Netzwerkkabel
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Duma-Votum

Moskau stimmt Abkoppelung von Internet zu

Ein neues Gesetz würde es Russland ermöglichen, sich komplett vom weltweiten Internet zu isolieren. Dafür müsste sich das Land von ausländischen Servern abkoppeln. Während Aktivisten Zensur und Überwachung befürchten, argumentiert Moskau mit Cybersicherheit. Die Duma sah am Dienstag keinen Zwiespalt: 334 Abgeordnete stimmten dafür – nur 47 dagegen.

Die Trennung soll zunächst als Test erfolgen, um Erkenntnisse zu gewinnen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde bereits im vergangenen Dezember eingebracht. Dieser sieht neben der Option der Abtrennung auch die Einrichtung eines Zentrums vor, „um die Leitung des Internetverkehrs zu sichern und zu kontrollieren“. Internetdienstanbieter müssten „technische Maßnahmen“ installieren, „um Bedrohungen standzuhalten“.

Am Dienstag wurde der Gesetzesentwurf in der Duma ungewöhnlich hitzig debattiert. Die Initiatoren verteidigten es als „Abwehrmechanismus“, um die „langfristige stabile Funktion von Netzwerken in Russland sicherzustellen“. Russische Internetanbieter müssten die Unabhängigkeit russischsprachiger Angebote im Falle einer „ausländischen Aggression“ gewährleisten können.

„Das ist sehr ernst“

Kritiker warnten, die Neuregelung könne das Internet einer strengen staatlichen Zensur unterwerfen. „Das ist sehr ernst“, sagte Andrej Soldatow, Mitautor eines Buchs über Internetüberwachung in Russland. Das neue Gesetz drohe „ganz Russland“ vom weltweiten Internet abzuschneiden. Artjom Kosljuk von der NGO Roskomswoboda warnte vor „ernsthaften Risiken für die Zivilgesellschaft“. Die Abgeordneten stimmten dennoch mit großer Mehrheit für das Gesetz: Der Entwurf wurde in erster Lesung mit 334 zu 47 Stimmen angenommen.

Erster Test vor April

Laut einem BBC-Bericht von Montag sei ein erster Test bereits zuvor im Jänner genehmigt worden sein, hieß es in den Berichten. Alle Internetbetreiber hätten den Zielen zugestimmt, äußerten aber Bedenken bei der technischen Umsetzung. Deshalb soll das erste Experiment Daten über die Folgen einer Trennung liefern. Dieser Test soll noch vor 1. April stattfinden, ein exaktes Datum sei noch nicht genannt worden, so die BBC.

Wie BBC zudem berichtete, gehöre zu den im Gesetz beschriebenen Maßnahmen, dass Russland eine eigene Version des Adressensystems des Internets (Domain Name System) aufbaut. Das Gesamtziel besteht nach Ansicht der Technologiewebsite ZDNet darin, dass die russischen Behörden ein Filtersystem wie Chinas „Great Firewall“ implementieren, das schon jetzt den Internetverkehr des Landes überwacht und zensiert. Möglich wäre aber auch ein funktionsfähiges landesweites Intranet, wie es bereits in Nordkorea der Fall ist. Dort heißt es Kwangmyong und wird staatlich kontrolliert.

Teures Projekt

Russische Behörden haben in den vergangenen Jahren wiederholt die Freiheit im Netz eingeschränkt. So wurden etwa Inhalte und Seiten der Opposition gesperrt sowie Dienste, die nicht mit den Behörden kooperieren wollten, wie etwa die Videoplattform Dailymotion, das Soziale Netzwerk LinkedIn und der Messengerdienst Telegram.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die hohen Kosten des Projekts, die auf mehr als 20 Milliarden Rubel (270 Millionen Euro) geschätzt werden. Laut BBC sollen für die nötige technische Umrüstung, die nach dem Test auf die russischen Unternehmen zukommen könnte, die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen aufkommen.