen Prozess. „Die wollen kein offenes Verfahren, sondern sie wollen eine Verurteilung aus politischen Gründen“, sagte der von den Separatisten beauftragte Anwalt Olivier Peter. Die Regierung wies diese Vorwürfe zurück und betonte, der Prozess folge rechtsstaatlichen Grundsätzen. In Spanien ist die territoriale Integrität des Landes in der Verfassung festgeschrieben. Erst nach einer entsprechenden Verfassungsänderung wäre die Abspaltung einer Region legal.

Vor allem der Tatbestand der Rebellion sorgte bereits im Vorfeld des Prozesses für kontroverse Debatten. Gemäß dem spanischem Strafrecht setzt Rebellion voraus, dass Gewalt eingesetzt oder zumindest zu ihr aufgerufen wurde. Während die Staatsanwaltschaft das als gegeben ansieht, wird es von der Verteidigung entschieden bestritten. Nicht von ihren Mandanten sei Gewalt ausgegangen, sondern von der Polizei, die am Tag des Volksentscheids auf Menschen eingeschlagen habe, die friedlich ihre Stimme abgeben wollten.

Vertreter der spanischen Regierung, die in dem Prozess als Nebenklägerin auftritt, plädieren unterdessen nicht auf Rebellion, sondern auf den minder schweren Straftatbestand Aufruhr. Darauf stehen bis zu zwölf Jahre Gefängnis.

Puigdemont für neues Referendum

Der prominenteste Vertreter der Katalanen, Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont, bleibt nach seiner Flucht ins belgische Exil unterdessen – zumindest vorerst – von einem Prozess verschont. Die spanische Justiz führt keine Prozesse in Abwesenheit des Angeklagten. Am Tag der Prozesseröffnung in Madrid bekräftigte Puigdemont während eines Berlin-Besuchs die Forderung nach einem neuen Unabhängigkeitsreferendum und bezeichnete den Prozess als Nagelprobe für die spanische Demokratie.

Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident Sanchez hat zwar einen deutlich konzilianteren Ton gegenüber den katalanischen Separatisten als sein konservativer Vorgänger Mariano Rajoy angeschlagen. In der Kernfrage der Ablösung von Spanien ist er jedoch zu keinen Zugeständnissen bereit.

Die Katalanen haben ihre eigene Sprache und fühlen sich seit Jahrhunderten von Madrid unterdrückt. Die wirtschaftsstarke Region mit ihren 7,5 Millionen Einwohnern kommt für etwa ein Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung auf.