Mädchen geht an Wand mit Wahlplakaten vorbei
APA/AFP/Luis Tato
Von Islamisten bis Wirtschaft

Nigeria wählt in Zeiten der großen Probleme

In westafrikanischen Vielvölkerstaat Nigeria werden am Samstag ein neuer Präsident sowie ein neues Parlament gewählt. Der 76-jährige Präsident Muhammadu Buhari strebt eine zweite Amtszeit an. Sein größter Widersacher ist der 72-jährige Atiku Abubakar, der im vierten Anlauf auf seinen ersten Wahlsieg hofft. Auf den Wahlsieger warten unterdessen zahlreiche große Probleme.

Erwartet wird im bevölkerungsreichsten Land Afrikas ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Buhari positioniere sich als Befürworter eines starken Staates, während der frühere Vizepräsident Abubakar als Wirtschaftskandidat auftrete, erklärte der nigerianische Politikanalyst Cheta Nwanzezur der Nachrichtenagentur AFP. Für den Urnengang am 16. Februar sind mehr als 84 Millionen Wählerinnen und Wähler registriert, eine Steigerung von 18 Prozent im Vergleich zur letzten Wahl vor vier Jahren. Damals schlug Oppositionskandidat Buhari den amtierenden Präsidenten Goodluck Jonathan mit 2,6 Millionen Stimmen.

Insgesamt treten 73 Kandidaten zur Präsidentschaftswahl an, sieben davon Frauen. Parallel zum Präsidenten wird auch ein neues Parlament gewählt. 6.483 Kandidaten und Kandidatinnen bewerben sich um 109 Sitze im Senat und 360 Sitze im Abgeordnetenhaus. Am 2. März folgen dann Wahlen in den 29 Bundesstaaten.

Wahlkampfwerbung in der nigerianischen Hauptstadt Abuja
APA/AFP/Pius Utomi Ekpei
Die Hauptstadt Abuja ist voll mit Wahlplakaten

Korruption, Islamismus und Wirtschaftsprobleme

Die Probleme des Landes sind groß: Nigeria, das die größten Öl- und Erdgasreserven des Kontinents besitzt, kämpft mit den Folgen einer wirtschaftlichen Rezession. Schätzungen zufolge leben 87 Millionen der 190 Millionen Einwohner von weniger als 1,90 Dollar (1,68 Euro) am Tag. Grassierende Korruption und rasantes Bevölkerungswachstum erschweren den Kampf gegen die Armut. Erst am Mittwoch hatte die EU Nigeria auf ihre schwarze Liste der Geldwäschesünder gesetzt.

Grafik zeigt eine Factbox über Land, Einwohner, Wirtschaftsentwicklung; Karte Nigeria
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/IWF/CIA/AFP

Das Land ist religiös zwischen Islam und Christentum zweigeteilt. Im Nordosten des Landes sind wegen des Terrors der Islamistenmiliz Boko Haram nach wie vor 1,8 Millionen Menschen heimatlos. In einigen zentralnigerianischen Bundesstaaten kommt es im Kampf um Ressourcen zwischen Viehzüchtern und Bauern immer wieder zu Gewalt.

Betrugsvorwürfe bereits vor der Wahl

2015 waren die Wahlen wegen des Kampfes gegen Boko Haram um sechs Wochen verschoben worden. Für diese Wahl hat die nationale Wahlkommission (INEC) trotz mehrerer Brände in ihren Büros, die Wahlmaterialien zerstörten, grünes Licht gegeben. Die Abstimmung gilt schon wegen der rund 1,8 Millionen von Boko Haram Vertriebenen als eine logistische Herausforderung.

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari
Reuters/Temilade Adelaja
Der amtierende Präsident Buhari bei einer Wahlkampfveranstaltung

Zudem gibt es schon vor der Wahl Betrugsvorwürfe gegen die Regierungspartei All Progressive Congress (APC) von Buhari und die größte Oppositionspartei People’s Democratic Party (PDP) von Abubakar. Beide Parteien sollen versucht haben, massenweise Wahlbenachrichtigungen und Ausweise aufzukaufen.

Obersten Richter suspendiert

Präsident Buhari wird zudem vorgeworfen, den Antikorruptionskampf für das Ausschalten unliebsamer Gegner zu instrumentalisieren. Vor Kurzem hatte er mit der Begründung von Korruption den vorsitzenden Richter des obersten Gerichts suspendiert. Das oberste Gericht ist zuständig, sollte es bei der anstehenden Wahl Streit um das Ergebnis geben. Von seinen Kritikern wird Buhari auch vorgeworfen, Muslime aus seiner Heimatregion auf Schlüsselposten zu setzen und im Namen des Antikorruptionskampfs gegen seine politischen Gegner vorzugehen.

Oppositionsführer und Präsidentschaftskandidat Atiku Abubakar
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Herausforderer Abubakar will bei seinem vierten Anlauf Präsident werden

Die Partei des Herausforderers Abubakar warf Präsident Buhari und seiner Partei eine Woche vor der Präsidentschaftswahl vor, im Wahlkampf schmutzige Tricks anzuwenden. Sie beschuldigte die Regierungspartei am Wochenende, eine Großkundgebung der Opposition in der Hauptstadt Abuja verhindert zu haben, indem sie dafür gesorgt habe, dass die PDP vom Veranstaltungsort ausgesperrt wurde. Die Opposition wertete das als einen „provokativen“ Schritt und als Zeichen von „Verzweiflung“.

APC-Sprecher Lanre Isa-Onilu bestritt die Vorwürfe. Der betreffende Veranstaltungsort gehöre seiner Partei nicht, „also konnten wir ihnen gar nicht den Zugang zu einem Ort verwehren, der uns nicht gehört und über den wir keine Kontrolle haben“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.

Zahlreiche Tote bei Wahlkampfveranstaltung

Unterdessen kamen bei einer Wahlkampfveranstaltung von Buhari 15 Personen bei einem Massengedränge ums Leben, wie es am Mittwoch hieß. Medienberichten zufolge kam es nach Buharis Wahlkampfauftritt in einem Stadion zu einem Gedränge, als die Menschen durch einen verschlossenen Ausgang ins Freie gelangen wollten.

Daraufhin sei Panik ausgebrochen. Menschen seien gestürzt und zu Tode getrampelt worden. Bereits zuvor waren zwei Menschen bei einer Wahlkampfveranstaltung Buharis in nordöstlichen Bundesstaat Taraba in einem Menschengedränge gestorben. Am 21. Jänner wurden mehrere Menschen in der Stadt Maiduguri verletzt, als bei einem Besuch des Präsidenten ein Podest zusammenbrach.

Erzbischof mahnt Kandidaten

Der Erzbischof von Abuja, Kardinal John Onaiyekan, rief zu einer friedlichen Präsidentschaftswahl auf. „Beide Kandidaten sollten nicht nur eine Niederlage akzeptieren, sondern auch ihre Unterstützer zur Ruhe aufrufen“, sagte Onaiyekan der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) laut Kathpress.

Onaiyekan bedauerte, dass es bisher keiner weiteren Gruppierung gelungen sei, eine politische Alternative zu bieten. „Vor sechs Monaten schien das noch möglich zu sein. Doch selbst den jungen Menschen, die internationale Erfahrungen und gute Ideen haben, ist es nicht gelungen, sich zusammenzutun und eine Koalition zu formen.“ APC und PDP hätten hingegen sehr ähnliche Ideologien und Strukturen. Daher sei es ein reiner Personenwahlkampf.

Die USA riefen Nigeria dazu auf, ein „sicheres Umfeld“ für die Wahlen zu garantieren. Die Wahlen müssten „frei, gerecht, transparent und friedlich“ verlaufen, erklärte US-Außenminister Mike Pompeo vorige Woche. Die Wahlkommission müsse ihre Arbeit tun können, ohne „Einschüchterungen“ ausgesetzt zu sein.